Archivbild von Christoph Grabenwarter in seiner Funktion als VfgH-Vizepräsident
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Bierlein-Nachfolge

Grabenwarter wird neuer VfGH-Präsident

Christoph Grabenwarter wird neuer Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Der bisherige Vizepräsident hat schon seit der Angelobung seiner Vorgängerin Brigitte Bierlein zur Bundeskanzlerin im Juni vergangenen Jahres das Höchstgericht geleitet. Am Mittwoch schlug die Regierung Grabenwarter im Ministerrat formell für das Präsidentenamt vor.

Die Ernennung erfolgt durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Grabenwarter wurde aus drei Bewerbern ausgewählt. Er ist bereits seit 2005 am VfGH als Richter tätig, seit 2018 war er Vizepräsident. Bei seiner Ernennung zum Verfassungsrichter unter dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) war Grabenwarter erst 38.

Zuvor legte der heute 53-jährige Jurist und Handelswissenschaftler eine steile Karriere hin mit Stationen bei der damaligen Europäischen Kommission für Menschenrechte in Straßburg, Lehrtätigkeiten in Österreich und Deutschland und schließlich als Professor für Öffentliches Recht, Wirtschafts- und Völkerrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Für die ÖVP war er in den Nullerjahren im Verfassungskonvent tätig.

Archivbild von Brigitte Bierlein und Christoph Grabenwarter vor Beginn einer öffentlichen Verhandlung des Verfassungsgerichtshofes
APA/Robert Jaeger
Grabenwarter war unter der ehemaligen VfGH-Präsidentin Bierlein bereits Vizepräsident

Grüne Entscheidung

Vonseiten der Regierung gab es am Mittwoch großes Lob für Grabenwarter. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lobte den Juristen als „integren, anerkannten und in Justizkreisen hochgeschätzten Verfassungsrechtler“. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hält Grabenwarter für bestens geeignet. Dieser habe schon in seiner Vertretung für Bierlein die Geschäfte „auf hervorragende Weise“ geführt.

Richterposten

Verfassungsrichter werden ohne Befristung angestellt, sie können nur durch eine Entscheidung des VfGH abgesetzt werden. Ihr Amt endet spätestens mit der Altersgrenze von 70 Jahren.

Offen ist, wer Grabenwarters bisherige Position als Vizepräsident übernimmt. Nach seiner offiziellen Ernennung muss dieser Posten innerhalb eines Monats ausgeschrieben werden. Sollte der Vizepräsident aus den Reihen des bestehenden Gremiums kommen, muss die offene Position eines Mitglieds wiederum binnen eines Monats ausgeschrieben werden.

Kandidatinnen im Gespräch

Nicht das Parteibuch, sondern Qualifikation und Kompetenz stünden im Mittelpunkt der Entscheidung, so Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) am Mittwoch vor dem Ministerrat. Auch bezüglich des Frauenanteils müssten Zeichen gesetzt werden. Laut „Kurier“ sind die an der WU Wien lehrende Juristin Verena Madner und Iris Eisenberger, Leiterin des rechtswissenschaftlichen Instituts an der Universität für Bodenkultur, im Gespräch.

Der VfGH-Präsident, Vizepräsident, sechs weitere Mitglieder und drei Ersatzmitglieder werden von der Regierung vorgeschlagen. Jeweils drei Mitglieder kommen auf Vorschlag von National- und Bundesrat. Der Nationalrat darf noch zwei Ersatzmitglieder nominieren, der Bundesrat eines.

Üblicherweise wird das Vorschlagsrecht für die Kandidaten der Regierung unter den Koalitionspartnern aufgeteilt. Bei der Nominierung für das Vizepräsidentenamt könnten wohl die Grünen zum Zug kommen, kam doch Grabenwarter mit einem ÖVP-Ticket. Kurz ging in einem ZIB2-Interview am Montagabend jedenfalls davon aus, dass die Grünen einen Vorschlag für die neue Vertretung am Höchstgericht unterbreiten werden.

Knappe rechts-konservative Mehrheit

Unter der ÖVP-FPÖ-Regierung hatte die FPÖ zwei Mitglieder – Andreas Hauer und Michael Rami – vorgeschlagen. Damit bleibt die knappe Mehrheit der Richter auch nach einem Grünen-Vorschlag rechts-konservativ. Sieben der 13 Mitglieder, die an Abstimmungen teilnehmen, wurden von ÖVP und FPÖ nominiert. Fünf Richter sitzen auf einem SPÖ-Ticket, ein Kandidat oder eine Kandidatin könnte künftig von den Grünen kommen. Der VfGH-Präsident stimmt nur in Ausnahmefällen mit.

Der den Grünen zum Vorschlag überlassene 14. Platz ist seit der Berufung Bierleins zur Bundeskanzlerin frei. Die von ihr geführte Übergangsregierung verzichtete auf die Nachbesetzung. Laut dem Bundesverfassungsgesetz können Richter, Verwaltungsbeamte und Universitätsprofessoren eines rechtswissenschaftlichen Fachs VfGH-Vizepräsident werden.

Distanz zu Politik

Immer wieder geben VfGH-Mitglieder die Nähe zu einer Partei auch offen zu. Mit der Aufnahme in das Höchstgericht gehen sie aber in der Regel auf Distanz zur Politik – und stimmen nicht immer so ab, wie es der jeweiligen Ideologie entsprechen würde.

Das sieht man etwa am Beispiel der VfGH-Entscheidung für die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare im Dezember 2017 – obwohl schon damals eine konservative Mehrheit herrschte. Das Abstimmungsverhalten sorge mitunter für Verwunderung der Vorschlagenden, hatte Bierlein schon während ihrer Zeit als VfGH-Präsidentin festgestellt.

Frauenquote kann erst in zehn Jahren steigen

Auch ohne Bierleins kurzzeitigen Wechsel ins Bundeskanzleramt hätte ihr Posten neu besetzt werden müssen. Wegen des Erreichens der Altersgrenze von 70 hätte sie Ende 2019 aus dem Amt scheiden müssen. Damit ist eine seit über zehn Jahren dauernde Verjüngung des Gerichts nahezu abgeschlossen. Seit 2008 wurden bisher elf Verfassungsrichter vor allem aus Alters-, einige aus Gesundheitsgründen ersetzt.

Die nächsten Juristen, die altersbedingt den VfGH verlassen müssen, sind Claudia Kahr (2025) und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (2027). Kahr ist eines der fünf SPÖ-nominierten Mitglieder – und eine von derzeit nur drei Frauen. Deutlich angehoben werden kann die Frauenquote erst in rund zehn Jahren: Von 2029 bis 2032 erreichen sechs der 14 Mitglieder das Pensionsalter.