Kundin beim Friseur
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Gender Pay Gap

Österreichs stark geteilter Arbeitsmarkt

Frauen verdienen in Österreich weiterhin weniger als Männer. Ein Grund ist die starke Teilung des heimischen Arbeitsmarktes in weiblich und männlich dominierte Branchen. Dass Frauen eher in sozialen Berufen vertreten sind, während Männer Karriere in der Technik machen, ist keineswegs ein Naturgesetz, sondern hat hierzulande viel mit fehlender Vereinbarkeit von Familie und Job und konservativen Rollenbildern zu tun.

Wenn es um die Karriere mit Lehre geht, bevorzugen Mädchen in Österreich nach wie vor die Ausbildung zur Bürokauffrau und zur Friseurin. Bei den Burschen stehen Metall- und Elektrotechnik und der Beruf des Kfz-Mechanikers unverändert hoch im Kurs. Das zeigt eine Statistik des Arbeitsmarktservice (AMS) für das Jahr 2018, die auch aus einem früheren Jahrzehnt stammen könnte.

Auch in gewissen Branchen hat sich in den vergangenen Jahren wenig am Frauen- beziehungsweise Männerüberhang geändert. Jobs im Betreuungs- und Pflegebereich sind hierzulande weiter fest in Frauenhand. Am anderen Ende des Spektrums steht die Baubranche mit ihrem verschwindend geringen Frauenanteil.

Grafik zu den gewählten Lehrberufen bei Männern und Frauen
Grafik: ORF.at; Quelle: AMS

Drei Theorien für die Geschlechtertrennung

Für die „Segregation“ des Arbeitsmarktes in Frauen- und Männerberufe gebe es ganz allgemein drei Theorien, erklärte die Ökonomin Monika Köppl-Turyna von der Denkfabrik Agenda Austria gegenüber ORF.at. Die erste: Frauen und Männer haben unterschiedliche Stärken. In manchen Studien habe sich gezeigt, „dass Frauen besser in Berufen sind, wo es um den Kontakt mit Menschen geht“, sagte Köppl-Turyna, etwa als Lehrerinnen und Psychologinnen.

Das Gender-Pay-Gap einfach erklärt

Warum verdienen Frauen eigentlich weniger als Männer. Ein Video erklärt die Hintergründe und was man gegen diese Ungerechtigkeit tun kann.

Die zweite Theorie lasse sich unter dem „nicht optimalen“ Begriff „Präferenzen“ zusammenfassen. „Frauen sind öfters in Jobs zu finden, die flexibler sind.“ Das habe weniger mit „Frausein“ oder „Mannsein“ zu tun, sondern schlicht damit, dass es immer noch großteils die Frauen sind, die sich in der Familie um die Kinderbetreuung kümmerten. Theorie drei betrifft die Diskriminierung; dass „Frauen in manchen Berufen einfach nicht angenommen werden“, wie Köppl-Turyna sagte. Für alle drei Theorien ließen sich in Studien Beweise finden, so die Ökonomin.

Grafik zu von Frauen bzw. Männern dominierten Berufen
Grafik: ORF.at; Quelle: Agenda Austria/Statistik Austria

Karriereknick Mutterschaft

Die „Segregation“ des Arbeitsmarktes ist nicht auf Österreich beschränkt, aber stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. Das wiederum hängt mit Faktoren zusammen, die auch in den Gender Pay Gap – den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern – hineinspielen. In Österreich scheinen Frauen tatsächlich besonders oft Berufe zu wählen, die genügend Zeit für Familienarbeit lassen. Vor allem im ländlichen Raum liege das an den teils fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten, sagte Köppl-Turyna.

Aus diesem Grund „leidet die Karriere einer Frau in Österreich mehr als anderswo, wenn sie Kinder hat“. Frauen, die Mütter werden, müssen in Österreich mit Lohneinbußen rechnen – die Lücke klafft nicht nur gegenüber Männern auf, sondern auch im Vergleich zu kinderlosen Frauen mit ähnlichem Jobprofil, geht aus einer Untersuchung von Agenda Austria hervor.

Zehn Jahre nach der Geburt verdienen Frauen etwa die Hälfte weniger als Männer und nur zwei Drittel einer kinderlosen Frau mit vergleichbaren Eigenschaften, heißt es in der Untersuchung unter Verweis auf eine Studie aus dem Jahr 2019. In Schweden und Dänemark, die in Sachen Kinderbetreuung, Aufteilung von Karenzzeiten und Gleichberechtigung als Vorbilder gelten, falle dieser „Motherhood Pay Gap“ geringer aus.

„Eineinhalb VerdienerInnen“

Ein weiterer Faktor sind die konservativen Rollenbilder, die sich in der österreichischen Gesellschaft hartnäckig halten. „Wir haben in Österreich ein sehr klassisches Familienbild mit eineinhalb VerdienerInnen“, sagte der Ökonom Marian Fink vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) im Gespräch mit ORF.at. „Der Mann arbeitet Vollzeit und ernährt die Familie, die Frau arbeitet Teilzeit und kümmert sich unbezahlt um Kinder und Haushalt.“

Zahlen der Statistik Austria zeigen, dass fast die Hälfte aller berufstätigen Frauen in Österreich Teilzeit arbeitet, bei Männern sind es nur elf Prozent. Das hat negative Auswirkungen auf das Gehalt und später im Leben auf die Pension. Mutterschaft „schlägt sich auch in geringerer Berufserfahrung nieder“, ergänzte Fink. Für Unternehmen sei es weniger profitabel, in die Fort- und Weiterbildung von Teilzeitkräften zu investieren als in jene von ähnlich produktiven Vollzeitkräften. Damit blieben Frauen Aufstiegsmöglichkeiten verwehrt. „Teilzeitbeschäftigung hemmt den Aufstieg in der Hierarchie“, fasste Fink zusammen.

Gerade im Management kämen „Attribute“ wie Durchsetzungskraft und Ehrgeiz hinzu, die in der Gesellschaft tendenziell den Männern zugeschrieben würden, sagte Fink. Dass weibliche Führungskräfte nicht weniger erfolgreich sind, zeigt eine Untersuchung österreichischer Forscherinnen aus dem Jahr 2010: Von Frauen (mit-)geführte Start-ups überlebten demzufolge statistisch signifikant länger als jene mit männlichen Führungskräften.

Nähe zur unbezahlten Arbeit

Auffällig bei Berufen mit hohem Frauenanteil sei die Nähe der Tätigkeiten zur unbezahlten Arbeit, sagte die Ökonomin Katharina Mader von der Wirtschaftsuniversität Wien im ORF.at-Interview. Das betrifft den Pflegebereich, die Reinigungsbranche, teilweise aber auch die Kindererziehung. „Man schätzt diese Arbeit im unbezahlten, eigenen Haushalt nicht wert und deshalb auch nicht auf dem Arbeitsmarkt. Man unterstellt, dass es kaum beziehungsweise keine Ausbildung braucht, um diese Tätigkeiten auszuführen – weil die Frauen können es ja auch daheim“, so Mader.

Die MINT-Fächer und ihre Grenzen

Als Reaktion auf den weiterhin bestehenden Gender Pay Gap wurde in Österreich versucht, Mädchen und Frauen für technische Berufe und die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu begeistern. Ökonomin Mader sieht entsprechende Initiativen positiv, hat aber einen großen Kritikpunkt: Der Fokus werde zu sehr auf die einzelne Frau gelenkt – und weg von der Frage, warum Berufe aus dem MINT-Bereich offenbar höher bewertet werden als Jobs etwa aus dem Sozial- und Betreuungssektor.

Pflegerin mit zwei Pflegebedürftigen
APA/dpa/Peter Kneffel
In Betreuungsberufen wie der Altenpflege ist der Frauenanteil besonders hoch

Köppl-Turyna hält die Versuche, mehr Frauen Technik und Naturwissenschaft schmackhaft zu machen, für „begrüßenswert“. In den vergangenen Jahren hätte es durchaus Erfolge in diesem Bereich gegeben, nun aber scheine man an eine „natürliche Grenze“ gestoßen zu sein. Besonders deutlich offenbart sich diese Grenze laut der Ökonomin in der Mathematik und, damit verbunden, in der Informatik und dem Ingenieurswesen.

In der Volksschule liegen Mädchen und Buben in Mathematik noch gleichauf, so das Ergebnis einer internationalen Studie, doch bereits auf der sekundären Bildungsstufe geht die Kluft zwischen den Geschlechtern deutlich auseinander. Warum das so ist? „Es gibt Beweise, dass Frauenrollen hier eine große Rolle spielen“, sagte Köppl-Turyna. „Wenn Mädchen eine Mathematiklehrerin haben, dann sind sie mehr für Mathematik begeistert.“ Und Studien zeigten, „dass Frauen weniger kompetitiv sind als Männer“. Lasse man die Wettbewerbskomponente bei Mathematiktests weg, schneiden Mädchen laut der Wissenschaftlerin genauso gut wie Burschen ab. „Man kann versuchen, das zu steuern“, so Köppl-Turyna.