Der spanische Tenor Placido Domingo
APA/AFP/Attila Kisbenedek
„Erkenne volle Verantwortung an“

Domingo gibt sexuelle Übergriffe zu

Nach den Vorwürfen sexueller Übergriffe hat der spanische Opernstar Placido Domingo Fehlverhalten eingestanden und sich dafür bei den betroffenen Frauen entschuldigt. „Ich möchte, dass sie wissen, dass mir der Schmerz, den ich ihnen zugefügt habe, ehrlich leidtut“, so Domingo am Dienstag mit Blick auf die Frauen, die ihm Übergriffe wie aufgezwungene Küsse und Begrapschen vorgeworfen hatten.

„Ich erkenne die volle Verantwortung für meine Taten an und ich bin aus dieser Erfahrung gewachsen“, hieß es weiter in einer Erklärung des 79-Jährigen. „Ich habe mir in den letzten Monaten Zeit genommen, um über die Anschuldigungen nachzudenken, die verschiedene Kolleginnen von mir gegen mich erhoben haben“, hieß es in der Mitteilung. „Ich verstehe jetzt, dass einige Frauen vielleicht Angst hatten, sich ehrlich zu äußern, weil sie befürchten, dass ihre Karriere dadurch beeinträchtigt werden könnte. Das war zwar nie meine Absicht, aber man sollte niemandem dieses Gefühl vermitteln.“

Zuvor hatte eine Untersuchung des US-Verbands der Musikkünstler (AGMA) die Vorwürfe zahlreicher Sängerinnen bestätigt, die Domingo teils Jahrzehnte zurückliegende Übergriffe vorgeworfen hatten. „Die Untersuchung hat ergeben, dass sich Herr Domingo in der Tat unangemessen verhalten hat – bei der Arbeit und außerhalb“, hieß es in einer Mitteilung der AGMA am Dienstag. „Viele der Opfer sagen, dass sie aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen in der Branche bisher geschwiegen hatten.“ Die Leitung der AGMA kündigte als Reaktion auf die Untersuchungsergebnisse „angemessene Maßnahmen“ an.

Domingo wies Vorwürfe lange zurück

Über die Causa hatte im August 2019 als Erste die US-Nachrichtenagentur AP berichtet und „zahlreiche“ Frauen (anfangs überwiegend anonym) mit den Worten zitiert, der spanische Opernstar habe ihnen Rollen gegen Sex in Aussicht gestellt und sie „bestraft“, wenn sie seine „Angebote“ ausgeschlagen hätten. Weiters hieß es, „fast drei Dutzend“ weitere Personen in der Opernwelt hätten „unpassendes, sexuell gefärbtes“ Verhalten gegenüber jungen Frauen bei Domingo beobachtet.

Mehrere Frauen seien davon überzeugt, dass ihre Karrieren Schaden genommen hätten, nachdem sie Annäherungsversuche abgewehrt hätten, berichtete AP. Anfang September wurden weitere Vorwürfe von Frauen gegen Domingo publik. Nach AP-Recherchen erheben elf weitere Frauen Anschuldigungen. Dabei gehe es um ungewollte Berührungen, Belästigung und andere unangebrachte Handlungen. Eine Sprecherin Domingos sprach zu dem Zeitpunkt noch von einer „Kampagne“.

Spanischer Tenor Placido Domingo 1972
AP/Raoul Fornezza
Domingo auf einer Archivaufnahme von 1972

Domingo reagierte damals in einer Stellungnahme: „Die Vorwürfe dieser namentlich nicht genannten Personen, die bis zu 30 Jahre zurückreichen, sind sehr bekümmernd und so, wie sie wiedergegeben werden, inkorrekt.“ Trotzdem sei es „schmerzhaft zu hören“, dass sich jemand durch sein Verhalten möglicherweise „unbehaglich fühlte – egal, wie lange das her ist, und trotz meiner besten Absichten“.

Auftritte abgesagt

Medienberichten zufolge blieb Domingos Verhalten lange folgenlos, weil er als einer der größten Opernstars der Welt unantastbar schien. Inzwischen haben die Vorwürfe Domingos Karriere in den USA aber erheblich geschadet. So sah er sich im Herbst 2019 gezwungen, all seine Auftritte an der New Yorker Met abzusagen. Er kündigte zudem an, dass er nicht mehr an das renommierte Opernhaus zurückkehren werde. Auch Konzerte des Spaniers in Philadelphia, San Francisco und Dallas wurden abgesagt. Anfang Oktober trat Domingo als Generaldirektor der Oper von Los Angeles zurück. Auch von einem Theaterevent in Japan im Frühling zog er sich zurück.

In Salzburg gefeiert

Anders als die US-Institutionen hatte man in den meisten europäischen Opernhäusern – so auch an der Wiener Staatsoper – stets betont, dass die erhobenen Vorwürfe gegen Domingo rechtlich unbewiesen bzw. ungeklärt seien und man deshalb nichts präjudizieren wolle. Die Wiener Staatsoper sagte Ende August, dass sie „keinen rechtlich haltbaren Grund“ für die Kündigung bestehender Verträge mit Domingo sehe. Eine geplante Ehrung mit dem Europäischen Kulturpreis wurde im Oktober jedoch abgesagt.

Die Berliner Staatsoper hielt wiederum an Auftritten von Domingo im Jänner fest. Man sehe keine ausreichende Grundlage für „eine Vorverurteilung“ und dafür, den seit Langem gültigen Vertrag zu brechen, hieß es damals. Auch bei einem Galakonzert an der Mailänder Scala im Dezember wurde der Opernsänger ausgiebig gefeiert – vom Publikum wurde er mit 18 Minuten langen Standing Ovations bedacht. Bei den Salzburger Festspielen – zur Zeit des Aufkommens der ersten Vorwürfe – war Domingo vom Publikum ebenso demonstrativ bejubelt worden.

Domingos Karriere als Tenor und später Bariton dauert bereits mehr als ein halbes Jahrhundert. Er kommt auf über 4.000 Auftritte, nahm mehr als hundert Alben auf und wurde mit 14 Grammys ausgezeichnet. Weltberühmt sind unter anderem seine Auftritte mit Luciano Pavarotti und Jose Carreras als „Die drei Tenöre“.