Mann mit Trillerpfeife und Transparent mit der Aufschrift „35 Stunden sind genug“
APA/Georg Hochmuth
KV-Streit in Sozialwirtschaft

Warnstreiks in mehr als 300 Betrieben

Die Kampfmaßnahmen in der Sozialwirtschaft (SWÖ) werden wegen der sich hinziehenden Kollektivvertragsverhandlungen auf mehr als 300 Betriebe in ganz Österreich ausgedehnt. Ab Mittwoch wird gestreikt. Die Gewerkschaften GPA-djp und vida drängen weiterhin auf eine Arbeitszeitverkürzung – für die Arbeitgeberseite ist das aber nicht machbar.

Unter den Kollektivvertrag für die Sozialwirtschaft fallen rund 125.000 Beschäftigte im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich. Die einzige Forderung der Gewerkschaft ist die Einführung einer 35-Stunden-Woche. Die Arbeitgeber sehen diese Maßnahme nicht als machbar an, sie sei zu teuer und würde den Pflegenotstand verschärfen. Die Gewerkschaft verweist dagegen auf die hohe Arbeitsbelastung in diesem Bereich.

Erste Warnstreiks finden zwar am Mittwoch statt, am Donnerstag soll dann jedoch der Höhepunkt erreicht werden. Allein an der Streikdemo auf dem Wiener Praterstern am Donnerstag nehmen laut Gewerkschaft knapp 20 Betriebe teil. Mehrere Standorte werden ihre Betriebsversammlungen dort abhalten und auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Die Kollektivvertragsverhandlungen waren zuletzt ergebnislos unterbrochen worden.

Mehr Standorte und mehr Menschen beteiligt

„Ich bin total froh, dass quasi stündlich neue Betriebe dazukommen“, sagte Eva Scherz, Verhandlerin für die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), am Mittwoch. Die beiden Streiktage würden regen Zulauf finden, berichtete sie. Für die Streikdemo am Donnerstag in Wien erwartet Scherz mehr als 1.000 Teilnehmende. Die nächste, siebente Verhandlungsrunde wurde für 2. März vereinbart.

Bis dahin wollen die Gewerkschaften GPA-djp und vida mit weiteren Warnstreiks Druck machen. Gestreikt werde, wo es geht, hieß es – allerdings immer unter der Wahrung von Gesundheit und Würde der zu betreuenden Menschen. Ausflüge in Pflegeheimen werden aber ebenso ausfallen wie Nachmittagsbetreuung und nicht akut notwendige Therapiesitzungen.

Auch werde in Pflegeheimen etwa das Waschen von schmutziger Wäsche bestreikt, ebenso wird es mancherorts kaltes statt warmes Essen geben, hieß es. Jugendzentren und Horte würden zugesperrt. Im Vergleich zu den vergangenen Streiks werden sich dieses Mal mehr Standorte und mehr Menschen für einen noch längeren Zeitraum beteiligen, kündigten die Arbeitnehmervertreter an. Zuletzt hatten sich 270 Betriebe an den Arbeitsniederlegungen beteiligt.

Warnstreik bei der Caritas für 35-Stunden-Woche

Bei einem Standort der Lebenshilfe wird am Donnerstag „komplett zugesperrt“, teilte der Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe Wien im Gespräch mit der APA mit. Die Einrichtung in der Rueppgasse werde komplett bestreikt, hieß es. 64 Menschen werden an dem Standort täglich betreut, 18 Mitarbeiter kümmern sich in mehreren Gruppen um sie. Die weiteren Standorte der Lebenshilfe Wien unterbrechen ihre Betreuungstätigkeit lediglich für die Streikdemo, die Mitarbeiter sind sonst aber am Arbeitsplatz anzutreffen.

Die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche wird auch von Tausenden Caritas-Mitarbeitern unterstützt. Bei der kirchlichen Hilfsorganisation war bereits am Montag gestreikt worden – zum ersten Mal in den 18 Jahren des eigenen Caritas-Kollektivvertrags, der sich am Abschluss der Sozialwirtschaft orientiert. Am Ende müsse eine Lösung stehen, die einerseits die Mitarbeiter stärke und andererseits das Wohl der Klienten sicherstelle, hieß es. Für den Kollektivvertrag der kirchlichen Hilfsorganisation wurde der 13. März als nächster Verhandlungstermin vereinbart.

Arbeitgeber beobachten

Die Arbeitgeber behalten das Geschehen genau im Auge. „Natürlich beobachten wir das“, sagte SWÖ-Chefverhandler Walter Marschitz am Mittwoch. Die Streiks seien ein Indiz dafür, wie wichtig das Thema Arbeitszeitverkürzung in den Betrieben ist. Das fließe auch in die Überlegungen der Arbeitgeberseite ein, versprach er.

Während die Arbeitnehmer streiken, reiften bei den Arbeitgebern die Überlegungen, wie am Montag verhandelt wird, berichtete Marschitz. „Bewegungsmöglichkeiten werden sondiert“, kündigte er an, gab aber zu bedenken, dass sich die Arbeitgeber auch erst kurz vor den Verhandlungen treffen würden, um dort innerhalb der Kurie ein Angebot zu schnüren.

Scherz vor Verhandlungsrunde optimistisch

Für die siebente Verhandlungsrunde am Montag zeigte sich Scherz – wie immer – optimistisch. Der Zuspruch zur Forderung einer 35-Stunden-Woche von Beschäftigten und aus der Bevölkerung sei riesig, berichtete die Verhandlerin. Auch von Arbeitgeberseite gebe es Signale, die auf eine mögliche Lösung hindeuten würden. Allerdings kämen diese nicht von der gesamten Sozialwirtschaft, sondern nur von einzelnen Betrieben, sagte sie. Für die Gewerkschafterin gehe es in erster Linie um die Frage, ob die Arbeitgeber bereit sind, konstruktive Gespräche zur Arbeitszeitverkürzung aufzunehmen.

Marschitz hatte zuletzt auch Unterstützung aus der Politik gefordert. Mit derartiger Hilfestellung rechne er allerdings nicht, sagte er am Mittwoch und ergänzte: „Die Politik duckt sich eher weg.“ Dennoch habe die Politik eine Verantwortung, betonte er. Dass die angekündigte Pflegereform erst am Beginn stehe, verstehe er, trotzdem müsse etwas an der Belastungssituation für die Mitarbeiter in Pflegeheimen geändert werden. „Da liegt der Schlüssel bei der Politik“, sagte Marschitz und forderte eine „nationale Kraftanstrengung“ für die sozialen Pflegeberufe.