Iranische Wahlplakate
APA/AFP/Atta Kenare
Wahl im Iran

Hardliner wollen Macht ausbauen

Schwere Proteste mit zahlreichen Toten, die gefährliche Eskalation mit den USA, eine heftige Wirtschaftskrise: Die iranische Führung des Präsidenten Hassan Rouhani ist in den vergangenen Monaten in Bedrängnis geraten. Nun droht der nächste Rückschlag. Bei der Parlamentswahl am Freitag dürfte Rouhanis Lager der Reformer die Mehrheit verlieren, die Erzkonservativen befinden sich vor der Rückkehr an die Macht.

Wenn im Iran die Wahllokale für die rund 58 Millionen Wahlberechtigten öffnen, ist vieles längst auf Schiene. Da die Kandidaten und Kandidatinnen laut Verfassung vom ultrakonservativen Wächterrat auf ihre religiöse und ideologische Qualifikation geprüft werden müssen, endete die Wahl für Tausende bereits im Vorfeld: Von 14.400 Bewerbern wurde mehr als die Hälfte ausgeschlossen, darunter 90 der 290 amtierenden Mandatare.

Betroffen sind vor allem Gemäßigte und Reformer – diese sollen vielerorts nicht einmal genügend Kandidaten haben, um die Listen zu füllen. So bleibt Wählerinnen und Wählern oft nur die Entscheidung zwischen Hardlinern und schwachen Konservativen, die loyal zum geistlichen und religiösen Führer Ajatollah Ali Chamenei stehen. „Das ist keine echte Wahl“, zürnte der 71-jährige Rouhani im Vorfeld. Er verglich sie mit einem „Supermarkt, der nur einen Artikel anbietet“ – diesen aber in tausendfacher Ausführung.

Iranischer PRäsident Hassan Rouhani
AP/Ebrahim Noroozi
Rouhanis Reformer starten mit schlechten Karten in die Wahl

Rückkehr der Erzkonservativen

Damit stehen die Hardliner rund um den 80-jährigen obersten geistlichen Führer Chamenei nach einer vierjährigen Pause kurz davor, das Parlament wieder zu dominieren. Eine Wahl entlang eines fixen Parteiensystems gibt es im Iran nicht – allerdings haben sich zwei erzkonservative Gruppen und eine konservative Koalition gebildet, die aus mehreren Gründen wohl als Gewinner hervorgehen dürften. In diesen Gruppierungen sind Chamenei-Getreue und Angehörige der iranischen Revolutionsgarden stark vertreten.

Grafik zur Sitzverteilung im iranischen Parlament
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Die aktuelle Verteilung der Sitze im Teheraner Parlament

Das Lager rund um Chamenei bestimmt bereits jetzt die Politik, eine Mehrheit im Parlament würde ihm aber einen noch größeren Handlungsspielraum verschaffen – auch im Hinblick auf die geplante Präsidentenwahl im Jahr 2021. „Ein ultrakonservatives Parlament wird Rouhani quälen, seine Minister befragen und die Fähigkeit der Regierung erschweren, auf Sanktionsdruck zu reagieren“, so Henry Rome, Analyst der Eurasia-Gruppe für den Iran, zur AFP. Nach Einschätzung des Experten wird das Rouhanis Regierungskoalition enorm unter Druck setzen.

Grafik zum politischen System im Iran
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AFP

Stimmungstest für den Reformkurs

Dass Rouhanis Reformer bei fairen Wahlbedingungen einen Sieg einfahren würden, gilt aber ebenfalls als alles andere als gesetzt. Die Ergebnisse der Politik der verhältnismäßigen Öffnung und Liberalisierung haben viele Menschen im Iran enttäuscht. Gleichzeitig halten zahlreiche Iranerinnen und Iraner das Parlament für eine zahnlose Institution, die auch während der letzten Jahre keinen wesentlichen Einfluss auf die Politik des Landes genommen hat.

Beobachter sprechen daher von einer Art Stimmungstest für oder gegen eine Fortsetzung des Reformkures – und sowohl Rouhani als auch Chamenei haben die Bevölkerung zum Wählen aufgefordert. „Wir brauchen eine hohe Wahlbeteiligung, um die Verschwörungen unserer Feinde zu neutralisieren“, so Chamenei mit Verweis auf die USA. „Unsere Feinde wollen der Welt beweisen, dass der Iran eine isolierte Insel ist“, sagte hingegen Rouhani. Das würde ihnen bei geringer Beteiligung gelingen.

Ajatollah Ali Chamenei
APA/AFP
Die Wahl sei eine religiöse Pflicht, so Chamenei

Enttäuschte Junge als Faktor

Doch mit einer niedrigen Beteiligung wird gerechnet. Vor allem junge Menschen haben angekündigt, der Wahl fernzubleiben – aus Enttäuschung. Die letzte Wahl im Jahr 2016 hatte ein Jahr nach dem Abschluss des Wiener Atomabkommens stattgefunden, von dem Rouhani und seine Moderaten stark profitiert hatten. Der Deal hatte Hoffnungen auf internationale Öffnung, mehr persönliche Freiheiten, Normalität und wirtschaftlichen Aufschwung geweckt.

Vier Jahre später sieht die Realität aber anders aus. Das Atomabkommen liegt nach dem Ausstieg der USA in Trümmern, zudem hat US-Präsident Donald Trump den Iran mit Sanktionen überzogen. Darunter leidet die Wirtschaft: Der Rial ist nur noch die Hälfte wert, Importwaren haben sich extrem verteuert, die Arbeitslosigkeit ist enorm. Vor allem gut ausgebildete Junge finden keinen Job. Eine sukzessive Erhöhung der Benzinpreise löste dann im Herbst schwere Proteste im ganzen Land aus. Dutzende Menschen starben, es kam zu schweren Ausschreitungen. Zu der Anzahl der Toten und Verhafteten will die Regierung bis heute keine genauen Angaben machen.

Ausgebrannte Tankstelle in Teheran
AP/ISNA/Abdolvahed Mirzazadeh
Eine bei den Protesten ausgebrannte Tankstelle in Teheran

Konflikte mit USA und in Region

Das Verhältnis zu den USA ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr und hat mit der Tötung des iranischen Topgenerals Kassem Soleimani durch die USA und dem anschließenden iranischen Raketenbeschuss einer US-Basis im Irak eine neue Eskalationsstufe erreicht. Zudem bleibt der Iran auch regional in zahlreiche Konflikte verstrickt.

Der Führung wird zunehmend vorgeworfen, dass das Land seit Jahren Unmengen an Geld für militärische Operationen in Syrien, im Jemen und im Libanon ausgibt. Auch der unbeabsichtigte Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine durch das Militär mit 176 Toten hatte kürzlich Proteste verursacht. Die iranische Bevölkerung verurteilte Rouhani und die iranische Führung, weil sie den Vorfall drei Tage lang verheimlicht – anfangs sogar dementiert – und somit das Volk angelogen hatte. Angesichts der innenpolitisch angespannten Lage wurde im Vorfeld nicht ausgeschlossen, dass es im Zuge der Wahl wieder zu Protesten kommen könnte.

Ergebnis erst am Montag

Zur Wahl zugelassen sind Männer und Frauen über 18 Jahre im Besitz eines gültigen Passes. Für Christen, Juden und die Religionsgemeinschaft der Zoroastrier sind insgesamt fünf Parlamentssitze reserviert. 2012 lag die Wahlbeteiligung bei 66 Prozent, 2016 noch bei 62 Prozent. Ein Ergebnis wird erst drei Tage nach der Wahl erwartet.