Person wirft Stimmzettel in die Wahlurne
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Hamburg-Wahl

Erfolgserlebnis für SPD, Schlappe für CDU

Die SPD hat bei der Wahl in Hamburg ein zuletzt rares Erfolgserlebnis eingefahren: Sie errang am Sonntag trotz großer Verluste mit 39 Prozent klar den ersten Platz. Die Grünen konnten ihr letztes Ergebnis auf rund 24 Prozent verdoppeln. Die CDU kam nur auf etwas mehr als elf Prozent – wohl auch eine Folge des internen Streits über den Parteivorsitz und die Folgen der Thüringen-Wahl. Die AfD schaffte den Wiedereinzug ins Stadtparlament – nachdem es zunächst nicht danach ausgesehen hatte.

Eigentlich wäre die Hamburg-Wahl selbst für Deutschland nicht rasend bedeutend. Die Hansestadt ist zwar mit 1,85 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Deutschland. Wie die Hauptstadt Berlin ist sie ein eigenes Bundesland. Die Sozialdemokraten stellten dort in 50 der vergangenen 60 Jahre den Regierungschef. Doch einerseits machte die schon länger andauernde Krise der SPD und andererseits der akute Streit in der CDU den Urnengang plötzlich zu Testwahl.

Die SPD musste zwar einen Verlust von einigen Prozentpunkten hinnehmen, bleibt aber deutlich stärkste Kraft. Der Wahlsieg hatte sich schon in letzten Umfragen abgezeichnet. Vor einigen Monaten hatte es aber so ausgesehen, also ob die Grünen, derzeit Juniorpartner der SPD in der Stadt, dem Regierenden Bürgermeister Peter Tschentscher den Sessel des Stadtchefs abspenstig machen könnten.

SPD versuchte Distanzierung von Bundespartei

Doch dazu kam es nicht, obwohl die SPD eine alte Geschichte einholte: Medien hatten über angeblich nicht eingeforderte Steuerrückforderungen von 47 Millionen Euro gegenüber der im „Cum-Ex“-Skandal unter Verdacht stehenden Warburg-Bank berichtet. Bürgermeister Tschentscher wies den Vorwurf der politischen Einflussnahme zurück.

Im Wahlkampf hatte die SPD in der Wirtschaftsmetropole stark versucht, sich vom negativen Trend der Bundespartei abzukoppeln. Die beiden neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans waren nicht zu Auftritten eingeladen. Gleichzeitig verschafft das Hamburger Ergebnis dem Duo, das alle Aufmerksamkeit auf die Lage der CDU zu lenken versucht, etwas Erleichterung.

Peter Tschentscher (SPD) jubelt mit beiden Daumen nach oben
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Bürgermeister Tschentscher als Wahlgewinner

Grüne verdoppelt

Die Grünen verdoppelten ihren Stimmanteil auf rund 24 Prozent. Mit ihrer Spitzenkandidatin Katharina Fegebank erzielten sie ihr bisher bestes Ergebnis. Mit dem Posten des Bürgermeisters wird es allerdings nichts.

Die wahrscheinlichste Regierungsvariante ist die Fortsetzung der seit 2015 bestehenden rot-grünen Koalition – sowohl Tschentscher als auch seine bisherige Stellvertreterin Fegebank hatten das als naheliegend bezeichnet. Neben Rot-Grün wäre rechnerisch auch eine Koalition von SPD und CDU möglich, politisch ist das jedoch unwahrscheinlich.

Jubel der SPD-Parteimitglieder über die erste Wahlprognose der Hamburg-Wahl
APA/AFP/Patrik Stollarz
Jubel bei der SPD nach der ersten Prognose des Wahlergebnisses

Uneinigkeit in CDU rächt sich

Die CDU verlor deutlich und erreichte nur noch rund 11,2 Prozent. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach von einem bitteren Tag. „Die Ereignisse in und um Thüringen haben nicht geholfen, dass die CDU in Hamburg auf ihre Konzepte, auf ihre Pläne für Hamburg hinweisen konnte“, sagte er.

In Thüringen hatte die CDU gemeinsam mit der FDP, aber vor allem mit der rechtspopulistischen AfD den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt. Kemmerich trat zwar kurz darauf zurück, ist aber immer noch geschäftsführend im Amt. Der häufig als „Tabubruch“ gewertete Vorgang, gemeinsam mit der AfD zu stimmen, hatte unter anderem dazu geführt, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Posten räumt.

Die weitere Vorgangsweise in Thüringen spaltet die Partei weiterhin. Zuletzt hatten sich zwei Aspiranten auf den Parteivorsitz, Friedrich Merz und Gesundheitsminister Jens Spahn, dagegen ausgesprochen, Bodo Ramelow (Linke) wieder zum Ministerpräsidenten in Thüringen zu machen, obwohl die Landes-CDU einen entsprechenden „Stabilitätsmechanismus“ mit Linkspartei, SPD und Grünen ausgehandelt hat.

Linke legte zu, FDP musste zittern

Die Linke konnte in Hamburg leicht zulegen und kommt auf rund neun Prozent. „Das ist ein tolles Ergebnis“, sagte Spitzenkandidatin Cansu Özdemir. Um den Einzug in die Bürgerschaft, so heißt das Hamburger Parlament, zittern musste die FDP. Schließlich kam sie auf genau fünf Prozent und schaffte den Wiedereinzug. Allerdings: In den Nachtstunden wurde eine mögliche Ergebnisverwechslung in einem Wahllokal bekannt. Durch eine Verwechslung in einem Bezirk wurden dort versehentlich die 22,4 Prozent der Grünen den Liberalen zugeteilt, bestätigte der zuständige Bezirkswahlleiter am Montag. Für die FDP könnte es knapp werden, lag sie doch nur wenige Stimmen über der Fünfprozenthürde.

Auch die Liberalen waren nach der Thüringen-Wahl in die Kritik geraten. FDP-Chef Christian Lindner wertete das schlechte Wahlergebnis als Zeichen des Vertrauensverlusts. Die Vorgänge in Thüringen hätten die Wahlkämpfer in Hamburg in eine „ganz schwierige Lage“ gebracht, sagte Lindner im ZDF. Die Wähler seien „zu Recht irritiert“, räumte er ein. „Das Vertrauen muss erst noch wachsen.“

Auch AfD wieder vertreten

Spannend war der Abend für die AfD: In den ersten Prognosen wurde sie bei 4,6 Prozent gesehen und hätte den Wiedereinzug ins Parlament nicht geschafft. In den Hochrechnungen legte die Partei immer weiter zu und kam schließlich im Ergebnis auf 5,3 Prozent und damit über die notwendige Fünfprozentmarke. Neben Thüringen dürfte die Partei ein anderes Ereignis Stimmen gekostet haben: das rassistisch motivierte Attentat von Hanau. Nach der Bluttat wurde öffentlich diskutiert, inwieweit die AfD rassistischen Gewalttaten mit ihrer Rhetorik den Boden bereite.

Der Hamburger AfD-Spitzenkandidat Dirk Nockemann sprach von einem „Ergebnis einer maximalen Ausgrenzungskampagne“. Mit Blick auf den rassistisch motivierten Anschlag in Hessen sagte er, man habe „nach Hanau so getan, als hätte die AfD den Finger am Abzug gehabt“. „Diese Kampagne war geeignet, uns die wesentlichen Prozentpunkte zu nehmen.“