Asyl: Beratungsverträge mit NGOs gekündigt

Die Regierung macht Ernst: Die Verträge mit den NGOs zur Asylwerberberatung wurden mit Ende Februar gekündigt. Damit setzt Türkis-Grün um, was die ÖVP-FPÖ-Regierung geplant hatte: Mit 1. Jänner 2021 wird die im Einflussbereich des Innenministeriums stehende Bundesbetreuungsagentur (BBU) die Rechtsberatung in Asylverfahren übernehmen.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich heute zufrieden, Justizministerin Alma Zadic (Grüne) verwies auf die Weisungsfreiheit der Berater und des Leiters der Rechtsberatung. Kritik kam von der SPÖ, NEOS sowie NGOs, allen voran Diakonie und Volkshilfe.

Zadic verwies bei Amtsantritt auf Arbeitsübereinkommen

Gekündigt hat die Verträge Justizministerin Zadic – denn sie war, wie sie gleich zu Amtsantritt betonte, diesbezüglich an das Arbeitsübereinkommen gebunden. Die ÖVP war in den Verhandlungen nicht von diesem alten Vorhaben abgerückt, einziges Zugeständnis an die Grünen war die Etablierung eines Qualitätsbeirats zur Sicherstellung einer unabhängigen Rechtsberatung unter Einbeziehung unter anderem von UNHCR und Volksanwaltschaft.

Gekündigt werden mussten die Verträge schon jetzt, weil die Kündigungsfrist zehn Monate beträgt. Das auch nur, weil Clemens Jabloner, der Justizminister der Beamtenregierung, die Verträge im Vorjahr nicht auflösen wollte – und eine kürzere Verhandlungsfrist ausgehandelt hatte. Damit konnte er diese Entscheidung der neuen Regierung überlassen.

„Grundrechtskonforme, qualitätsvolle Rechtsberatung“

„Für mich war es das Wichtigste, die im Vorfeld geäußerte Kritik ernst zu nehmen und daher im Rahmen des bereits bestehenden Gesetzes die Unabhängigkeit und inhaltliche Weisungsfreiheit der Rechtsberater von der BBU-Geschäftsführung sicherzustellen“, so Zadic. Man habe die im Vorfeld geäußerte Kritik ernst genommen, hieß es aus dem Ministerium.

Nehammer freute sich, dass ein „wichtiger Bereich des Regierungsübereinkommens im offenen und konstruktiven Dialog gemeinsam umgesetzt“ werde. Er versicherte, dass die BBU eine „grundrechtskonforme, qualitätsvolle und stringente Rechtsberatung“ umfassend gewährleisten werde.

Kritik von Diakonie und Volkshilfe

„Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren wird mit Ende dieses Jahres Geschichte sein“, konstatierte dagegen Diakonie-Österreich-Direktorin Maria Katharina Moser anlässlich der Kündigung der Verträge. Die Diakonie sammelt ab sofort Spenden, um ihre Rechtsberatung zumindest zum Teil fortsetzen zu können. 100.000 Euro pro Jahr brauche man, sagte Mediensprecherin Roberta Rastl-Kircher der APA

Auch die neue Regierung habe die einhelligen Warnungen vor der Aushöhlung des Rechtsstaates „in den Wind geschlagen“, kritisierte Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe. Diese führt in Kooperation mit der Diakonie „noch“ die Rechtsberatung durch.

Audio dazu in oe1.ORF.at

Die von 40 NGOs getragene Kampagne „#fairlassen“ sammelt indes Unterschriften für eine Petition gegen die Verstaatlichung der Rechtsberatung bzw. für die Aufhebung des betreffenden Gesetzes. 11.320 Menschen haben laut Homepage schon unterschrieben, die Asylkoordination hofft auf 12.000.

Scharfe Kritik von SPÖ und NEOS

Scharfe Kritik an der Vorgehensweise der Regierung übte SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz. „Die Kündigung ist eine weitere Aushöhlung des Rechtsstaates auf Kosten von schutzbedürftigen Menschen“, so Yilmaz.

Klar ablehnend auf die Pläne reagierte die NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper. „Mit diesem Projekt setzt Türkis-Grün um, was Türkis-Blau beschlossen hat, und unterwandert das Recht auf unabhängige Rechtsberatung. Denn trotz gegenteiliger Beteuerungen wird eine unabhängige Rechtsberatung unter den geänderten Bedingungen sehr erschwert, wenn nicht gar unmöglich.“