Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Helmut Fohringer
Einsatzstab zu Coronavirus

„Auf alle Szenarien gut vorbereitet“

Montagmittag ist ein Einsatzstab zum Coronavirus im Innenministerium zusammengetreten. Neben Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nahm daran auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) teil. Man dürfe nicht davon ausgehen, dass Österreich verschont bleibe, sei aber auf alle Szenarien gut vorbereitet, so Kurz. Präsentiert wurden auch neue Maßnahmen, mit denen man einer Ausbreitung des Virus entgegenwirken will.

„Es gibt keinen Grund zur Panik, aber natürlich braucht es einen realistischen Blick auf die Dinge“, sagte Kurz. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass es Coronavirus-Fälle auch in Österreich geben kann und vielleicht auch geben wird.“ Das Wichtigste sei, gut darauf vorbereitet zu sein.

Im Einsatzstab seien fünf neue Maßnahmen festgelegt worden: Ab Montag soll es täglich Berichte des Innen- und Gesundheitsministers an den Bundeskanzler sowie entsprechende Informationen für die Öffentlichkeit geben, so Kurz. Am Donnerstag werden die Landeshauptleute mit den Ressortchefs von Innen- und Gesundheitsministerium die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden weiter abstimmen. Das Coronavirus werde zudem Thema im Nationalen Sicherheitsrat am Freitag sein.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Helmut Fohringer
Der Einsatzstab tagte im Innenministerium

Punktuelle Reisewarnungen für Norditalien

Weiters kündigte der Kanzler eine Informationskampagne für die Bevölkerung an, in der es besonders um Aufklärung und Schutzmaßnahmen gehen werde. Die ebenfalls von Kurz angekündigten partiellen Reisewarnungen für betroffene Gebiete in Norditalien wurden am Nachmittag erlassen. Wie der Sprecher des Außenamts, Peter Guschelbauer, der APA sagte, beschreite man dabei im Falle Norditaliens neue Pfade. Die Warnung gilt nur für einzelne Gemeinden in der Lombardei und Venetien. Ebenfalls eine partielle Reisewarnung gibt es nun für die Stadt Daegu, die viertgrößte Metropole in Südkorea, und Umgebung.

Schließlich werde die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene und mit Österreichs Nachbarstaaten intensiviert, so Kurz. Man werde „die Warnketten noch enger knüpfen“. Innenminister Nehammer sagte, dass das Einsatzkoordinierungscenter 24 Stunden täglich sieben Tage die Woche im Einsatz sei – alle wesentlichen Informationen würden dort gesammelt.

Pressestatements zum Coronavirus

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) informierten nach dem Treffen des Einsatzstabs.

„Nächste ein, zwei Wochen entscheidend“

„Die nächsten ein, zwei Wochen werden entscheidend sein“, wie die Entwicklung bei SARS-CoV-2 verläuft, so Anschober. Man sei „aber ein großes Stück von einer globalen Pandemie entfernt“. Sein italienischer Ressortkollege Roberto Speranza habe ihm in einem Telefonat „sehr, sehr bestimmte Maßnahmen“ gegen das in Italien schwer grassierende Virus angekündigt. Unter anderem seien in den nächsten Tagen Tausende Tests geplant. Bei der Zusammenkunft in Rom am Dienstag wollen sich die Gesundheitsminister Österreichs, der Schweiz, Sloweniens, Frankreichs und Deutschlands mit Italien abstimmen.

Für denselben Tag berief der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ein Treffen der euregio-Spitze (Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino) in Bozen ein – mehr dazu in tirol.ORF.at.

EU und WHO derzeit gegen Grenzkontrollen

In der Debatte über mögliche Grenzkontrollen im Schengen-Raum gibt sich die EU-Kommission abwartend. Grundsätzlich wären vorübergehende Kontrollen wegen des Virus möglich, die Behörde empfiehlt das aber bisher nicht. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt bisher keine derartigen Reisebeschränkungen. Sie verweist auch darauf, dass Infizierte bis zu zwei Wochen lang noch keine Symptome wie Fieber zeigen müssen. Sie könnten damit auch bei Kontrollen an der Grenze nicht erkannt werden.

SPÖ und FPÖ kritisieren Vorgehen

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner forderte eine Informationsoffensive. Zudem soll das Coronavirus auf die Tagesordnung des Nationalen Sicherheitsrats, der auch nicht erst wie vorgesehen am Freitag, sondern früher stattfinden soll, so Rendi-Wagner.

„Es ist jetzt höchste Zeit für eine Informationsoffensive und umfassende Aufklärung für die Bevölkerung. Die Lage ist ernst. Die Menschen sind verunsichert, sie wissen nicht, wie sie sich selbst am besten schützen sollen“, sagte Rendi-Wagner am Montag. Es brauche leicht zugängliche Informationen, wie man sich vor einer Ansteckung schützen kann, wie die Symptome aussehen, wie die Behandlung verläuft, wer die Risikogruppen sind, und Verhaltensregeln.

Telefonhotline ausgeweitet

Die Telefonhotline der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) unter 0800-555621 steht nun rund um die Uhr für Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung.

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer forderte ebenfalls die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats. „Es ist fahrlässig, an den Grenzen keine Maßnahmen zu setzen. Wenn die Seuche erst einmal in Österreich angekommen ist, ist es zu spät“, sagte er am Montag. Der Reiseverkehr nach Österreich aus den betroffenen Regionen solle eingeschränkt werden.

Fehlalarm auf dem Brenner

Am Sonntag hatte es einen Coronavirus-Fehlalarm auf dem Brenner gegeben: Wegen zweier Fahrgäste mit Husten und Fiebers in einem Zug von Venedig nach München kam der Zugsverkehr Sonntagabend vier Stunden zum Stillstand. Die italienische Bahn meldete die Verdachtsfälle den ÖBB. Diese schalteten das österreichische Innenministerium ein – und der zuständige Bezirkshauptmann von Innsbruck-Land stoppte daraufhin den Zug per Bescheid.

Die beiden Fahrgäste hatten den Zug bereits in Verona verlassen und wurden dort negativ getestet. Bis aber das Innenministerium Entwarnung gab, saßen 500 Passagiere aus zwei Zügen am späten Sonntagabend auf dem italienischen Grenzbahnhof auf dem Brenner fest. Um 23.30 Uhr ging die Reise weiter. Kurz davor hatte das Innenministerium Entwarnung gegeben.

Unmut bei italienischen Behörden

„Die beiden coronaverdächtigen Personen wurden negativ getestet. Der Zug fährt daher in Kürze weiter“, teilte Nehammer in einer Stellungnahme mit. Bei allen Passagieren, die in Österreich aussteigen, würden Identitätsfeststellungen vorgenommen, hieß es. „Alle Behörden haben in diesem Fall rasch und mit hoher Vorsicht gehandelt. Die Meldekette hat unverzüglich funktioniert“, so Nehammer. In München durften die Passagiere bei der Ankunft hingegen unkontrolliert den Bahnhof verlassen.

Der Beschluss Österreichs, die Züge zu stoppen, löste allerdings Unmut unter den italienischen Behörden aus. Es gebe keinen Grund dafür, da kein Coronavirus-Verdachtsfall an Bord bestätigt worden sei, hieß es. Die beiden deutschen Passagierinnen mit Fiebersymptomen seien ja in Verona ausgestiegen und würden dort im Krankenhaus liegen, es gebe jedoch keine Hinweise einer Coronavirus-Erkrankung.

TV-Hinweis

ORF III zeigt anlässlich der aktuellen Entwicklungen am Montag um 20.15 Uhr eine Sondersendung zum Thema „Corona rückt näher: Wie groß ist die Gefahr?“. Eingeladen ist unter anderem Ursula Wiedermann-Schmidt vom Zentrum für Infektiologie und Immunologie an der MedUni Wien.

ÖBB: Keine Einschränkungen

Laut ÖBB gibt es täglich rund 20 Züge über den Brenner in Tirol und in Kärnten via Tarvis nach Italien. Dazu kommen tägliche Intercity-Busse nach Triest und Venedig. Tickets von und nach Italien könnten bis einschließlich 26. Februar gratis storniert werden, sagte ÖBB-Sprecherin Juliane Pamme am Montag der APA. „Es gibt aktuell keine Einschränkungen, weder im Personen- noch im Güterverkehr.“

Die ÖBB seien „in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und anderen europäischen Eisenbahnunternehmen“, so die Sprecherin. Auch hat die Bahn einen eigenen Einsatzstab bezüglich des Coronavirus eingerichtet. „Dadurch können wir auf Änderungen auch rasch reagieren“, sagte Pamme. Die Daten von Bahn- und Busgästen werden nicht erfasst. Das gelte aber für sämtliche Eisenbahnbetriebe, berichtete die ÖBB-Sprecherin.

Auch der Fernbusmarktführer Flixbus bedient täglich mehrere Verbindungen von Österreich nach Italien und retour. Die Lage nach dem Coronavirus-Ausbruch in Italien werde „mit großer Sorgfalt beobachtet“, hieß es seitens der Pressestelle gegenüber der APA.

WHO beschwichtigt

Die WHO beschwichtigte unterdessen am Montag. Es sei sehr ermutigend, dass die Fallzahlen in China zurückgingen, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. Die Zahlen aus Italien, dem Iran und Südkorea seien gleichwohl sehr beunruhigend. Nach WHO-Einschätzung handele es sich dennoch nicht um eine Pandemie, sondern um Epidemien in einzelnen Ländern.