Russland: Kritik an langen Haftstrafen für Linksaktivisten

Durch einen umstrittenen Schuldspruch sind in Russland sieben junge Männer wegen Terrorvorwürfen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das Militärgericht in der zentralrussischen Stadt Pensa habe heute Haftstrafen von sechs bis 18 Jahren verhängt, sagte einer der Anwälte der Angeklagten der Nachrichtenagentur AFP. Kritiker verurteilten den Schuldspruch und nannten die Strafen „ungeheuerlich“.

Fast 50.000 Menschen unterzeichneten eine Petition, in der sie das Ende der Untersuchungen forderten. „Alles in diesem Fall ist erfunden“, hieß es in einem von der Menschenrechtsorganisation Für Menschen Rechte veröffentlichten Brief von Angehörigen der Angeklagten. Unabhängige Medien berichteten, die Anklage habe vor Gericht keine konkreten Beweise vorgelegt.

„Ungeheuerliches Urteil“

Die Menschenrechtsorganisation Memorial erklärte, die Angeklagten seien politische Gefangene. Sie bezeichnete die Männer als linke Aktivisten und Antifaschisten. „Dies ist ein ungeheuerliches, hartes Urteil, aber wir haben nichts anderes erwartet“, sagte Oleg Orlow von Memorial der AFP.

Die Ermittler hatten den Angeklagten unter anderem die Gründung eines linksextremistischen „terroristischen Netzwerks“ vorgeworfen. Der Inlandsgeheimdienst FSB beschuldigte sie, die „Netzwerk“-Organisation mit dem Ziel gegründet zu haben, die Regierung zu stürzen und zu versuchen, Regierungsbüros und Mitarbeiter anzugreifen. Mehrere Mitglieder der Gruppe wurden außerdem wegen illegalen Waffen- und Sprengstoffbesitzes sowie wegen versuchten Drogenhandels verurteilt.

Aktivisten und Verteidiger hatten die vom FSB geleitete Untersuchung scharf kritisiert und den Behörden vorgeworfen, den Fall konstruiert zu haben. Die Angeklagten, die 2017 und 2018 verhaftet worden waren, hatten alle Vorwürfe stets bestritten. Sie gaben an, sie seien in der Haft mit Elektroden gefoltert und geschlagen worden, um ein Geständnis abzulegen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, dass Präsident Wladimir Putin sich den Fall „bei mehreren Gelegenheiten“ angesehen habe und Beamte beauftragt habe, sicherzustellen, dass „alles mit dem Gesetz übereinstimmt“.

Pussy Riot bei Videodreh gestoppt

Die russische Polizei stoppte indes auch die Punkband Pussy Riot bei Dreharbeiten für ein neues regierungskritisches Video mit dem Titel „Rage“. Im Kinostudio Lenfim in St. Petersburg sei nach einem Einsatz der Beamten der Strom abgestellt worden, teilte die Musikerin Nadeschda Tolokonnikowa heute mit. Der Vorwurf laute, das Video sei illegal, weil es Homosexualität propagiere und extremistisch sei, teilte die 30-Jährige auf Twitter mit. Der Song handle vom Widerstand gegen die Machthaber in Russland und Polizeigewalt.

Die Punkband veröffentlichte ein Video von dem Polizeieinsatz und kritisierte, dass es in Russland an Kunst- und Redefreiheit fehle. Trotzdem wollen Pussy Riot das Video noch drehen. „Wir sammeln nun Geld für neue Dreharbeiten – und ich bin überzeugt, dass wir das zusammenbekommen“, teilte die Künstlerin mit.

Tolokonnikowa: Arbeit von drei Monaten zerstört

Nach Darstellung von Tolokonnikowa hatte die Polizei schon im Vorfeld versucht, bei der Lenfilm-Leitung eine Absage der Dreharbeiten zu erreichen. Das chronisch finanzschwache Studio habe aber erklärt, dass der Vertrag mit den Künstlerinnen unterzeichnet und die Miete bezahlt sei. „In dem Clip sollte auch die Polizei vorkommen – statt der Kinodarsteller kam eine echte Einheit“, sagte sie. Tolokonnikowa sagte, dass die Arbeit von drei Monaten zerstört sei.