Fahrer mit Schutzmaske
Reuters/Remo Casilli
Coronavirus

Zwei Tote und über 50 Infizierte in Italien

In Italien sind binnen weniger Stunden zwei Menschen an dem neuartigen Coronavirus gestorben. Die Nachrichtenagentur ANSA meldete am Samstag unter Berufung auf Insider in den Gesundheitsbehörden, eine 75-Jährige in der Lombardei sei der Infektion erlegen. Wenige Stunden zuvor war ein Mann in Venetien gestorben. In der Lombardei herrscht so etwas wie Ausnahmezustand: Zehn Ortschaften wurden praktisch abgeriegelt. Am Samstag erklärte schließlich auch Friaul den Coronavirus-Notstand.

Bei dem ersten Opfer handelte es sich um einen 78-Jährigen, der zuvor positiv auf das Virus getestet worden war, so Italiens Gesundheitsminister Roberto Speranza am Freitag. Der Mann sei wegen einer anderen Krankheit seit etwa zehn Tagen in einem Krankenhaus in der Region Venetien im Norden Italiens behandelt worden. Das Spital von Schiavonia ist Medienberichten zufolge seit Freitag abgeriegelt – rund 450 Personen dürfen das Gebäude nicht verlassen.

Zu dem zweiten Opfer wurden keine Angaben gemacht, es hieß lediglich, die Frau habe mit einem infizierten 38-jährigen Mann in der Lombardei Kontakt gehabt. Laut italienischen Medien soll es sich um eine 75-jährige Frau handeln. In der Lombardei seien mittlerweile 46 Personen an Covid-19 erkrankt, in Venetien seien es elf. Dazu komme ein weiterer Fall im Piemont, wie die Nachrichtenagentur ANSA am Nachmittag mit Verweis auf Behördenangaben mitteilte. Zu den Infizierten zählen auch mehrere Ärzte und Krankenpfleger.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Italien damit aktuell das europäische Land mit den meisten Sars-CoV-2-Infizierten. In Deutschland wurden 16 Fälle gemeldet, in Frankreich sind zwölf Fälle erfasst, darunter ein Todesfall. Weiterhin keinen Fall gibt es in Österreich.

Gipfeltreffen der Regierung

Nachdem in Padua am späten Freitag der erste europäische Coronavirus-Tote gemeldet worden war, beschloss die italienische Regierung weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie. „Wir möchten die Bevölkerung beruhigen. Wir haben alle Personen unter Quarantäne gestellt, die mit den infizierten Menschen in Kontakt gekommen sind“, erklärte Premier Giuseppe Conte.

Conte leitete am späten Freitag ein Gipfeltreffen mit Gesundheitsminister Speranza und mit Zivilschutzchef Angelo Borrelli, nachdem in der Lombardei und in Venetien einige Coronavirus-Fälle gemeldet wurden.

Öffentliche Gebäude geschlossen

Zehn Gemeinden in der Provinz Lodi mit insgesamt 50.000 Bürgern, aus denen die Infizierten stammen, riefen ihre Bürger auf, zu Hause zu bleiben und auf „soziale Kontakte“ zu verzichten. Beschlossen wurde die Schließung der Schulen, der Gemeindebüros und aller öffentlichen Lokale wie Restaurants und Diskotheken. Auch Lebensmittelgeschäfte, Bars und Sportzentren sollen in den betroffenen Orten mindestens für eine Woche geschlossen bleiben, teilte Gesundheitsminister Speranza nach der Krisensitzung mit. Die lombardische Stadt Cremona schloss ihre Schulen. Ähnliche Maßnahmen wurden auch in dem Dorf in der Provinz Padua ergriffen, aus dem das erste Todesopfer stammte.

Polizeiauto in Lodi
Reuters/Reuters Tv
Das öffentliche Leben ist praktisch zum Erliegen gekommen, hier in der Kleinstadt Codogno

„Italien ist gut vorbereitet“

Das Verteidigungsministerium stellte eine Reihe von Strukturen in der Lombardei und in der Emilia-Romagna zur Verfügung, die Personen unter Quarantäne aufnehmen sollen. 130 Plätze wurden in einer Militäreinrichtung in Piacenza bereitgestellt, in Mailand gibt es circa 60 Plätze.

„Italien ist gut vorbereitet, um mit dem Coronavirus-Notstand umzugehen. Wir haben bereits in den vergangenen Wochen einen Plan entworfen, den wir jetzt auf effiziente Weise umsetzen wollen“, sagte Gesundheitsminister Speranza am Freitag bei einer Pressekonferenz in Mailand.

„Wie in Wuhan“

Die Epidemie ist aber eine Hiobsbotschaft für die Lombardei, den „wirtschaftlichen Motor“ Italiens. Die lombardische Bahngesellschaft Trenord beschloss, nicht mehr in der Kleinstadt Codogno zu halten, in dem ein 38-Jähriger positiv auf das Virus getestet worden war. „In Codogno ist keine Seele mehr auf der Straße. Alle Geschäfte sind geschlossen. Es ist, als wären wir in Wuhan“, kommentierte ein Bewohner der Kleinstadt. Nachdem auch der Bahnhof geschlossen wurde, sei die Ortschaft wie ausgestorben.

„Wir müssen stark sein, wir werden diese Lage überwinden“, sagte Elia Delmiglio, Bürgermeister von Casalpusterlengo bei Lodi. Erst vor zwei Wochen war die Stadt von einem schweren Bahnunglück auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke Mailand – Bologna erschüttert worden. Dabei waren zwei Lokführer ums Leben gekommen, 30 Personen wurden verletzt.

Friaul erklärt Notstand

Obwohl bisher kein Verdachtsfall bestätigt worden ist, hat Kärntens italienische Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien bis zum 31. Juli den Notstand wegen des Coronavirus ausgerufen. Damit kann die Region Maßnahmen zur Abwendung der Epidemie ergreifen, berichtete der Präsident Friauls, Massimiliano Fedriga, nach einem Treffen mit dem Zivilschutz in Triest.

Der Beschluss wurde gefasst, nachdem ein Todesfall wegen Coronavirus in der angrenzenden Region Venetien gemeldet wurde. Fedriga bat die italienische Regierung um die Wiedereinführung der Kontrollen an der italienischen Staatsgrenze, das Kabinett lehnte jedoch ab, berichteten friaulische Medien. Eine Aussetzung des Schengen-Abkommens komme laut dem Kabinett in Rom vorerst nicht infrage.

Nach dem Nachweis bei dem Touristenpaar hatte Italien bereits den Flugverkehr mit China ausgesetzt und am 31. Jänner einen nationalen „Coronavirus-Notstand“ für sechs Monate erlassen – dadurch können Gelder zur Bekämpfung des Virus schneller fließen.

Erhöhte Vorsicht in Österreich

Nach der Verbreitung des Coronavirus in Norditalien gelten in Österreich erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht, aber es gibt nach wie vor keinen Grund zur Panik. „Wir haben in Österreich bisher bei 181 Verdachtsfällen Testungen durchgeführt, alle waren negativ“, hieß es Samstagmittag aus dem Gesundheitsministerium.

„Wir sind über das ‚Early Warning and Response System‘ der EU rund um die Uhr mit allen Ländern der EU vernetzt und können damit unmittelbar nach dem allfälligen Auftauchen des Verdachts einer Verbindung nach Österreich sofort Maßnahmen ergreifen. Österreich ist sicher eines der am besten vorbereiteten Länder der EU“, wurde Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in einer Aussendung zitiert.

Auch aus der Sicht von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ist die Lage „weiterhin stabil“, es bestehe kein Grund zur Panik. Es gelte aber nach wie vor, wachsam zu sein und die Situation sehr genau zu beobachten, teilte der Minister am Samstag per Aussendung mit.

Weitere Todesfälle in Südkorea und dem Iran

Zwei Tote gibt es mittlerweile auch in Südkorea: Die Behörden meldeten einen zweiten Todesfall in Verbindung mit dem Virus. Es handle sich um eine 54-jährige Frau, die am Freitag nach dem Transfer vom Daenam-Krankenhaus im südöstlichen Cheongdo in eine Klinik der Küstenmetropole Busan starb. Einen Tag zuvor war bei einem Mann, der in derselben Klinik in Cheongdo behandelt worden war, das Virus nach dem Tod nachgewiesen worden.

Fünf Tote wurden aus dem Iran gemeldet. Außerdem sei die Zahl der positiv getesteten Patienten von elf auf 28 gestiegen, hieß es aus dem Gesundheitsministeriums. Die Berichte haben im Iran wenige Wochen vor dem persischen Neujahrsfest am 20. März für Verunsicherung gesorgt. Viele Menschen befürchten, dass es weitaus mehr Tote und Infizierte gibt als bisher bekannt.

WHO sorgt sich um ungeklärte Krankheitsfälle

Die aus China gemeldeten Zahlen liegen nach wie vor um ein Vielfaches höher als die aller anderen Länder zusammengerechnet: Wie die Gesundheitskommission in Peking am Samstag mitteilte, fielen dem Virus in der Volksrepublik weitere 109 Menschen zum Opfer. Insgesamt habe die Epidemie schon rund 2.350 Menschenleben in der Volksrepublik gefordert. Zudem sei die Zahl der neu bestätigten Infektionen auf über 76.000 Fälle gestiegen – allerdings änderten die Behörden einmal mehr die Zählweise.

Die WHO äußert sich besorgt über die Infektionsfälle, bei denen es keine klare epidemiologische Verbindung gibt. Viele Menschen hätten sich mit Covid-19 angesteckt, ohne dass sie nach China gereist seien oder Kontakt mit einer Person gehabt hätten, bei der das Coronavirus nachgewiesen worden sei, schrieb WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.