Eurofighter auf der Startbahn
ORF.at/Roland Winkler
Eurofighter

Experten uneinig zu Ausstiegschancen

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hat dem Eurofighter-Mutterkonzern Airbus nach dessen Geständnis über dubiose Zahlungsflüsse gegenüber der US-Justiz mit einem Vertragsausstieg gedroht. Wie realistisch eine Rückabwicklung des Eurofighter-Kaufs ist, wird unterschiedlich eingeschätzt. Der Vertragsrechtsexperte Helmut Koziol ist mehr als zurückhaltend, der Salzburger Zivilrechtsprofessor Andreas Kletecka deutlich zuversichtlicher.

„Die Ausstiegsklausel im Vertrag ist sehr eng“, sagte Koziol der APA am Freitag. Man müsste genau wissen, wer wie viel an wen gezahlt hat. Erst wenn man hier alle Details kenne, könne man sich anschauen, ob ein Ausstieg möglich sei. „Ein Ausstieg ist sehr schwer. Die Klausel ist sehr eng, die Chancen, dass wir darunter fallen, sind nicht so groß“, sagte Koziol.

Er war im Jahr 2007 vom damaligen Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) mit einem Gutachten über die Möglichkeiten eines Ausstiegs aus dem Eurofighter-Vertrag beauftragt worden und kam damals zum Schluss, dass ein Ausstieg zum Nulltarif nicht möglich ist.

„Schon 2007 Ausstieg möglich“

Zivilrechtsprofessor Kletecka war ebenfalls als Rechtsgutachter in der Eurofighter-Causa tätig und war auch Berater bei der 183-Millionen-Euro-Betrugsanzeige des Verteidigungsministeriums unter Hans Peter Doszkozil (SPÖ) gegen Airbus. Im Ö1-Mittagsjournal übte er Kritik an dem Vergleich von 2007, den er „bis heute nicht verstehe“.

Denn damals hätte es mehrere Möglichkeiten gegeben, aus dem Vertrag auszusteigen. So sei der Hersteller gar nicht in der Lage gewesen, das bestellte Flugzeug zu bauen. Statt auszusteigen, seien Flugzeuge aus der ersten Tranche übernommen worden, für die man noch dazu mehr gezahlt habe. Auch einen Verstoß gegen den „Code of Conduct“, keine Schmiergeldzahlungen zu leisten, hätte man geltend machen können, so Kletecka.

„Gute Vorarbeit“

Seinen Informationen zufolge würde der abgeschlossene Vergleich den Bereich des „Code of Conduct“ nicht betreffen, man habe damals also zumindest keine Chance für heute verbaut, sagte Kletecka – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Doskozils „Operation Minerva“ sei jedenfalls eine gute Vorarbeit gewesen, so Kletecka. Jede Frage sei durch ein Rechtsgutachten gestützt worden. Die jetzigen Milliardenstrafzahlungen für Airbus würden Österreich natürlich helfen. Die US-Justiz sei Österreich da hilfreich zur Seite gestanden, so der Experte. Dass Airbus das nicht als Schuldeingeständnis verstehen will, sei nicht überraschend, so Kletecka: Der Konzern werde kaum zugeben, Korruption geübt zu haben – das hätte nämlich enorme wirtschaftliche Folgen.

Pilz: „Ausstieg rechtlich zwingend notwendig“

Für den früheren Abgeordnete Peter Pilz, der sich seit Beginn mit der Causa befasst, ist nach dem Eingeständnis von Airbus, dass es beim Eurofighter-Verkauf nach Österreich „politische Zahlungen“ in Höhe von 55 Millionen Euro gab, „ein Ausstieg rechtlich zwingend notwendig“. Verteidigungsministerin Tanner sei verpflichtet, den „Code of Conduct“ im Vertrag geltend und den Kauf der Eurofighter rückgängig zu machen, sagte Pilz im Gespräch mit der APA.

Peter Pilz beim Eurofighter U-Ausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Pilz seinerzeit im Eurofighter-U-Ausschuss

Wenn sie das nicht tue, schädige sie die Republik. Pilz ist sogar der Meinung, dass für den Ausstieg ein „formloser Brief an Airbus Defence“ reichen würde und Österreich nicht einmal ein Verfahren führen müsste. Dem widersprach Koziol auf Anfrage. Wenn der Ausstieg strittig ist, werde man selbstverständlich vor Gericht ziehen müssen, wenn man ihn durchsetzten wolle.

Pilz glaubt an drei Milliarden Entschädigung

Für Pilz ist dagegen „vollkommen eindeutig“, dass ein sofortiger Ausstieg möglich sei. Österreich müsste sich dabei nicht nur mit einer Entschädigungszahlung infolge der von Doskozil eingebrachten Betrugsanzeige in Höhe von bis zu einer Mrd. Euro zufriedengeben. „Jetzt geht es nicht um einen Schaden, sondern um den gesamten Kaufpreis von zwei Mrd. Euro. Wir sind nicht darauf angewiesen, den Betrug nachzuweisen und Schadenersatz zu verlangen. Wir können den Kaufpreis und die Rückerstattung von Investitionen, sogenannte frustrierte Kosten, zurückverlangen. Damit kommen wir auf drei Mrd. Euro“, rechnete Pilz vor.

Auch der ehemalige Abgeordnete Ewald Stadler, der für die FPÖ im ersten Eurofighter-Untersuchungsausschuss 2007 saß und heute als Rechtsanwalt tätig ist, sah eine Rückabwicklung als realistisch an. Die Gründe für einen Vertragsrücktritt seien in den Antikorruptionsbestimmungen normiert – wenn sich Korruption nachweisen lasse, sei ein Vertragsausstieg sogar zwingend, sah es Stadler ähnlich wie Pilz.

Peschorn: Chancen gestiegen

Deutlich Vorsichtiger äußerte sich dazu der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn. „Unsere Chancen sind durch die Öffentlichwerdung der US-Vereinbarung von Airbus gestiegen“, sagte er als Anwalt der Republik zuletzt. Er hält es für nicht ausgeschlossen, dass in Sachen Eurofighter-Aufklärung Unbekannte „auf der Bremse“ stehen könnten. „Dieser Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen“, sagte er auf eine entsprechende Frage in der ZIB2 am Donnerstagabend. „Die Sache ist sehr zäh“, so der Präsident der Finanzprokuratur.

Wolfgang Peschorn: „Es kommt Bewegung in die Causa Eurofighter“

Wolfgang Peschorn, der Leiter der Finanzprokuratur und damit der Anwalt der Republik, erklärt, wie ein Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag praktisch funktionieren könnte.

Zugeständnisse in anderen Ländern

Dieser Verdacht sei „natürlich auch deswegen nicht von der Hand zu weisen, weil wir sehen, dass in allen anderen Ländern ein Vergleich bzw. Zugeständnisse von unserem Vertragspartner gemacht werden – in Großbritannien, in Frankreich und den USA; in Österreich aber weder ein Zugeständnis gemacht wird, noch etwas zugegeben wird, sondern ganz das Gegenteil behauptet wird. Das ist eine Schieflage, die auch eine Ursache haben muss.“

Interesse an einer Verschleppung hätten vermutlich „jene Menschen, die von den Vorwürfen, die wir erhoben haben, profitiert haben. Es steht ja im Raum, dass Österreich mit den rund zwei Milliarden Euro, die wir im Jahr nach dem Kaufvertrag, im Jahr 2003, bezahlt haben, tatsächlich unserer Korruption selbst bezahlt haben – weil in diesem Kaufpreis 183,4 Millionen eingepreist waren. Über diesen Betrag wurden wir getäuscht, das hat auch der Verfahrensrichter im letzten Untersuchungsausschuss eindeutig festgestellt.“

Tanner berief Expertenrunde ein

Tanner lud indes in der Causa am Freitag eine Expertenrunde ins Ministerium zu einer Unterredung. Diese setzte sich aus hochrangigen Generalstabsoffizieren und Peschorn zusammen. „Es gilt jetzt, keine Zeit mehr zu verlieren. Wir werden in dieser Causa jetzt Zug um Zug vorgehen“, so Tanner in einer Aussendung.

Um der Causa Eurofighter ihre ganze Aufmerksamkeit widmen zu können, sagte Tanner für Freitag alle Termine abgesagt, auch ihre Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz. „Die Causa Eurofighter hat momentan absolute Priorität“, hieß es aus dem Büro der Verteidigungsministerin.

55 Millionen nicht deklarierte Zahlungen

Airbus hatte sich Ende Jänner mit der französischen, der britischen und der US-amerikanischen Justiz auf Strafzahlungen in Höhe von fast 3,6 Mrd. Euro geeinigt. Im Zuge der Ermittlungen hatte Airbus Bestechungszahlungen bei internationalen Geschäften eingestanden. In den vom US-Justizministerium veröffentlichten Unterlagen gibt Airbus u. a. auch nicht deklarierte Zahlungen über 55,1 Mio. Euro im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Verkauf an Österreich im Jahr 2003 zu. Dabei handelt es sich um politische Zuwendungen, Provisionen oder Vermittlungsgebühren im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Deal. Der Vorwurf von Bestechungszahlungen sei von der US-Justiz in diesem Zusammenhang aber nicht erhoben worden, betonte ein Airbus-Sprecher.