Demonstration vor dem Sozialministerium in Wien
APA/Helmut Fohringer
KV-Streit in Sozialwirtschaft

Arbeitgeber rufen Politik zu Hilfe

Die Fronten in den Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft haben sich nach dem Scheitern der jüngsten Runde weiter verhärtet. Die Arbeitergeber spielen den Ball nun an die Politik weiter. Die öffentliche Hand beauftrage und bezahle die Sozialwirtschaftsunternehmen. Die Politik definiere deren „Spielraum“.

Nach der ergebnislosen Runde der Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft (SWÖ) am späten Montagabend betonte die Arbeitgeberseite am Dienstag erneut die Unfinanzierbarkeit der Gewerkschaftswünsche. Die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche und Entgelterhöhungen würde innerhalb von vier Jahren Mehrkosten von rund 18 Prozent bedeuten, das sei „finanziell nicht machbar“.

Die Gewerkschaften GPA-djp und Vida hätten in der Runde ihre Vorstellungen für einen vierjährigen Etappenplan zur Arbeitszeitverkürzung konkretisiert, berichtete SWÖ-Verhandlungsführer Walter Marschitz am Dienstag in einer Aussendung. Neben der Einführung der 35-Stunden-Woche in zwei Schritten seien zusätzliche Entgelterhöhungen gefordert worden. „Insgesamt würde der Plan Mehrkosten von rund 18 Prozent bedeuten – das sind Mehrkosten von knapp 4,5 Prozent pro Jahr“, so die Arbeitgeberseite. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte in den letzten Wochen eine schrittweise Annäherung angeregt.

„Der Spielraum, den wir haben“

„Das ist unter den derzeit vorliegenden Rahmenbedingungen für uns auch finanziell nicht machbar“, sagte Marschitz. Er sieht nun auch die Politik in der Pflicht: „Wir bekommen Geld von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt, das ist der Spielraum, den wir haben. Wenn wir darüber hinaus Lösungen finden wollen, braucht es Unterstützung von politischer Seite.“

Die Arbeitgeber äußerten in der Aussendung durchaus Verständnis für die Anliegen der Arbeitnehmerseite: So würden manche der im Zuge der Protestmaßnahmen („auch aus Arbeitgebersicht berechtigten“) geäußerten Probleme weniger mit dem Kollektivvertrag zusammenhängen, vielmehr „mit den sozialpolitischen Rahmenbedingungen“, heißt es in der Aussendung.

6. Runde der KV-Verhandlungen in der Sozialwirtschaft in Wien
APA/Herbert Pfarrhofer
Auch die sechste KV-Runde brachte keine Einigung

Pflegereformen „immer verschoben“

Die Politik habe -„trotz eingehender Warnungen der Pflegeorganisationen“ – auf die sich seit Jahren abzeichnende Verschärfung der demografischen Situation nicht reagiert. Notwendige umfassende Pflegereformen seien in den letzten Jahren „immer verschoben“ worden oder seien „in den Ansätzen stecken geblieben“, beklagen die Arbeitgebervertreter.

Marschitz verwies in der Aussendung auch auf die von der Arbeitgeberseite gemachten Angebote an die Gewerkschaft: „Wir haben unser Angebot angepasst und gestern eine Erhöhung von 2,7 Prozent jeweils für 2020 und 2021 vorgeschlagen. Das wurde von der Arbeitnehmerseite abgelehnt.“

In diesem Zusammenhang wies er auch auf die vor wenigen Wochen abgeschlossenen KV-Verhandlungen in der Energie- und Mineralölwirtschaft hin, die mit Erhöhungen von jeweils 2,6 Prozent abgeschlossen worden seien. „Wir werden die Zeit bis zu den nächsten Verhandlungen nützen, um die Lage neu zu bewerten und gegebenenfalls auch neue Vorschläge zu machen. Auch die Gewerkschaften werden sich bewegen müssen“, so Marschitz.

Gewerkschaft enttäuscht

Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer hatten nach der sechsten, wieder gescheiterten Verhandlungsrunde die Vorschläge des Gegenübers am Verhandlungstisch „inakzeptabel“ genannt. Gewerkschaftsvertreterinnen beklagten, dass es bei den Arbeitgebern keine Bereitschaft gebe, über eine Arbeitszeitverkürzung zu sprechen.

„Wir sind enttäuscht, weil wir unsere Forderung laut und klar gesagt haben“, resümierte Eva Scherz, Verhandlerin für die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), die Verhandlungsrunde. Die Arbeitgeber hätten jedoch so getan, „als hätten sie unsere Forderung zum ersten Mal gehört“, sagte sie. Deswegen wurden die Verhandlungen unterbrochen, die Warnstreiks sollen nun ausgeweitet werden. „Wir streben nach einem guten Abschluss, aber wir fürchten auch nicht die Konfrontation“, teilte Scherz mit.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober während der Demonstration vor dem Sozialministerium
APA/Helmut Fohringer
Die Causa dürfte jetzt direkt auf dem Tisch von Sozialminister Rudolf Anschober – hier mit Vertretern der Arbeitnehmer – landen

Mehr Streiks mit mehr Menschen

In die kommenden Streiks würden neue Betriebe und noch mehr Menschen einsteigen, kündigte Michaela Guglberger, Chefverhandlerin für die Gewerkschaft vida, nach der Unterbrechung der Verhandlungen an. „Wir werden sicher keine Betreuungsaufgaben vernachlässigen“, sagte sie, aber eventuell würden in der Betreuung auch einmal die Angehörigen zum Handkuss kommen. „Vernachlässigt wird aber niemand“, versprach sie. Auch der Fasching solle weder Kindern noch Menschen in Pflegeheimen verdorben werden, daher finden die Streiks erst danach statt. Auch in Tirol stehen die Zeichen auf Streik – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Die Stimmung sei trotz des ergebnislosen Ausgangs „konstruktiv“ gewesen, berichtete Guglberger. „Aber es kommt leider nicht raus, was wir erwarten“, sagte sie enttäuscht. Sie hofft, dass sich die Arbeitgeber bis zum nächsten Verhandlungstermin konsolidieren und sich überlegen, „ob ihnen nicht doch etwas zur Arbeitszeitverkürzung einfällt“, so die Verhandlerin. Das sei bisher nicht der Fall gewesen, kritisierte sie. „Aber wir wollen Verbesserungen für die Branche und nicht für einige wenige Arbeitgeber.“