Frau mit Mundschutz steigt in in Casalpusterlengo in einen Rettungseinsatzwagen, neben ihr Sanitäter ebenso mit Mundschutz
Reuters/Flavio Lo Scalzo
Coronavirus

Italien riegelt betroffene Gebiete ab

Nach den ersten Todesfällen und einem drastischen Anstieg der Infiziertenzahlen werden in Italien die Vorkehrungen zur Coronavirus-Eindämmung verschärft. Regierungschef Giuseppe Conte kündigte nach einer Krisensitzung in der Nacht auf Sonntag umfassende Quarantänemaßnahmen an. Erklärtes Ziel sei der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung – und für diesen Zweck werden nun die am stärksten betroffenen Gebiete weitgehend von der Außenwelt abriegelt.

Konkret wurden für die als Epidemiezentren geltenden Gebiete umfassende Reiseeinschränkungen beschlossen. Weder die Ein- noch die Ausreise seien bis auf wenige Ausnahmen gestattet, wie Conte laut „Repubblica“ sagte. Die Einhaltung der Maßnahmen sollen nach Angaben der Nachrichenagentur ANSA von der Polizei „und gegebenenfalls auch vom Militär“ überwacht werden. Die Rede ist hier auch von einer „aktiven Überwachung“ für alle, die mit bestätigten Fällen des Virus in Kontakt gekommen seien.

Von den Quarantänemaßnahmen betroffen sind bisher zehn Gemeinden in der Provinz Lodi in der Lombardei rund 60 Kilometer südöstlich der Metropole Mailand: Codogno, Castiglione d’Adda, Casalpusterlengo, Fombio, Maleo, Somaglia, Bertonico, Terranova dei Passerini, Castelgerundo und San Fiorano. Hier leben insgesamt rund 50.000 Einwohner. Dazu kommt die Kleinstadt Vo Euganeo in der Provinz Padua (Region Venetien) mit rund 3.000 Einwohnern.

Das Gesetzesdekret sieht den ANSA-Angaben zufolge zudem die Schließung von Schulen und Universitäten, Geschäften, Museen und öffentlichen Ämtern vor. Dazu kommen Einschränkungen im Waren- und Personenverkehr.

Über 130 Infizierte

In Italien ist die Zahl der Coronasvirus-Erkrankten zuvor sprunghaft angestiegen. Rund um Mitternacht bezifferte die Nachrichtenagentur ANSA die Zahl der mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen mit 76. Sonntagnachmittag wurde die Zahl auf über 130 korrigiert, 112 davon in der Lombardei. Weitere Fälle gibt es in Venetien und in den Regionen Piemont, Emilia-Romagna und Latium.

Leere Zugstation in Codogno, Italien
APA/AFP/Miguel Medina
Codogno gleicht seit Samstag einer Geisterstadt

Der Ausbruch in der Lombardei geht laut Medienberichten auf einen 38-Jährigen zurück, der schwer erkrankt in der Klinik der Kleinstadt Codogno (Provinz Lodi) behandelt und am Donnerstag positiv auf den Erreger getestet wurde. Wo sich der Mann ansteckte, auf den alle Fälle in der Lombardei derzeit zurückgeführt werden, ist bisher unklar.

Der Verdacht, er könnte sich bei einem kürzlich aus China zurückgekehrten Freund infiziert haben, bestätigte sich nicht: Tests hätten ergeben, dass dieser Mann nie mit dem Virus infiziert war, hieß es am Abend. Für den Ausbruch in Venetien wurde hingegen eine Einschleppung durch dort arbeitende chinesische Geschäftsleute vermutet. Der Fall in Piemont geht auf Kontakte zu Infizierten in der Lombardei zurück.

Karte von Italien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Die meisten Coronavirus-Fälle in Italien gibt es in der Lombardei und Venetien

Postum nachgewiesener Erreger

Am Sontag gab die lombardische Gesundheitsbehörde einen weitere Todesfall bekannt. Es handelt sich um eine 78-jährige Krebspatientin. Ob das Coronavirus die Todesursache war, war zunächst unklar. In diesem Fall wäre die Frau das dritte Todesopfer durch den neuartigen Erreger in Italien.

Bei einer am Donnerstag verstorbenen 77-Jährigen aus der Lombardei wurde SARS-CoV-2 postum nachgewiesen, sie werde nun als Covid-19-Todesopfer geführt, auch wenn unklar sei, woran genau sie starb, teilte der Gesundheitsbeauftragte der Lombardei, Giulio Gallera, mit. Die Lungenerkrankung gilt auch bei einem 78-Jährigen aus Venetien als mutmaßliche Todesursache, wie ein Sprecher des italienischen Zivilschutzes mitteilte. Der Erreger sie unter anderem bei der Frau und einer Tochter des am Freitag verstorbenen Mannes nachgewiesen worden.

Der Mann sei wegen einer anderen Krankheit seit etwa zehn Tagen im Krankenhaus von Schiavonia in der norditalienischen Region Venetien behandelt worden. Das Spital ist Medienberichten zufolge seit Freitag abgeriegelt – rund 450 Personen dürfen das Gebäude nicht verlassen.

Karneval in Venedig abgesagt

So wie in Codogno riefen in der Provinz Lodi bereits vor Inkrafttreten des neuen Dekrets neun Gemeinde ihre Bewohnerinnen und Bewohner auf, zu Hause zu bleiben und auf „soziale Kontakte“ zu verzichten. Beschlossen wurde die Schließung der Schulen, der Gemeindebüros und aller öffentlichen Lokale wie Restaurants und Diskotheken. Auch Lebensmittelgeschäfte, Bars und Sportzentren sollen nach Angaben der zuständigen Behörden in den betroffenen Orten mindestens für eine Woche geschlossen bleiben.

Auch in Venetien wurden Maßnahmen ergriffen, die eine weitere Ausbreitung des Virus verhindern sollen. Die Universitäten der Region werden in der kommenden Woche geschlossen bleiben, teilte der Präsident der Region, Luca Zaia, mit. Am Sonntag wurde schließlich auch der Karneval in Venedig abgesagt. In der lombardischen Hauptstadt wurden unterdessen Aufführungen in der Scala abgesagt. Bei den Mailänder Modewochen verzichtete am Sonntag zudem Giorgio Armani bei seiner Modeschau auf Publikum.

In der Lombardei und Venetien wurden zudem sämtliche Sportveranstaltungen abgesagt. Davon betroffen waren auch die vier Serie-A-Spiele Inter Mailand gegen Sampdoria Genua, Hellas Verona gegen Cagliari Calcio, Atalanta Bergamo gegen Sassuolo Calcio und Torino gegen Parma.

Friaul erklärt Notstand

Obwohl bisher kein Verdachtsfall bestätigt worden ist, hat Kärntens italienische Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien bis zum 31. Juli den Notstand wegen des Coronavirus ausgerufen. Damit kann die Region Maßnahmen zur Abwendung der Epidemie ergreifen, berichtete der Präsident Friauls, Massimiliano Fedriga, nach einem Treffen mit dem Zivilschutz in Triest.

Apothekerin mit Mundschutz bedient einen Kunden in einer Apotheke in Mailand
APA/AFP/Miguel Medina
Italien ist Regierungsangaben zufolge gut auf den Coronavirus-Notstand vorbereitet

Der Beschluss wurde gefasst, nachdem ein Todesfall wegen Coronavirus in der angrenzenden Region Venetien gemeldet wurde. Fedriga bat die italienische Regierung um die Wiedereinführung der Kontrollen an der italienischen Staatsgrenze, das Kabinett lehnte jedoch ab, berichteten friaulische Medien. Eine Aussetzung des Schengen-Abkommens komme laut dem Kabinett in Rom vorerst nicht infrage.

Gute Neuigkeiten kamen zu den drei ersten bekannten Infizierten in Italien – ein aus der stark von der Epidemie betroffenen chinesischen Stadt Wuhan heimgekehrter Italiener und ein älteres chinesisches Touristenpaar. Der Italiener habe sich von der Infektion erholt, seine Entlassung stehe bevor, teilte das behandelnde römische Spallanzani-Krankenhaus mit. Auch bei dem chinesischen Ehemann sei das Virus nicht mehr nachzuweisen.

Nach dem Nachweis bei dem Touristenpaar hatte Italien bereits den Flugverkehr mit China ausgesetzt und am 31. Jänner einen nationalen „Coronavirus-Notstand“ für sechs Monate erlassen – dadurch können Gelder zur Bekämpfung des Virus schneller fließen.

Notverordnung in Südtirol unterzeichnet

Auch in Südtirol bleiben unterdessen am Montag Kleinkindbetreuungseinrichtungen, die Freie Universität Bozen und weitere Bildungseinrichtungen geschlossen. Eine entsprechende, von den Sanitätsbehörden zuvor eingeforderte Notverordnung hat Landeshauptmann Arno Kompatscher am Sonntagvormittag unterschrieben. Durch die Vorgangsweise soll das Risiko einer Ausbreitung des Coronavirus in Südtirol minimiert werden soll.

Von der Schließung betroffen sind sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen zur Kleinkindbetreuung. Auch an der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana und am Konservatorium Monteverdi wird der Unterricht ausgesetzt. In der Notverordnung wird zudem ausgeführt, wie mit Menschen umzugehen ist, die aus Risikozonen kommen oder mit Personen in Kontakt waren, die Symptome der Viruserkrankung zeigen. Ebenso wurde festgelegt, wie vorzugehen ist, wenn jemand Symptome einer Coronavirus-Erkrankung aufweist.

Erhöhte Vorsicht in Österreich

Nach der Verbreitung des Coronavirus in Norditalien gelten in Österreich erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht, aber es gibt nach wie vor keinen Grund zur Panik. „Wir haben in Österreich bisher bei 181 Verdachtsfällen Testungen durchgeführt, alle waren negativ“, hieß es Samstagmittag aus dem Gesundheitsministerium.

„Wir sind über das ‚Early Warning and Response System‘ der EU rund um die Uhr mit allen Ländern der EU vernetzt und können damit unmittelbar nach dem allfälligen Auftauchen des Verdachts einer Verbindung nach Österreich sofort Maßnahmen ergreifen. Österreich ist sicher eines der am besten vorbereiteten Länder der EU“, wurde Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in einer Aussendung zitiert.

Auch aus der Sicht von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ist die Lage „weiterhin stabil“, es bestehe kein Grund zur Panik. Es gelte aber nach wie vor, wachsam zu sein und die Situation sehr genau zu beobachten, teilte der Minister am Samstag per Aussendung mit.