Treffen des Europäischen Rats im Europa-Gebäude in Brüssel
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„Harte Verhandlungen“

Tauziehen um EU-Budget startet in Brüssel

In Brüssel verhandeln ab Donnerstag die EU-Staats- und -Regierungschefs auf einem Sondergipfel über den milliardenschweren Haushaltsplan der EU für die kommenden sieben Jahre – mit fraglichen Erfolgsaussichten. Denn die Positionen der Länder liegen teilweise weit auseinander.

Noch am Mittwoch richtete EU-Ratspräsident Charles Michel einen eindringlichen Appell an die 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten. Es ist Zeit für eine Entscheidung über unser nächstes EU-Budget", sagte Michel in einem Video auf Twitter. „Unser Wohlstand, unsere Lebensqualität und die Zukunft unserer nächsten Generationen stehen auf dem Spiel.“

Michel hatte vorige Woche einen Kompromissvorschlag für den nächsten siebenjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union gemacht, der allerdings bei mehreren EU-Staaten auf Ablehnung stieß. Beim Gipfel am Donnerstag stünden „sehr harte und schwierige Verhandlungen“ an, hieß es etwa im Vorfeld von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die deutsche Kanzlerin rechnete vor, dass wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU selbst ein Prozent des Bruttonationaleinkommens für die EU-Kasse für Deutschland deutliche Mehrausgaben bedeute.

Kurz hofft auf Einigung „am Ende des Tages“

Auch Österreich verlangt einen Budgetbeitrag in Höhe von einem Prozent des Bruttonationaleinkommens. Wenngleich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Vorwoche angemerkt hatte, dass der Verhandlungsspielraum zwischen einem Prozent und 1,1 Prozent liege. Am Mittwoch äußerte sich Kurz jedenfalls zurückhaltend, was die Chancen auf einen Durchbruch betrifft. „Ich hoffe, dass am Ende des Tages eine Einigung gelingt. Ich traue mich nicht zu sagen, ob das gelingt“, sagte Kurz im Hauptausschuss des Nationalrats.

Kurz wies darauf hin, dass der EU-Gipfel bis Samstag und damit „ausgiebig anberaumt“ sei. „Ob das zu einer Lösung beiträgt, weiß ich nicht. In einigen Tagen wissen wir mehr.“ Der Kanzler betonte, dass er erst zu Mittag mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die österreichische Position und die Verhandlungslinie besprochen habe. Vor dem Gipfel wolle er am morgigen Donnerstag in Brüssel auch Vertreter der Nettozahlerländer treffen und mit diesen „gut abgestimmt an einem Strang ziehen“.

Kurz im „Report“ zum EU-Budget

Kurz bekräftigte am Dienstag im „Report“-Interview seine Verhandlungsposition bezüglich des EU-Budgets.

Zum aktuellen Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel sagte Kurz, dass dieser „Bewegung in die richtige Richtung“ zeigt. „Sehr kritisch“ sehe Österreich allerdings Kürzungen bei der ländlichen Entwicklung. Stattdessen sehe man Einsparungspotenziale bei der Verwaltung, der Kohäsion, dem Euro-Zone-Budget und dem Verteidigungsfonds. Ein FPÖ-Antrag, der Kurz zu einem Veto gegen jegliche Steigerung des österreichischen Nettobeitrags verpflichten sollte, fand am Mittwoch im Hauptausschuss des Nationalrats keine Mehrheit.

Niederlande und Dänemark mit engen Vorgaben

Sehr wohl mit einer solchen Verpflichtung gehen die Niederlande und Dänemark in die Verhandlungen: Ihre Ministerpräsidenten Mark Rutte und Mette Frederiksen dürfen nach dem Willen beider Parlamente keinem Kompromiss zustimmen, der einen Beitrag von mehr als 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht. Zudem soll Frederiksen mit einem Veto für den gesamten Haushalt drohen, wenn der dänische Rabatt von einer Milliarde Kronen (134 Mio. Euro) angetastet wird.

Frankreich reichen wiederum die 329,3 Milliarden Euro nicht, die Michels Vorschlag für die Landwirtschaft vorsieht. Eine größere Zahl ärmerer Länder findet vorgesehene Kürzungen in der Kohäsionspolitik, die wirtschaftlich schwächeren Regionen helfen soll, inakzeptabel. Die Niederlande wollen unter anderem auf diesen beiden Gebieten, den größten im EU-Haushalt, weitere 70 bis 80 Millionen Euro kürzen.

Italiens Premierminister Giuseppe Conte richtete sich ebenfalls auf einen „komplexen und schwierigen“ Gipfel ein. Conte sagte Streit auch über bestimmte Aspekte der geplanten Verteidigungsausgaben voraus. Michel sieht eine Steigerung dieser Mittel um mehr als 600 Prozent auf gut 14 Milliarden Euro vor. Frankreich ist dieser Zuwachs zu wenig – die EU brauche mehr Geld, wenn sie Synergien etwa bei der Beschaffung neuer Waffensysteme schaffen wolle.

EU-Parlament lehnt Vorschlag ab

Eine klare Ablehnung für Michels Vorschlag kam am Mittwoch bereits vom EU-Parlament. Man „erwartet vom Europäischen Rat, keine Schlussfolgerungen auf dieser Basis anzunehmen“, teilte das Verhandlungsteam des EU-Parlaments in einer Aussendung mit.

Michels Vorschlag soll die EU-Kasse für die neue Finanzperiode mit 1,0948 Billionen Euro füllen. Das reicht nach Auffassung des Parlaments aber nicht für alle europäischen Zukunftspläne aus. Die Mitgliedsstaaten wollten Forschung, Hilfe für die ärmsten Regionen, Erasmus-Programme, Grenzschutz und ein geopolitisches Europa – „das gibt es nicht mit diesem Budget“, sagte der Abgeordnete Jose Manuel Fernandes für den Haushaltsausschuss des Parlaments, das dem Budget am Ende zustimmen muss.