Außenminister Alexander Schallenberg, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Roland Schlager
EU-Außengrenze

Regierung sichert Griechenland Hilfe zu

Die ÖVP-Grünen-Regierung hat am Dienstag die jüngsten Entwicklungen an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei besprochen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verurteilten den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der Flüchtlinge für seine Zwecke missbrauche. Österreich will Griechenland beim Grenzschutz unterstützen und Menschen in Syrien helfen.

Die Regierungsspitze kündigte „volle Unterstützung“ für Griechenland an. Kurz sprach von einem finanziellen Beitrag und von einem „Beitrag mit Polizisten und Polizistinnen“ für den Grenzschutz. Man sei zudem in Kontakt mit den Westbalkan-Staaten, falls die Grenze zu Griechenland „durchbrochen“ wird. Außerdem sollen drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für Menschen in Syrien, auch jene in der stark umkämpfen Stadt Idlib, bereitgestellt werden. Das ist laut Kurz die größte Ausschüttung für ein Land seit Bestehen des Fonds. Die Hilfe soll über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz laufen.

An der Arbeitssitzung zur aktuellen Situation an der Außengrenze der EU nahmen neben Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg teil. Schallenberg reist am Dienstag nach Griechenland und trifft die für den Grenzschutz zuständigen Minister.

Kurz: Druck auf Erdogan ausüben

Der türkische Präsident Erdogan hatte am Wochenende die Grenzen zur EU für Flüchtlinge öffnen lassen. Er begründete das damit, dass die Europäische Union ihre Verpflichtungen aus dem Flüchtlingspakt mit der Türkei von 2016 nicht einhalte. Seither versuchten Tausende Flüchtlinge, über die türkisch-griechische Grenze in die EU zu gelangen. Griechische Grenzschützer hielten am Wochenende etwa 10.000 Menschen vom Grenzübertritt ab. Am Montag drohte Erdogan, die Grenzen blieben offen. Es sei nun an der EU, ihren „Teil der Last“ in der Flüchtlingskrise zu tragen.

Pressekonferenz von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Roland Schlager
An der Pressekonferenz nach der Arbeitssitzung nahmen Vizekanzler Kogler, Bundeskanzler Kurz und Innenminister Nehammer teil

Sowohl Kurz als auch Kogler machten Erdogan für die aktuelle Lage an der EU-Außengrenze verantwortlich. Laut Kurz gab es vor einer Woche nämlich noch „keine humanitäre Krise in der Türkei“. Seit dem Wochenende erlebe man aber eine „massive Zuspitzung an der Grenze zu Griechenland“, so der Bundeskanzler. Das deute darauf hin, dass der „Ansturm von Migranten ganz gezielt“ stattfinde. „Dieser Ansturm ist kein Zufall, er ist organisiert“, sagte Kurz.

Wenn man nun den Druck von Erdogan nachgäbe, würden „Hunderttausende“ nachkommen, ein „Europa ohne Grenzen“ wäre dann Geschichte, sagte Kurz weiter. „Es braucht gemeinsam Druck auf die Türkei, dass Präsident Erdogan dieses menschenunwürdige Verhalten ändert und Migranten nicht missbraucht.“ Österreich werde sich „massiv“ hinter Griechenland stellen und in der EU fordern, dass man gegen Erdogen „vorgeht“.

Kogler: „Menschlichkeit und Ordnung“

Vizekanzler Kogler pochte auf „Menschlichkeit und Ordnung“. Es sei eine „massive Provokation“, dass man auf dem Rücken der Menschen Politik mache. „Erdogan missbraucht Menschen“, so Kogler. Aber als Europäische Union habe man die Verantwortung, dass der Flüchtlingspakt mit der Türkei verlängert wird. Man dürfe sich nicht erpressen lassen, gleichzeitig müsse man die Situation in der Türkei für Flüchtlinge verbessern – „aus grüner Sicht danach trachten, dass an der Stabilität in der Türkei was getan wird“, sagte der Vizekanzler.

Grafik zu Flüchtlingen an der EU-Außengrenze
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: IOM

Der Vorstoß Koglers zur Aufnahme von Frauen und Kindern aus überfüllten Flüchtlingsquartieren auf griechischen Inseln ist wieder vom Tisch. Kogler bezeichnete diesen Vorschlag bei der Pressekonferenz als private Meinung: In der Regierung sei man eben „nicht so weit“. Innenminister Nehammer hatte den Vorschlag Koglers schon zuvor zurückgewiesen. „Wir haben nicht vereinbart, dass wir Frauen oder Kinder zusätzlich nach Österreich holen“, so der ÖVP-Politiker am Montagabend.

Pressekonferenz zur aktuellen Flüchtlingssituation

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) haben über die aktuelle Situation in Griechenland, der Türkei und Syrien informiert.

Am Dienstag sagte Nehammer, dass Österreich noch von der Krise 2015 belastet sei. Österreich trage eine große Verantwortung und dürfe nicht „überbelastet“ werden. Der Innenminister sagte, dass die Zusammenarbeit mit den EU-Partnern funktioniere. Falls es zu einem „Durchbruch“ an der griechischen Grenze komme, werde der Grenzschutz in den West- und Ostbalkan-Ländern gesichert. Für den nationalen Grenzschutz würden alle notwendigen Maßnahmen getroffen, so Nehammer. Man habe aus 2015 gelernt.

UNHCR: Nicht mit 2015 vergleichbar

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) Deutschland hält die Lage an der türkisch-griechischen Grenze für nicht vergleichbar mit der Flüchtlingskrise vor fünf Jahren. Die Lage sei angespannt, aber kein Notstand für Europa, sagte der Sprecher des UNHCR in Deutschland, Martin Rentsch, dem Sender NDR Info. Lösungen für die Situation in Griechenland gebe es, fügte er hinzu. Diese müssten nun umgesetzt werden. Dazu seien „vor allem Dialog und Kooperation nötig und nicht Abschottung und Alleingänge“, sagte Rentsch.

Gewalt gegen schutzsuchende Menschen könne nicht Europas Antwort sein. „Wichtig ist erst einmal die unmittelbare humanitäre Hilfe, und dann muss es eine Möglichkeit geben, die griechisch-türkische Grenze zu managen“, sagte Rentsch. Es müsse weiterhin möglich sein, die Asylgesuche der Menschen zu überprüfen. „Das ist geltendes Recht – und dazu brauchen Griechenland und die Türkei Unterstützung.“ Als Ursache für die Lage sieht Rentsch vor allem die seit Jahren bestehende Uneinigkeit innerhalb der EU. Nicht die Flüchtlinge seien die Krise, sondern die fehlende Antwort der EU auf solche Situationen.

SPÖ für UNO-Unterstützung, FPÖ fordert Grenzübung

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verlangte angesichts der aktuellen Lage in Syrien und in der Türkei sowohl von der Bundesregierung als auch von der EU rasches Handeln. Abgesehen von Soforthilfe brauche es auch ein Gesamtkonzept und dazu eine starke einheitliche europäische Linie. Wichtig seien die Etablierung eines funktionierenden Außengrenzschutzes sowie einheitliche EU-Asylverfahren. Um hier eine gemeinsame Linie zu finden, plädierte Rendi-Wagner einmal mehr für einen EU-Sondergipfel. Bei der humanitären Hilfe warb sie für eine UNO-Unterstützung.

Die FPÖ, die zuletzt gefordert hatte, an den Grenzen notfalls mit Wasserwerfern, Gummigeschoßen und Warnschüssen gegen Flüchtlinge vorzugehen, forderte am Dienstag Übungen von Polizei und Bundesheer, „um sicherzustellen, dass das System funktioniert“. „Das wäre zugleich auch ein Signal an die Balkan-Staaten, aber auch an die österreichische Bevölkerung, um zu zeigen, dass Österreich bereit ist, den Worten auch Taten folgen zu lassen“, so FPÖ-Klubchef Herbert Kickl in einer Aussendung. Unzufrieden ist er auch damit, dass Soldaten im Assistenzeinsatz keine selbstständigen Personenkontrollen und Fahrzeuganhaltungen durchführen dürfen.

Für ein „Relocation-Programm“ sprach sich einmal mehr NEOS aus. „Das System in Griechenland muss effizient und human aufgestellt werden und die Menschen aufs Festland gebracht werden“, forderte die NEOS-Sprecherin für Inneres und Migration, Stephanie Krisper. Würde die Europäische Union 5.000 Menschen aufnehmen, bedeute das für Österreich 105 Personen. „Die Regierung muss ihre Kampfrhetorik dringend zurückfahren und zu konstruktiven, europäischen Lösungen zurückkehren“, so Krisper.