EU-Ratspräsident Charles Michel
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EU-Budget

Geteilte Reaktionen auf Michel-Vorschlag

Wenige Tage vor dem nächsten EU-Sondergipfel ist der Budgetvorschlag von Ratspräsident Charles Michel auf geteilte Reaktionen gestoßen. Während etwa Deutschland und Frankreich von einem „Rückschritt“ sprachen, zeigte sich Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erfreut – doch ganz zufrieden ist man nicht.

Nach Ansicht der Ministerin geht der neue Vorschlag des EU-Ratspräsidenten „aus österreichischer Sicht in die richtige Richtung“. „Der Druck aus den Nettozahlerländern hat offenbar gefruchtet“, sagte sie bei einer Sondersitzung mit ihren EU-Kollegen und -Kolleginnen am Montag in Brüssel. Edtstadler unterstrich erneut, dass Österreich die Beibehaltung eines Rabatts auf seinen EU-Mitgliedsbeitrag fordert. „Als Ausgleich dafür, dass wir als mittlerweile drittgrößter Nettozahler viel mehr einzahlen als wir herausbekommen“, so die Ministerin.

Vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs ab Donnerstag berieten die Minister und Ministerinnen der EU-Mitgliedsstaaten über Michels Budgetvorschlag für die Jahre 2021 bis 2027. Er sieht Kürzungen der Milliardenhilfen für Europas Bauern und Regionen vor, aber mehr Geld für Klimapolitik, Grenzschutz, Forschende und Studierende. Das Volumen soll bei 1,074 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung liegen. Das sind knapp 1.095 Milliarden Euro.

Länder protestieren

Nötig für die Verabschiedung des Budgets der kommenden sieben Jahre ist ein einstimmiger Beschluss der Mitgliedsstaaten. Vor dem Sondergipfel lagen die Positionen aber weit auseinander. Eine Vierergruppe aus den Nettozahlerländern Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden forderte am Montag erneut, das Budget auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen. Die vier Nettozahler wollen sich auch am Donnerstagvormittag vor dem EU-Gipfel abstimmen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will daran teilnehmen.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP)
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Edtstadler zeigte sich mit dem Kurs von Michel zufrieden

Mit einer EU-Ausgabenobergrenze von 1,074 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU-Länder liegt Michels Vorschlag zwar leicht über den 1,07 Prozent, die die finnische Ratspräsidentschaft als Kompromiss vorgeschlagen hatte, ist aber deutlich niedriger als der Prozentsatz, den die EU-Kommission fordert. Diese sieht 1,114 Prozent als notwendig an, um die künftigen Aufgaben der EU zu bewältigen. Das EU-Parlament tritt sogar für 1,3 Prozent ein.

„Letztlich muss es eine faire Lastenteilung geben, über ganz Europa“, forderte Edtstadler. Ohne Rabatte würde Österreich laut der Ministerin zum zweitgrößten Nettozahler aufsteigen. Die Bindung der EU-Mittel an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in einem EU-Mitgliedsland soll „eng verwoben sein“, ist die Ministerin überzeugt. „Wir wollen hier eine ganz deutliche Verwebung und keine Aufweichung, wie dies aus jetziger Sicht ein bisschen der Fall ist“, erklärte sie.

Frankreich hat genug von Rabatten

Frankreich übte Kritik am Vorschlag und an den bisherigen Regeln. Paris habe „genug“ von Rabatten für bestimmte Mitgliedsstaaten, sagte Europastaatssekretärin Amelie de Montchalin. Frankreich war in den vergangenen Jahren abwechselnd zweit- oder drittgrößter Nettozahler in der Union, hatte aber anders als Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Österreich und Schweden keinen Beitragsrabatt.

Montchalin verlangte zudem, das Niveau der Agrarausgaben auf dem bisherigen Niveau zu halten. Es soll nach Michels Plänen von 35 auf 30 Prozent der Gesamtausgaben sinken. Das sind über sieben Jahre gut 50 Milliarden Euro weniger als im letzten Finanzrahmen.

Europa-Staatssekretärin Amelie de Montchalin
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Frankreichs Europastaatssekretärin Montchalin übte scharfe Kritik an dem Vorschlag

Auch Spaniens Außenministerin Arancha Gonzalez Laya sagte, Michels Vorschlag sei „unzureichend, um eine Vereinbarung zu erzielen“. Dieser sei „unfair bei der Verteilung“ von Mitteln. Auch die Spanierin kritisierte, dass er die Rolle der Landwirtschaft nicht anerkenne und sie als „grundlegendes Element für einen ökologischen Übergang“ sehe.

Scholz: „Da ist noch viel zu tun“

Es gebe „viel zu wenig moderne Politiken“ in dem Vorschlag, sagte dagegen der deutsche Finanzminister Olaf Scholz beim Treffen der Finanzminister der Euro-Zone. Er nannte eine nachhaltige Wirtschaft, Grenzschutz und die Förderung Europas als Standort fortschrittlicher Technologien. „Da ist noch viel zu tun“, sagte Scholz. Es müsse „noch mal neu angesetzt werden, sodass die Zukunftsfragen mehr im Mittelpunkt stehen“.

EU-Budget: Wenig Aussicht auf Erfolg

Die EU-Staats- und -Regierungschefs ringen weiter um den EU-Haushaltsplan für die nächsten sieben Jahre. Ein Ministertreffen in Brüssel zeigte, dass die Länder den aktuellen Vorschlag als unzureichend erachten.

„Rückschritte“ sah Scholz auch bei dem Verfahren, um Mitgliedsstaaten bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder zu kürzen oder zu streichen. Dafür wäre nach Michels Plan ein Beschluss der Mitgliedsstaaten mit qualifizierter Mehrheit nötig. Diese gilt aber als kaum erreichbar, womit Länder wie Polen oder Ungarn, die seit Jahren wegen Verstößen gegen EU-Grundwerte am Pranger stehen, wohl weiter ungeschoren blieben.

Hahn hebt Positives hervor

EU-Budgetkommissar Johannes Hahn sieht in dem jüngsten Vorschlag eine Diskussionsgrundlage für den EU-Sondergipfel. „Wenn niemand zufrieden ist, ist es vielleicht ein guter Kompromiss“, sagte Hahn. Der EU-Kommissar hob jedoch fünf Verbesserungen gegenüber dem vorhergehenden Entwurf vom Dezember hervor. So sei der allgemeine Ausgabenrahmen mit 1,074 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung höher.

Es gebe eine bessere Ausgewogenheit zwischen neuen und traditionellen Politiken. Der Vorschlag enthalte auch frisches Geld für den Klimaschutzübergangsfonds. Die Kohäsionszahlungen seien zugunsten der am wenigsten entwickelten Regionen angepasst worden. Und neue Eigenmittel für die EU könnten insbesondere Druck von den Nettozahlern nehmen.

Negativ sieht Hahn dagegen die „tiefen Einschnitte“ bei digitalen Investitionen und im Außenbereich, wie er sagte. Eine Verzögerung beim Beschluss des EU-Mehrjahresbudgets von 2021 bis 2027 wäre aber „das schlimmste Szenario“. „Uns läuft wirklich die Zeit davon“, warnte der EU-Kommissar. Der neue Finanzrahmen müsse zum 1. Jänner 2021 in Kraft sein.