„Cryptoleaks“: Gerätemanipulation in Österreich durchschaut

Ob Österreich tatsächlich einer jener 120 Staaten war, der vom deutschen und US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst jahrzehntelang abgehört wurde, ist dem deutschen TV-Sender ZDF zufolge unklar. Zwar steht laut einem an der Recherche zu „Cryptoleaks“ beteiligten Redakteur fest, dass Österreich manipulierte Geräte gekauft hat. Doch hätten österreichische Stellen deren „Knackbarkeit“ erkannt, erklärte der Journalist Ulrich Stoll gestern gegenüber der APA.

Der deutsche „Plan“ sei „zu transparent“ gewesen, weshalb einige Kunden, darunter Österreich und das damalige Jugoslawien, die „Lesbarkeit“ der Maschine erkannt hätten, heißt es in einem Papier des US-Geheimdienstes CIA, aus dem das ZDF zitiert. Das entsprechende Sprachverschlüsselungsgerät (MCC 314) sei in den 1970ern an Österreich verkauft worden, so Stoll.

BND und CIA spionierten auch in Österreich

Inoffiziellen Informationen zufolge sind Geräte zur Verschlüsselung geheimer Kommunikation auch nach Österreich verkauft worden – von jener Schweizer Firma, die diese Geräte jahrzehntelang für den BND und die CIA manipuliert hat.

Zeitpunkt unklar

Unklar ist nur, wann Österreich durchschaute, dass die über die Schweizer Firma Crypto AG verkauften Maschinen manipuliert sind. Nicht geklärt sei auch, ob diese vor Entdeckung der Manipulation bereits abgehört wurden und ob sie auch nach dieser Entdeckung noch genutzt wurden. Ersteres sei zu vermuten, Letzteres unwahrscheinlich, erklärte Stoll.

Durch manipulierte Verschlüsselungsgeräte, die durch die Schweizer Firma Crypto AG vertrieben wurden, spähten die USA und Deutschland von 1970 bis 1993 laut ZDF, dem Schweizer Fernsehen SRF und der „Washington Post“ über 100 Staaten aus. In den USA lief die Operation unter dem Decknamen „Minerva“, beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) unter dem Namen „Rubikon“.

Tanner: Treffen mit US-Vertreterin

In dem BND-Papier „Operation Thesaurus/Rubikon“ ist Österreich laut ZDF allerdings nicht explizit als abgehörter Crypto-Kunde erwähnt. Die Liste sei unvollständig, in den internen Papieren habe man sich hauptsächlich damit „gerühmt“, große Staaten wie Argentinien oder Chile abzuhören.

Sehr zurückhaltend reagierte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in der ZIB2 auf die Abhöraffäre. Sie gab bekannt, dass es eine Zusammenkunft der Generalsekretäre des Innen-, des Verteidigungs- und des Außenministeriums mit einer hohen Vertreterin der USA gegeben habe, um Aufklärung in dieser Sache zu betreiben.

„Größte Geheimdienstoperation der Geschichte“

Richard Aldrich, Professor für Sicherheitspolitik an der britischen Universität Warwick, bezeichnete die „Operation Rubikon“ in dem ZDF-Magazin „Frontal21“ als „wahrscheinlich die bedeutendste Geheimdienstoperation der Geschichte“. Es sei die wichtigste Spionageoperation, die jemals unternommen worden sei und eine der „kühnsten“ und „skandalträchtigsten“.

„Die Aktion Rubikon hat sicher dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist“, sagte der damalige deutsche Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer dem ZDF. Man habe Informationen erhalten, die man nur auf einem solchen Weg habe erhalten können. Schmidbauer bestätigte, dass es die Operation gab. Der BND habe sie aber 1993 beendet. Der US-Geheimdienst führte sie laut ZDF weiter.