Richter mit Akten
ORF.at/Zita Klimek
Für laufenden Betrieb

Justiz muss auf Rücklagen zugreifen

Der ehemalige Justizminister Clemens Jabloner hat vergangenes Jahr vor einem „stillen Tod“ der Justiz gewarnt, sollte es nicht zu einer ausreichenden Finanzierung kommen. Dieser könnte jedoch nicht nur „still“, sondern laut NEOS auch schon „sehr nah“ sein – denn das Justizministerium muss bereits auf Rücklagen zurückgreifen, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten.

Die für die Justiz budgetierten Mittel hätten trotz bereits vorgenommener Restriktionen nicht gereicht, wie aus einer der APA vorliegenden Anfragebeantwortung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) an NEOS hervorgeht.

Die Mittel – inklusive einer „budgetierten Rücklage“ von 34,7 Mio. Euro – seien im Vorjahr „in erster Linie nicht für einzelne Maßnahmen oder Projekte, sondern vielmehr für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs, insbesondere für Kosten der unabhängigen Rechtsprechung“, verwendet worden, heißt es darin.

Alma Zadic (Grüne)
ORF
Die Justiz kämpft mit absoluter Unterfinanzierung – Zadic möchte das nun ändern

Justizanstalten mussten gesamte Rücklagen auflösen

Beim Oberlandesgericht (OLG) Wien waren es knapp 20 Mio. Euro, beim OLG Linz 10,2 Mio. Euro, beim OLG Graz (inklusive vier Mio. vom OLG Innsbruck) 7,8 Mio. Euro. Die Justizanstalten mussten ihre gesamten Rücklagen von 11,6 Mio. Euro auflösen, die Bewährungshilfe 0,3 Mio. Euro. Der Großteil der Ausgaben sei per Gesetz festgelegt bzw. werde durch die Rechtsprechung verursacht und unterliege damit keiner Steuerungsmöglichkeit durch die Justizverwaltung, heißt es weiter.

Bereits 2018 habe man die vorgesehenen Ausgabenobergrenzen nur durch diverse Einsparungen schaffen können, etwa bei Bauvorhaben, Mieten, der Familiengerichtshilfe, der Fortbildung, bei Verwaltungspraktikanten, Lehrlingen und Rechtspraktikanten. Aufgrund der bestehenden Unterbudgetierung des Ressorts habe der Mehrbedarf für den Bereich „Justiz und Reformen“ im Jahr 2018 letztlich 66,8 Mio. Euro betragen. Der Rücklagenstand des Ministeriums liegt für 2019 bei 106,8 Mio. Euro.

Standesvertreter: 150 Millionen für Erhalt von Status quo

Staatsanwälte-Präsidentin Cornelia Koller meldete am Montag den Bedarf nach 150 Mio. Euro zur Erhaltung des Status quo an. Sollten Ermittlungsverfahren, wie es von der Regierung verlangt wurde, verkürzt werden, brauche es jedoch mehr.

Sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als auch Zadic sagten am Montag mehr Mittel für die Justiz zu – um wie viel zusätzliches Geld es sich dabei handle, verrieten allerdings weder Kurz noch Zadic. Das sei Sache der Budgetverhandlungen. Er habe jedoch schon Gespräche mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) geführt, sagte Kurz. Zadic hat laut eigener Aussage dank intensiver Gespräche alle Zahlen parat, um gut vorbereitet in die Verhandlungen gehen zu können.

NEOS: Tod nicht nur „still“, sondern auch „nah“

NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter sprach angesichts der Unterfinanzierung von einem „absolut unwürdigen Schauspiel“ und kritisierte gegenüber der APA die ÖVP: „Seit Jahren schaut die Volkspartei, die seit 2007 den Finanzminister und bis vor ein paar Wochen auch den Justizminister stellte, tatenlos dabei zu, wie die Justiz langsam, aber stetig in die Zahlungsunfähigkeit rutscht.“

Den „schönen, aber noch ziemlich leeren Ankündigungen“ müssten in den Budgetverhandlungen nun endlich echte Taten folgen. „Denn ohne ausreichende Budgetmittel ist der Tod, den die Justiz auch laut Übergangsminister Jabloner langsam stirbt, nicht nur still, sondern auch sehr nah“, meinte Margreiter. NEOS drängte darauf, das Justizbudget um 300 Mio. Euro zu erhöhen. Das werde notwendig sein, wolle man nicht nur den laufenden Betrieb sicherstellen, sondern mehr Stellen in der Justiz, so NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Auch die SPÖ forderte Kurz „zu einem Bekenntnis zu mehr Ressourcen für die Justiz, insbesondere für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft“ auf. Um die Justizdebatte weiter voranzutreiben, lud die SPÖ Kurz am Donnerstag zur Beantwortung einer Dringlichen Anfrage in den Bundesrat.

Matejka: „Taten nach schönen Worten“

Ähnlich wie NEOS und SPÖ argumentierte auch Richter-Präsidentin Sabine Matejka. Sie zeigte sich grundsätzlich erfreut, dass mehr Geld für die Justiz angekündigt wurde, doch nun müssten „diesen schönen Worten auch Taten folgen“. In der Justiz sei die Erwartungshaltung sehr groß, „unter der Oberfläche brodelt es“, sagte Matejka zur APA. Und weiter: Es gehe nicht nur um die Staatsanwälte und die Strafjustiz. „Normale Bürger“ und die Wirtschaft würden den Spardruck vor allem im Zivilrechtsbereich spüren.

Die von Jabloner in seinem Wahrnehmungsbericht genannten 90 Mio. Euro mehr für das heurige Justizbudget seien, so Matejka, „das absolute Minimum, damit die Justiz überhaupt arbeiten kann“. Aber für die im Regierungsprogramm enthaltenen Reformen brauchte man zusätzliche Mittel. Bei den Posten sei ausreichend Kanzleipersonal in allen Bereichen besonders wichtig, die Richter fordern darüber hinaus auch die Aufnahme der 40 „Überhangsposten“ in den Stellenplan.

Dass es nicht nur um eine Aufstockung für die Staatsanwaltschaften geht, habe Zadic den Richtern und Richterinnen bei einem Gespräch diese Woche versichert. Sie setze sich in den laufenden Budgetverhandlungen für mehr Personal und Budget für das gesamte Ressort ein. Jetzt warteten „alle in der Justiz sehr gespannt“, ob dieser Sparkurs beendet wird, so Matejka.