Sebastian Kurz und Boris Johnson
APA/Harald Schneider
Beziehungen EU – Großbritannien

Kurz erwartet schwierige Verhandlungen

Großbritannien ist seit Monatsbeginn nicht mehr EU-Mitglied, bis Jahresende gilt eine Übergangsfrist. Wie die Beziehungen danach genau aussehen sollen, ist noch unklar. Die Verhandlungen darüber beginnen in Kürze. Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der am Dienstag den britischen Premier Boris Johnson in London traf, dürften diese nicht einfach werden. Die Positionen lägen „durchaus noch auseinander“.

Theoretisch könnte die Übergangsfrist einmalig verlängert werden, Johnson lehnte das bisher allerdings ab. Die EU hat Großbritannien ein Freihandelsabkommen ohne Zölle angeboten, stellt aber Bedingungen – etwa bei Arbeitsrecht und Umweltstandards.

Kurz schloss vor seinem Abflug nach London auch nicht aus, dass die Verhandlungen scheitern. „Wünschenswert ist natürlich ein anderes Szenario, nämlich, dass es gelingt, zwischen Europäischer Union und Großbritannien ein zukünftiges Verhältnis zu vereinbaren.“

Positionen „durchaus noch auseinander“

Nach dem Treffen mit Johnson sprach Kurz von einem „guten Gespräch“. Die Positionen in der Frage der zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der Union seien zwar „natürlich durchaus noch auseinander“. Er sei aber „optimistisch, dass es uns gelingt, hier eine gemeinsame Regelung zu finden, sodass auch ein guter wirtschaftlicher Austausch und eine starke Zusammenarbeit in Zukunft sichergestellt ist“.

Sebastian Kurz und Boris Johnson
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Kurz bei seinem ersten Treffen mit Johnson als britischem Regierungschef

Eine mögliche Verlängerung der bis Ende des Jahres geltenden Übergangsperiode sei nicht Thema gewesen. Ziel sei es, „ein Abkommen zustande zu bringen, die zukünftigen Beziehungen genau und detailliert zu regeln, sodass es Rechtssicherheit gibt für alle Österreicher in Großbritannien, für alle Briten in der Europäischen Union und vor allem auch einen starken wirtschaftlichen Austausch zwischen der Europäischen Union und Großbritannien“, sagte der Bundeskanzler.

Wirtschaftsbeziehungen nach dem Binnenmarkt

Im Vorfeld des Gesprächs mit dem britischen Regierungschef hatte Kurz „einige herausfordernde Themen“ genannt, darunter hauptsächlich „die Klärung der zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen, welche Standards im wirtschaftlichen Austausch gelten, wie genau die Regelungen sein werden. Ist es mehr ein Verhältnis wie mit der Schweiz oder mehr ein Freihandelsabkommen wie mit Kanada?“ Darüber hinaus gebe es auch „regional spezifische Themen“ wie beispielsweise die Fischerei.

Kurz bei Johnson in London

Die EU und Großbritannien verhandeln über ihre künftigen Beziehungen. Der Brexit stand auch beim Arbeitstreffen zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem Amtskollegen Boris Johnson im Fokus.

Im Hinblick auf die künftigen Beziehungen mit Großbritannien nannte Kurz drei wesentliche Ziele. „Großbritannien verlässt die Europäische Union, aber es verlässt nicht Europa. Es bleibt eine der größten Volkswirtschaften, eine der größten Militärmächte, ein außenpolitischer Player in unserer Nachbarschaft, und wir wollen weiterhin eine möglichst gute Zusammenarbeit mit Großbritannien sicherstellen.“ Das gelte bilateral zwischen Österreich und Großbritannien, aber „umso mehr für die Europäische Union und Großbritannien“.

Unklare Perspektive für Auslandsösterreicher

Zweitens sei Großbritannien „für uns ein wichtiger Handelspartner“ – mit einem Handelsvolumen „von mittlerweile sieben Milliarden Euro“, es sei entscheidend, dass „dieser rege wirtschaftliche Austausch aufrechterhalten“ bleibe. Es sei aber „auch entscheidend, dass keine ungleichen Wettbewerbsbedingungen zum Vorteil Großbritanniens bestehen“.

Bundeskanzler Sebastian Kurz vor der Österreichischen Botschaft in London
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Gespräch mit Journalisten vor der britischen Botschaft in London

Als drittes Anliegen nannte der Bundeskanzler die Rechte der rund 33.000 Auslandsösterreicher in Großbritannien, die „grundsätzlich im Austrittsabkommen schon festgehalten“ seien. Nun gehe es jedoch um die Umsetzung, „weil natürlich nach wie vor viele in einer gewissen Phase der Ungewissheit leben, und je schneller es hier absolute Klarheit gibt und das auch umgesetzt ist, desto besser“ für die Betroffenen.

Verhandlungen beginnen in Kürze

Kurz war zuletzt im November 2018 für den österreichischen EU-Ratsvorsitz in London gewesen. Damals war er ebenfalls in der Downing Street zu Gast – noch bei Johnsons Amtsvorgängerin Theresa May. Sie trat während der Brexit-Verhandlungen und nach langen innenpolitischen Turbulenzen im Juli des Vorjahres zurück. Die Verhandlungen zwischen EU und Großbritannien beginnen Anfang März in Brüssel. Noch zuvor will London seine Forderungen publikmachen, hatte es zuletzt geheißen.