Italienische Polizisten bei Verkehrskontrollen in der Lombardei
APA/AFP/Miguel Medina
Dritter Todesfall in Italien

Drastische Maßnahmen gegen Coronavirus

Mit drastischen Maßnahmen wie Sperrzonen will Italien die rasante Ausbreitung des Coronavirus stoppen. Mehrere Gemeinden in Norditalien wurden abgeriegelt, damit das Virus nicht auf die Wirtschaftsmetropole Mailand, das Touristenzentrum Venedig und andere Regionen übergreift. Mittlerweite gab es am Sonntag das dritte Todesopfer.

In der lombardischen Stadt Crema wurde das dritte Todesopfer Italiens gemeldet, das auf das Virus zurückzuführen ist. Dabei handelt es sich um eine 78-jährige Krebspatientin, berichtete Giulio Gallera, der Gesundheitsbeauftragte der norditalienischen Region Lombardei, bei einer Pressekonferenz am Sonntag. Ob das Coronavirus die Todesursache war, war noch unklar.

Zuvor waren ein 78-jähriger Pensionist aus der Nähe von Padua und eine 75-Jährige aus der Provinz Lodi dem Virus erlegen. Gallera erklärte, dass die von der Lombardei ergriffenen Vorbeugungsmaßnahmen mit der Isolierung von rund einem Dutzend Gemeinden im Raum von Lodi vorerst sieben Tage in Kraft bleiben werden. In der am stärksten betroffenen italienischen Region Lombardei gibt es bisher 110 bestätigte Infektionsfälle, landesweit sind es 152. Mehr als 25 Personen liegen auf der Intensivstation.

Ansturm auf Supermärkte

Italiens Premier Giuseppe Conte versicherte am Sonntag, dass sein Land durchaus rigoros bei der Eingrenzung der Coronavirus-Epidemie vorgehen werde. „Wir haben bereits 4.000 Kontrollen durchgeführt. Wir sind das erste Land in Europa, das strengere und gründlichere Kontrollen beschlossen hat. Von Anfang an haben wir uns für eine Linie strengster Vorbeugung entschlossen“, so Conte in einem TV-Interview am Sonntag.

Aus Sorge vor Problemen mit den Lebensmittellieferungen wurden am Wochenende in Mailand Supermärkte von Kunden regelrecht gestürmt. Desinfizierende Produkte und Atemschutzmasken sind in ganz Norditalien nur mehr schwer zu finden. Auch die Notrufnummern, die zur Meldung von Infektionsfällen eingerichtet wurden, wurden von besorgten Bürgern ausgiebig genutzt.

Orte abgeriegelt

Inzwischen erhöhte sich die Zahl jener Regionen, die in der nächsten Woche Schulen und Universitäten schließen und sportliche und kulturelle Events absagen werden. Auch Bars, Cafes und Diskotheken bleiben entweder geschlossen oder schließen bereits in den frühen Abendstunden. Neben der Lombardei, Venetien und Piemont ergriff auch die Emilia-Romagna ähnliche Maßnahmen.

Die am stärksten betroffenen Orte wurden abgeriegelt: Niemand durfte rein oder raus. Betroffen ist die Provinz Lodi in der Lombardei rund 60 Kilometer südöstlich von Mailand, wo rund 50.000 Menschen leben, sowie die Stadt Vo in der Provinz Padua in Venetien mit rund 3.000 Einwohnern.

Italien riegelt Orte wegen Coronavirus ab

Rund 50.000 Italiener dürfen die Sperrgebiete nicht mehr verlassen. Jene, die es trotzdem versuchen, müssen mit Geldstrafen rechnen. Es kommt zu Hamsterkäufen.

„Das Ziel ist es, die Gesundheit der italienischen Bevölkerung zu schützen“, sagte Conte nach einer Krisensitzung in der Nacht auf Sonntag. Zunächst sollten Sicherheitskräfte die Regionen abriegeln. „Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein.“ Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe strafrechtliche Verfolgung.

Warnschild in der italienischen Stadt Casalpusterlengo fordert die Bewohner der Stadt auf aus Sicherheitsgründen daheim zu bleiben
AP/Lapresse/Claudio Furlan
Menschen werden aufgefordert, zu Hause zu bleiben

Scala streicht Aufführungen, Karneval beendet

In vielen Städten und Gemeinden wurden Schulen, Universitäten und ein Großteil der Geschäfte geschlossen. Größere Veranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden abgesagt.

Die Mailänder Scala sagte ihre Aufführungen bis auf Weiteres ab. In Venedig, das um die Karnevalszeit massenhaft Touristen besuchen, herrschte Alarmstimmung. Der berühmte Karneval in Venedig hätte eigentlich noch bis Dienstag dauern sollen, wurde aber mit Sonntagabend beendet. „Es ist die schwerwiegendste Anordnung, die ein Regionalpräsident eigentlich nie machen möchte“, sagte Gouverneur Luca Zaia.

Polizisten in Venedig kontrollieren die Temperatur von Karnelvalsbesuchern
Reuters/Manuel Silvestri
Der Karneval in Venedig wird mit Sonntag beendet

Maßnahmen gegen das Coronavirus haben auch die Mailänder Modewoche erreicht. Die italienische Modekammer rief als Veranstalterin der Fashion Week dazu auf, allen Anweisungen der zuständigen Institutionen zu folgen. Jedes Label werde aber autonom entscheiden, ob es seine Show stattfinden lassen wird, hieß es in der Pressemitteilung. Giorgio Armani verzichtet etwa bei seiner Modeschau auf Publikum. Die Präsentation der Damenkollektion Herbst/Winter 2020/21 sei somit via Livestream zu sehen.

MItarbeiter der Mailänder Fashionshow verteilen unter sich Atemschutzmasken
Reuters/Alessandro Garofalo
Gesichtsmasken statt Mode in Mailand

Ursprung unklar

Völlig unklar ist der Ursprung der Ausbrüche. Es gibt keinen „Patienten 0“, keinen bekannten Ersterkrankten. Zuvor war man davor ausgegangen, dass sich ein 38-Jähriger bei einem Freund aus China angesteckt hatte, der in Italien auf Besuch war. Allerdings konnte bei diesem das Virus nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise brachten Touristen oder Geschäftsleute aus China das Virus irgendwann unwissentlich mit.

Schwabeneder (ORF) zur Coronavirus-Lage in Italien

Mathilde Schwabeneder beschreibt die angespannte Lage in Italien, wo viele Schulen, Kindergärten und Universitäten in ganz Norditalien vorerst geschlossen bleiben.

Für den Ausbruch in Venetien wurde eine Einschleppung durch dort arbeitende chinesische Geschäftsleute vermutet. Der Fall in Piemont geht auf Kontakte zu Infizierten in der Lombardei zurück. Die Statistiker zählen in Italien rund 300.000 Chinesen. Allein in der Stadt Prato in der Toskana, leben mehrere zehntausend Chinesen, die in der Textilindustrie arbeiten. Dazu kamen zuletzt jährlich 5,3 Millionen Übernachtungen aus dem Land.

Friaul erklärt Notstand

Obwohl bisher kein Verdachtsfall bestätigt worden ist, hat Kärntens italienische Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien bis zum 31. Juli den Notstand wegen des Coronavirus ausgerufen. Damit kann die Region Maßnahmen zur Abwendung der Epidemie ergreifen, berichtete der Präsident Friauls, Massimiliano Fedriga, nach einem Treffen mit dem Zivilschutz in Triest.

Auch in Südtirol bleiben unterdessen am Montag Kleinkindbetreuungseinrichtungen, die Freie Universität Bozen und weitere Bildungseinrichtungen geschlossen. Eine entsprechende, von den Sanitätsbehörden zuvor eingeforderte Notverordnung unterschrieb Landeshauptmann Arno Kompatscher am Sonntagvormittag. Durch die Vorgangsweise soll das Risiko einer Ausbreitung des Coronavirus in Südtirol minimiert werden soll.

Von der Schließung betroffen sind sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen zur Kleinkindbetreuung. Auch an der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana und am Konservatorium Monteverdi wird der Unterricht ausgesetzt.