Robert Finster (Sigmund Freud) und Georg Friedrich (Alfred Kiss) im Film „Freud“
ORF/Satel Film/Bavaria Fiction/Jan Hromádko
Berlinale

Der junge Freud auf Mördersuche

In Berlin startet am Donnerstag die 70. Berlinale. Die prominente Gästeliste reicht von Helen Mirren über Johnny Depp bis hin zur US-Politikerin Hillary Clinton. In der Seriensparte der Filmfestspiele sind die Augen auf die von ORF und Netflix produzierte Serie „Freud“ gerichtet, in der der Begründer der Psychoanalyse auf Mördersuche geht.

Wien im Jahr 1886: Der 30-jährige Sigmund Freud (Robert Finster) versucht, nach seiner Rückkehr von einer Studienreise in Frankreich beruflich in der Hauptstadt des k. u. k. Reiches Fuß zu fassen. Das Unterfangen gestaltet sich schwieriger als angenommen. Mit seinen Thesen, die ihn später weltberühmt machen sollten, eckt Freud bei der Kollegenschaft an.

Für die Arbeit an seinen Ideen bleibt dem jungen Mediziner in „Freud“ aber ohnehin nur wenig Zeit. In Wien wird er in eine mörderische Verschwörung und politische Intrigen verstrickt. Unterstützung bei seinen Ermittlungen erhält der Doktor vom stadtbekannten Medium Fleur Salome (Ella Rumpf) und dem Kriminalisten und Kriegsveteranen Alfred Kiss (Georg Friedrich).

Markus Nestroy (Kamera), Marvin Kren (Regie) und Robert Finster (Sigmund Freud) bei den Dreharbeiten zum Film „Freud“
ORF/Satel Film/Bavaria Fiction/Jan Hromádko
Marvin Kren (Mitte) mit Freud-Darsteller Robert Finster bei den Dreharbeiten

„Ich wollte ihn vom Thron stoßen“

Die österreichisch-deutsche Koproduktion „Freud“ wurde von Marvin Kren entwickelt. Der Wiener hat sich auch international einen Ruf als Action- und Krimispezialist erworben – unter anderem mit dem düsteren „Grenzland“-Tatort und „4 Blocks“, einer Serie über einen kriminellen libanesischen Clan in Berlin. „Ich wollte ihm huldigen – und ihn gleichzeitig von seinem Thron stoßen, um ihn zu einem nahbaren Menschen zu machen“, sagte Kren über seinen Freud.

TV-Hinweis

Die ersten beiden Folgen von „Freud“ sind am Sonntag, 15. März, ab 20.15 Uhr in ORF1 zu sehen. Die weiteren Episoden stehen am Mittwoch, 18. März, und Sonntag, 22. März, (jeweils Triple-Folge ab 20.15 Uhr) auf dem Programm.

Mit der Weltpremiere von „Freud“ wird kommenden Montag die „Berlinale Series“, die Serienschiene des Filmfestivals, eröffnet. Dem Publikum präsentiert werden die ersten drei von insgesamt acht Folgen. Ab 15. März ist die Serie in ORF1 zu sehen, Netflix zeigt „Freud“ dann ab 23. März.

Doku über die Lüge vom „guten Nazi“

In Berlin ist der ORF nicht nur im Serien-, sondern mit „Jetzt oder morgen“ auch im Filmbereich in der Sektion „Panorama“ vertreten. Regisseurin Lisa Weber war für diese im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens vom ORF kofinanzierte Doku mehr als drei Jahre hautnah an der Seite einer Frau, die vor der großen Frage steht, ob sie weiter vor dem Leben davonlaufen oder endlich erwachsen werden soll. In der neuen Sektion „Encounters“ ist der ORF mit Sandra Wollners Spielfilm „The Trouble with Being Born“ vertreten, der die Geschichte einer Maschine in einem menschlichen Körper auf die Leinwand bringt.

In der Sektion Berlinale Special wird der Dokumentarfilm „Speer goes to Hollywood“, der den NS-Architekten Albert Speer in einem neuen Licht erscheinen lässt, uraufgeführt. Nach dem preisgekrönten, ungewöhnlichen Psychogramm „Der Anständige“ über Heinrich Himmler im Jahr 2014 ist es die zweite Zusammenarbeit des ORF mit der israelischen Filmemacherin Vanessa Lapa.

In ihrer jüngsten Arbeit geht Lapa der Frage nach, wie ein Mann, der für zwölf Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter verantwortlich war, die Lüge vom „guten Nazi“ schaffen konnte. „Speer goes Hollywood“ ist ein Film über dessen Versuch, sich 1971 mit einer letztlich nie realisierten Hollywood-Verfilmung seiner „Erinnerungen“ reinzuwaschen.

Erste Berlinale unter neuer Intendanz

Zum 70. Jubiläum wartet die Berlinale mit allerhand Neuerungen auf. Das beginnt beim Führungsduo: Der neue künstlerische Leiter Carlo Chatrian und die neue Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek geben ihren Einstand. Sie folgen auf Dieter Kosslick, der den Job des Berlinale-Intendanten zuvor fast zwei Jahrzehnte lang bekleidete – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Der Italiener Chatrian hat die Wettbewerbsrubrik „außer Konkurrenz“ abgeschafft. Stattdessen wurde die Sparte „Special Gala“ eingeführt, in der sich prominente Namen finden. Auf dem Programm steht dort ein neuer Film mit Hollywood-Star Depp, eine Dokuserie über Hillary Clinton und „Pinocchio“ mit Roberto Benigni. Auch der neue Pixar-Film „Onward: Keine halben Sachen“ wird gezeigt.

Sihouette eines Mannes vor mehreren Berlinale-Plakaten
Reuters/Annegret Hilse
Bauhaus statt Bären: Die aktuellen Berlinale-Plakate brechen mit einer Tradition

Um die Hauptpreise – die Bären – konkurrieren in diesem Jahr 18 Filme. Dazu gehören neue Werke von Abel Ferrara, Sally Potter, Hong Sangsoo, Christian Petzold und Rithy Panh. Ob der iranische Regisseur Mohammed Rassulof kommen kann, steht noch nicht fest. „Wir bezweifeln, dass Mohammed Rassulof eine Reisegenehmigung von den iranischen Behörden erhält“, teilte die Berlinale mit.

Romanverfilmung wird Festival eröffnen

Eröffnet wird die Berlinale mit der Romanverfilmung „My Salinger Year“ des Regisseurs Philippe Falardeau. Sigourney Weaver („Alien“) spielt darin eine Agentin des Schriftstellers J. D. Salinger. Erstmals wird der Eröffnungsabend auch in vier Kinos in Deutschland übertragen. Die Moderation übernimmt nicht mehr Anke Engelke, sondern Schauspieler Samuel Finzi.

Rund 340 Filme will die Berlinale bis 1. März zeigen, im vergangenen Jahr wurden rund 335.000 Tickets für die Vorstellungen verkauft. Außerdem treffen sich Vertreterinnen und Vertreter zum Beispiel auf dem European Film Market.

Kontroverse um Festivalpräsidenten Irons

Im Vorfeld für Kontroversen sorgte die Entscheidung, Oscar-Preisträger Jeremy Irons zum Präsidenten der Jury zu machen. Grund sind frühere Aussagen des Hollywood-Stars. Die britische Programmzeitschrift „Radio Times“ hatte Irons 2011 mit der Aussage zitiert, die meisten Frauen könnten mit ein wenig „freundlichem“ Kontakt von Männern umgehen: „Wenn ein Mann seine Hand auf den Hintern einer Frau legt, kann jede selbstbewusste Frau damit umgehen. Es ist Kommunikation.“

Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, das neue Intendanten-Duo der Berlinale
APA/AFP/Odd Andersen
Das neue Führungsduo Rissenbeek und Chatrian

Die Zeitung „taz“ hatte in Deutschland nun darauf aufmerksam gemacht, ebenso auf ältere Äußerungen zu Abtreibungen. Er glaube, Frauen sollten die Entscheidung zu Schwangerschaftsabbrüchen treffen dürfen, zitierte ihn die Zeitung „Guardian“ 2016, aber er denke auch, dass die Kirche das Recht habe, das als Sünde zu bezeichnen.

In die Schlagzeilen kam auch der ehemalige Festivalleiter Alfred Bauer (1911–1986). Nach Recherchen der „Zeit“ soll Bauer früher ein „hochrangiger Funktionär der NS-Filmbürokratie“ gewesen sein. Bis zuletzt verlieh die Berlinale den Alfred-Bauer-Preis, geschaffen nach Bauers Tod. Die Berlinale will die Auszeichnung nun aussetzen und Bauers Vergangenheit mit externer Hilfe untersuchen lassen.