Frauen halten Schilder anlässlich „Gewalt gegen Frauen“
APA/Roland Schlager
Gewaltschutzallianz schlägt Alarm

24-Stunden-Betrieb von Frauennotruf wackelt

Nach dem sechsten Frauenmord in diesem Jahr schlägt die Allianz „Gewaltfrei leben“ aus über 40 Gewaltschutzorganisationen Alarm. Es sei „höchste Zeit für ausreichende und brauchbare Gewaltschutzmaßnahmen“ – ganz im Gegensatz dazu werde aber ein Abbau bereits bestehender Präventionsmaßnahmen befürchtet. Exemplarisches Beispiel sei der Frauennotruf: Ohne Aufstockung der Mittel sei ein 24-Stunden-Betrieb nur noch bis Juni möglich.

„Die Regierung schreibt sich Gewaltschutz auf die Fahnen. Wir sehen Gewaltschutz dagegen finanziell am Minimum angelangt“, sagte „Gewaltfrei leben“-Koordinatorin Sophie Hansal bei einer Pressekonferenz in Wien.

Einige Mitgliederorganisationen hätten über viele Jahre hinweg Schulden gemacht und würden nur noch durch die Selbstausbeutung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre vielfältigen Angebote aufrechterhalten können. Nur mit einer Erhöhung des Gewaltschutz- und -präventionsbudgets auf 210 Millionen Euro könnten bereits getroffene Maßnahmen in ihrer derzeitigen Form aufrechterhalten werden.

317.800 Euro pro Jahr – seit 20 Jahren

Das derzeitige jährliche Budget von zehn Millionen Euro für die Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen und zugleich Gleichstellungsmaßnahmen erlaube jedenfalls keinen flächendeckenden Zugang zu Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Hilfseinrichtungen, sagte Hansal. Auch könnten die für Österreich verpflichtenden Gewaltschutzmaßnahmen der Istanbul-Konvention nicht eingehalten werden.

Frauennotruf droht Aus

Da die Finanzierung nicht ausreicht, muss der Frauennotruf Mitte des Jahres vielleicht teilweise schließen. Die Budgetmittel des Bundes für Gewaltschutz sind in den vergangenen Jahren nicht gestiegen.

Exemplarisch veranschaulicht wurde die Lage unter anderem am Beispiel der derzeit rund um die Uhr verfügbaren Frauenhelpline (0800-222-555). Seit 20 Jahren erhält diese 317.800 Euro jährlich vom Frauenministerium. Fehlende jährliche Indexanpassungen hätten jedoch zu einem Defizit von mittlerweile 72.000 Euro geführt, sagte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF). Schließlich müssten steigende Personalkosten sowie Miet- und Sachkosten abgedeckt werden.

30 Prozent der Anrufe am Wochenende

„Erfolgt keine Aufstockung auf mindestens 400.000 Euro pro Jahr, dann ist der 24-Stunden-Betrieb nur noch bis Juni möglich“, warnte Rösslhumer. 30 Prozent der Anrufe gehen am Wochenende ein, zehn Prozent in der Nacht. Folglich würde die Frauenhelpline wohl am Vormittag nicht länger besetzt sein, sagte die AÖF-Geschäftsführerin. „Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hat mir glaubhaft vermittelt, dass ihr die Frauenhelpline wichtig ist. Aber wir wissen bis jetzt nicht, wie hoch das kommende Budget sein wird und wie es sich verteilt“, so Rösslhumer.

„Im Durchschnitt 6.000 Opfer im Jahr“

Auch in der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie fehlt es an Mitteln. „Wir betreuen im Durchschnitt 6.000 Opfer im Jahr. Derzeit haben wir fünfeinhalb Stunden pro Opfer zur Verfügung. Das reicht nicht aus“, sagte Geschäftsführerin Rosa Logar. Sie forderte eine Verdoppelung der Mittel für die Einrichtung, damit zumindest zehn Stunden pro Betroffene aufgewendet werden können.

Ressourcen für Kinder, die Zeugen von Gewalt in der Familie wurden, sind dagegen überhaupt nicht vorhanden. „Wir können über 5.000 Kinder nicht unterstützen, obwohl wir Zugang zu ihnen hätten. Zumindest drei Personalstellen würden wir gerne finanzieren können“, so Logar.

Die von der Allianz „Gewaltfrei leben“ geforderten 210 Millionen Euro würden nicht nur direkt zu den diversen Organisationen fließen, sondern auch in eine umfangreiche und langfristig angelegte Gesamtstrategie investiert werden, um Frauen und Kinder besser vor Gewalt zu schützen – den nationalen Aktionsplan gegen Gewalt. Auch sollten Gelder für Forschung, internationale Zusammenarbeit und eine technische Ausstattung von Gerichten zur Verfügung gestellt werden.

Kritik an Frauenhäuser-Neuausschreibung in Salzburg

AÖF-Geschäftsführerin Rösslhumer nahm auch zu der von der Salzburger Frauenlandesrätin Andrea Klambauer (NEOS) geplanten Neuausschreibung der beiden Frauenhäuser in Salzburg und Hallein Stellung. Diese komme einer „Zerschlagung der bestehenden Opferschutzeinrichtungen“ gleich und sei „sehr dramatisch“.

Die Ansicht von Klambauer, wonach das Konzept der Frauenhäuser in Salzburg nicht mehr zeitgemäß sei, sei unverantwortlich, sagte Rösslhumer. Betroffene Frauen würden dadurch verunsichert. „Frauenhäuser sind lebensrettende Einrichtungen und müssen bestmöglich unterstützt werden. Sie dürfen nicht an Trägerorganisationen übergeben werden, die oft keine Ahnung von der Thematik haben“, forderte sie.

Mahnwache vor Parlament

Zur Untermauerung ihrer Forderung hielt die Allianz zusammen mit dem Österreichischen Frauenring, dem Frauenvolksbegehren und verschiedenen anderen Frauenvereinen und Nationalratsabgeordneten eine Mahnwache vor dem derzeitigem Parlamentssitz in der Wiener Hofburg ab. Laut SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek braucht es „dringend mehr Mittel für den Gewaltschutz“: ein Sofortpaket von vier Millionen Euro und in einem weiteren Schritt eine massive Erhöhung des Frauenbudgets, so Heinisch-Hosek per Aussendung.

Eine Mahnwache für ermordete Frauen vor dem Parlament
APA/Roland Schlager
Mahnwache vor dem Ausweichquartier des Parlaments auf dem Wiener Josefsplatz

„Trauriges gesellschaftliches Signal“

„Ein höheres Budget ist notwendig, damit Präventionsmaßnahmen finanziert und Gewaltschutzeinrichtungen entsprechend unterstützt werden können“, sagte auch die Tiroler SPÖ-Landesfrauenvorsitzende und Nationalratsabgeordnete Selma Yildirim. Auch auf Landesebene sei mehr Geld etwa für Frauenhäuser notwendig, so Yildirim in einer Aussendung: „Das ist ein trauriges gesellschaftliches Signal.“

Von einem „traurigen Spitzenplatz in der Statistik“ sprach FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker. Dieser zufolge müsse man alles daransetzen, „um Frauen aus der Gewaltspirale – die meist in den eigenen vier Wänden und durch die Partner oder Ex-Partner geschieht“ – zu befreien. Die rechtliche Voraussetzung sieht Ecker zwar „durchaus gegeben“, in einer Aussendung ortete sie aber bei Polizei, Staatsanwaltschaft und anderen zuständigen Stellen „eine Hemmschwelle“, etwa mit einem Annäherungs- bzw. Betretungsverbot aktiv gegen die Täter vorzugehen.

Frauenministerin Raab hob bei einer Veranstaltung zum Tag der Kriminalitätsopfer am Freitag die „traurige Verdoppelung“ der Frauenmorde in Österreich seit 2014 hervor. „Wir dürfen dabei nicht einfach zuschauen“, so die Ministerin, die gleichzeitig versicherte, dass man „keinen Millimeter an Toleranz zulassen“ werde.