Schneider schneidet ein Stück stoff
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Jobzufriedenheit

Es ist nicht nur Geld allein

Österreicher und Österreicherinnen bewerten ihre berufliche Situation zwar generell als gut, doch der Abstand zwischen besonders zufriedenen und besonders unzufriedenen Arbeitnehmern wird größer. Die Gründe für Zufriedenheit im Job sind vielfältig, der Bezahlung scheint jedoch ein geringerer Stellenwert zuzukommen als etwa Karriereperspektiven.

In einigen Berufen sind Arbeitnehmer überdurchschnittlich zufrieden, in anderen wiederum überhaupt nicht, zeigt der aktuelle Arbeitsklimaindex: Am unzufriedensten seien Textilarbeiter, Reinigungskräfte und Beschäftigte in der Gastronomie, fanden die Sozialforscher Daniel Schönherr (SORA) und Reinhard Raml, Geschäftsführer des Instituts für empirische Sozialforschung, im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) heraus.

Bei den Textilarbeitern gehörten 33 Prozent der Befragten ins unterste Zehntel, also zu den Unzufriedensten, bei Reinigungskräften und Gastronomie jeweils 19 Prozent. Knapp gefolgt werden sie von Fabrikarbeitern, Bauarbeitern und Lagerarbeitern. Auch im Handel und Tourismus würden viele Beschäftigte mit extrem niedriger Arbeitszufriedenheit arbeiten.

Arbeiter auf einer Baustelle
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Bauarbeiter zählen laut Index zu den Unzufriedenen – was jedoch nicht bedeute, dass der Beruf prinzipiell „schlecht“ sei

„Kein Ranking der besten und schlechtesten Berufe“

Überdurchschnittlich zufrieden seien hingegen Marketingberater und -beraterinnen, Geschäftsführer und Personen in medizinischen Assistenzberufen: Von den Marketingberatern gehörten 23 Prozent zum obersten Zufriedenheitszehntel, von den Geschäftsführern 21 Prozent und in der medizinischen Assistenz 20 Prozent. Im Mittelfeld befänden sich etwa Bankangestellte, Lehrer und Ärzte.

Dabei gehe es nicht um ein „Ranking“ der besten und schlechtesten Berufe, erläuterte der Präsident der AK Oberösterreich Johann Kalliauer bei der Präsentation der Auswertung des österreichischen Arbeitsklimaindexes am Freitag. Ein Beruf sei ihm zufolge nicht an sich schlecht oder gut – es komme immer auf die Gestaltung an. Es gehe immer um die Gesamtsituation im Beruf, die etwa durch Einkommen, Zeitdruck, Arbeitsplatzsicherheit, aber auch durch Führungsstil geprägt sei.

Große Schere zwischen Zufriedenen und Belasteten

Die Arbeitswelt teile sich immer mehr zwischen den Zufriedenen und den besonders Belasteten, so die AK. Die obersten zehn Prozent, also die Zufriedensten, blieben über 20 Jahre hinweg in den Arbeitsklimaindex-Werten konstant, während für die untersten zehn Prozent, also die Unzufriedensten, die Arbeitssituation immer schwieriger wurde, zeigt der Arbeitsklimaindex. Auch sagten 27 Prozent der Beschäftigten im untersten Zehntel gegenüber der AK, dass ihr Einkommen nicht zum Leben reiche.

Knapp 400.000 aller in Österreich Beschäftigten seien mit ihrer Arbeit sehr unzufrieden. Als Grund dafür sieht Kalliauer etwa die Flexibilisierung: Immer mehr Beschäftigte würden als Leiharbeiter, befristet oder in anderen atypischen Arbeitsverhältnissen arbeiten, so Kalliauer.

Eine zentrale Rolle spiele auch die Ausbildung: 20 Prozent der Menschen, die nach der Pflichtschule keine weitere Ausbildung mehr absolviert haben, sind extrem unzufrieden. Schon mit einem Lehrabschluss reduziert sich der Anteil auf nur noch acht Prozent. Im Zeitvergleich zählen immer mehr Frauen, Zuwanderer, Teilzeitbeschäftigte sowie Akademiker und leitende Angestellte zu den extrem Unzufriedenen.

Frauen in einem Büro
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Marketingberater und -beraterinnen sind mit ihrem Beruf „überdurchschnittlich zufrieden“

Die Gewerkschaft vida forderte die Talfahrt, was die Jobzufriedenheit in diesen Branchen betrifft, „zu stoppen“. Erst wenn etwa die Reinigungsbranche und der Tourismus es schaffen, „eine gute Work-Life-Balance zu bieten, werde die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder steil nach oben gehen“, hieß es vonseiten der Gewerkschaft.

Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten ausschlaggebend

Doch was führt zu Arbeitszufriedenheit? Laut AK sind viele Faktoren entscheidend. Den relativ größten Einfluss nehmen die subjektiven Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten – vor allem bei den jüngeren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Bei Älteren seien hingegen Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausschlaggebend für die Zufriedenheit.

„Wer zufriedene und loyale Beschäftigte haben will, muss ihnen berufliche Perspektiven, gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung bieten“, sagte Kalliauer.

Innovationsstress bei Älteren, Zeitstress bei Jüngeren

Als ebenfalls relevant erachtet werden die Einschätzung des eigenen sozialen Status sowie die Beurteilung der eigenen Rechte als Arbeitnehmer. Einen ähnlichen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit hätten allerdings auch die Arbeitsbedingungen sowie die damit verbundenen Belastungen. Hier sei neben dem Führungsstil auch Stress ausschlaggebend – psychischer wie physischer. Vier von zehn Beschäftigten gaben bei einer Umfrage der Allianz-Versicherung an, akut stressgeplagt zu sein – mehr dazu in science.ORF.at.

Ältere Arbeitnehmer würden sich vor allem durch einen „Innovationsstress“ unter Druck gesetzt fühlen, besagt der Arbeitsklimaindex. Für Jüngere spielt dagegen die Zeiteinteilung im Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine signifikante Rolle. Einen geringen Faktor stelle hingegen das Einkommen dar.

Unzufriedenheit bis in die Pension?

Die Arbeitszufriedenheit spielt laut AK auch bei der Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit eine große Rolle. Untersucht wurde bei einer Umfrage, ob jemand angesichts seiner heutigen Arbeitssituation erwartet, seinen Beruf noch bis zur Pension ausüben zu können. Im Schnitt rechnen 45 Prozent aller Beschäftigten damit, dass sie nicht bis zur Pension durchhalten.

In der Gruppe mit niedrigster Arbeitszufriedenheit seien es sogar 69 Prozent, in der Topgruppe hingegen nur 17 Prozent. 74 Prozent der in der Altenpflege Beschäftigten würden glauben, dass sie nicht bis zur Pension arbeiten können, ebenso 65 Prozent der Reinigungskräfte, 64 Prozent der Maurer und Zimmerer sowie 60 Prozent der Fabrikarbeiter. Dabei zeigte sich ein großer Knick ab ca. 35 Jahren: Während die Jüngeren noch recht optimistisch seien, bis zur Pension arbeiten zu können, gehe diese Zuversicht in Richtung des 40. Lebensjahres immer mehr verloren.

Die Lebenszufriedenheit sei übrigens höher als die Arbeitszufriedenheit, wie die Sozialforscher erläuterten: Nur wenige Menschen seien mit ihrem Leben ganz unzufrieden. Auch sei „Lebensunglück“ für den überwiegenden Teil der Menschen nur vorübergehend, während sich Arbeitsunzufriedenheit viel länger halten könne. Kurz gesagt: Das beste Leben hilft nicht bei einem schlechten Job.