Mann vor dem Eingang einer Niederlassung der  Shincheonji-Sekte
APA/AFP/Jung Yeon-Je
Coronavirus

Sektenführer in Südkorea droht Mordanklage

Dem Anführer der religiösen Sekte in Südkorea, die wesentlich für den Ausbruch der Coronavirus-Epidemie im Land verantwortlich ist, droht nun eine Mordanklage. Er soll sich weigern, Namen von Sektenmitgliedern bekanntzugeben – und das, während die Behörden intensiv versuchen, die rasante Ausbreitung des Virus im Land einzudämmen.

Die Hauptstadt Seoul will, dass die Staatsanwaltschaft Lee Man Hee, den Gründer der Shincheonji-Kirche, und elf weitere führende Kirchenvertreter anklagt, berichtete die BBC am Sonntag. Ihnen wird vorgeworfen, die Namen einiger ihrer Mitglieder geheim zu halten. Damit wird es den südkoreanischen Gesundheitsbehörden, die sich mit dem Coronavirus ohnehin einen Wettlauf gegen die Zeit liefern, verunmöglicht, rasch die Kontaktkette aller Patientinnen und Patienten zu rekonstruieren.

Die Stadtverwaltung von Seoul reichte eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft ein. Darin wird Lee und den elf weiteren Sektenvertretern Mord und Verstoß gegen das Epidemiegesetz vorgeworfen. Laut BBC spiegelt das die wachsende Empörung in der Öffentlichkeit über das Verhalten der christlichen Sekte wider, deren Anführer sich für den Messias hält.

Testergebnis für Sektenführer steht aus

Die südkoreanischen Behörden gehen davon aus, dass fast 60 Prozent aller Virusfälle in Verbindung mit Shincheonji stehen. Fast 95 Prozent von 239.000 erfassten Anhängern, darunter auch Sektenführer Lee Man Hee, seien getestet worden, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Das Testergebnis für Lee war zunächst nicht bekannt. Die Behörden rechnen infolge der Tests bei den Sektenanhängern auch für die nächsten Tage mit einem weiter sprunghaften Anstieg bei den Fallzahlen.

Am stärksten betroffenes Land nach China

In Südkorea steigt die Zahl der nachgewiesenen Infektionen nach wie vor. Bisher wurden mehr als 4.200 Menschen positiv auf das Virus getestet – so viele wie nirgendwo sonst außerhalb Chinas. Mit dem Virus werden in Südkorea bisher 22 Todesfälle in Verbindung gebracht. Die Mehrzahl der neuen Fälle konzentrierte sich weiter auf die südöstliche Millionenstadt Daegu und die umliegende Region. Allein 469 der neuen Infektionen wurden in Daegu diagnostiziert. Dort gibt es die größte Anhäufung von Fällen unter Anhängern der christlichen Sekte Shincheonji-Kirche, die auch Verbindungen nach China hat.

Die religiöse Bewegung wurde in den 1980er Jahren von Lee Man Hee gegründet und hat mehrere zehntausend Anhänger. Der Religionsführer sieht sich als ausgewählter Bote der Endzeit. Ein ehemaliges Mitglied, das weiter Kontakt zu Angehörigen der Kirche hat, sagte gegenüber CNN, die Mitglieder seien auch nach Auftreten des Coronovirus stundenlang auf engstem Raum bei Gottesdiensten gewesen. Dabei sei es ihnen auch verboten gewesen, Mundschutz zu tragen. Das sei respektlos gegenüber Gott, hieß es.

Höchste Alarmstufe ausgerufen

Südkorea rief unterdessen am Sonntag angesichts der rasanten Ausbreitung der Seuche die höchste Alarmstufe aus. Die Regierung werde alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die Epidemie einzudämmen, teilte Präsident Moon Jae In am Sonntag mit.