Harvey Weinstein
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Anklage am Zug

Weinstein-Prozess geht ins Finale

Am Freitag hat die Anklage ihr Schlussplädoyer in dem Prozess gegen den ehemaligen Filmmogul Harvey Weinstein gehalten. Das Verfahren gilt als Meilenstein der #MeToo-Bewegung, Weinstein, dem lebenslange Haft droht, als ihr Auslöser. Die Verteidigung hatte bereits zuvor schwere Geschütze aufgefahren und versucht, Zweifel zu säen: Man müsse nur „gesunden Menschenverstand“ nutzen.

Weinstein wird sexuelles Fehlverhalten bis hin zur Vergewaltigung von insgesamt rund 80 Frauen vorgeworfen, teilweise sind die mutmaßlichen Vorfälle bereits verjährt. In dem Verfahren in Manhattan werden seit Anfang Jänner nur die Vorwürfe zweier Frauen behandelt. Der Gründer der Miramax-Studios soll laut Anklage 2013 die Schauspielerin Jessica Mann vergewaltigt und 2006 der früheren Produktionsassistentin Mimi Haleyi Oralsex aufgezwungen haben. Weinstein wies alle Vorwürfe zurück, es habe sich um einvernehmliche sexuelle Begegnungen gehandelt. Nächste Woche soll die Jury über Schuld oder Unschuld des heute 67-Jährigen beraten, für eine Verurteilung ist ein einstimmiges Votum nötig.

Am Freitag hielt die stellvertretende Bezirksstaatsanwältin Joan Illuzzi ihr Plädoyer, die Anklage will lebenslange Haft für Weinstein. „Der Angeklagte war der Herr des Universums und die Zeugen waren nur Ameisen, auf die er ohne Konsequenz treten konnte“, so Illuzzi. Sie betonte den „Mangel an menschlichem Einfühlungsvermögen“ Weinsteins für seine mutmaßlichen Opfer. Der 67-Jährige sei ein „Raubtier“, sagte Illuzzi-Orbon zudem. Sie forderte die Geschworenen auf, den mutmaßlichen Opfern Glauben zu schenken: Diese hätten „keinen Grund zu lügen“.

Keine Verurteilung bei begründeten Zweifeln

Das Gesicht der Gegenseite ist die Chicagoer Anwältin Donna Rotunno, die als Geheimwaffe Weinsteins gilt. „Sein Leben liegt in Ihren Händen“, appellierte sie am Donnerstag bei ihrem Plädoyer an die zwölf Geschworenen im New Yorker Gericht. Weinstein müsse mit den gleichen Maßstäben wie alle anderen Angeklagten behandelt werden, so Rotunno. Der Prozess sei kein Beliebtheitswettbewerb.

Anwältin Harvey Weinsteins, Donna Rotunno
Reuters/Jeenah Moon
Donna Rotunno verteidigt vor Gericht Harvey Weinstein

„In diesem Land sind es unbeliebte Personen, die Jurys am meisten brauchen.“ Für eine Verurteilung müsse Weinsteins Schuld über jeden begründeten Zweifel hinaus feststehen, so Rotunno. „Er war unschuldig, als er durch diese Tür gekommen ist. Er war unschuldig, als die Zeugenaussagen begonnen haben. Er ist jetzt, wo er hier sitzt, unschuldig.“

„Düsteres Märchen“ in Hollywood

Die Anklage habe ein „Paralleluniversum“ aufgebaut, in dem Weinstein aufstrebende Schauspielerinnen sexuell attackiert habe – aber keinerlei Beweise für eine Verurteilung geliefert. In diesem alternativen Universum werde Weinstein als „Monster“ dargestellt, es handle sich aber um ein „düsteres Märchen“. Darin würden Frauen hingestellt, als hätten sie „keinen eigenen Willen“: „In diesem Universum sind Frauen nicht verantwortlich dafür, welche Partys sie besuchen, mit welchen Männern sie flirten, welche Entscheidungen sie treffen, um ihre Karrieren voranzutreiben, für die Einladungen in Hotelzimmer und die Flugtickets, die sie annehmen, und die Hilfe, die sie für Jobs erbitten“, so Rotunno.

Die Geschworenen seien die „letzte Verteidigungslinie dieses Landes gegen übereifrige Medien und übereifrige Ankläger“, sagte die Anwältin. Weinsteins Verteidigung lud sieben Zeuginnen und Zeugen vor. So sagte eine Freundin der Schauspielerin Mann aus, sie habe Weinstein als „Seelenverwandten“ bezeichnet und ihr gegenüber nie von einem sexuellen Angriff gesprochen.

Dankesnachrichten an Weinstein

Sowohl Mann als auch Haleyi räumten vor Gericht ein, dass sie nach den mutmaßlichen Angriffen mindestens einmal einvernehmlichen sexuellen Kontakt mit Weinstein hatten. Die 34-jährige Mann führte mit ihm eine jahrelange Beziehung, die sie selbst als „erniedrigend“ und „kompliziert“ bezeichnete. Mann hatte Weinstein auch Nachrichten geschrieben, in denen sie Einladungen akzeptierte, ihre neue Telefonnummer übermittelte oder Dankbarkeit ausdrückte: „Ich fühle mich so fabelhaft und schön, danke für alles“, wurde die Nachricht an Weinstein vor Gericht zitiert.

Filmproduzent und Angeklagter Harvey Weinstein erscheint mit dem Rollator
Reuters/Carlo Allegri
Weinstein vor dem New Yorker Gericht: Er weist die Vorwürfe zurück

„Das sind keine Worte, die man an den eigenen Vergewaltiger richtet“, erwiderte Rotunno. Das mutmaßliche Opfer des einst mächtigen Produzenten habe ihn einst als aufstrebende Schauspielerin kennengelernt und ihn manipuliert, „sie hätte alles getan, was nötig war, um die Karriere zu haben, die sie eben wollte“, so Rotunno.

„… dann gehe eben nicht mit aufs Hotelzimmer“

Von Haleyi zeichnete die Anwältin ein ähnliches Bild. Auch sie habe Weinstein nette Nachrichten geschrieben und von ihm beruflich profitiert. „Hier muss man einfach sagen: ‚Warte einmal, gibt es nicht Zweifel an der Geschichte, die sie erzählt?‘ Wie könnte man keine Zweifel haben?“, sagte Rotunno.

Jessica Mann
Reuters/Jeenah Moon
Jessica Mann (links) sagte gegen Weinstein aus

Rotunno kam zuletzt selbst oft in die Medien. Im Zuge der Verteidigung von Weinstein gab sie mehrere Interviews und wurde für ihre Anschauungen stark kritisiert. Sie sagte etwa im Podcast „The Daily“ der „New York Times“, sie selbst wäre nie in eine Lage wie Weinsteins mutmaßliche Opfer geraten. „Ich hätte mich selbst nie in eine solche Lage gebracht“, so Rotunno. Gegenüber ABC News sagte sie: „Wenn du nicht zum Opfer werden willst, dann gehe eben nicht mit auf ein Hotelzimmer.“ Ob sich die Geschworenen Rotunnos Ansicht anschließen werden, dürfte sich bis spätestens Ende des Monats herausstellen. Ab Dienstag sind die Geschworenen am Zug.