Blick in das Lokal 7
ORF.at/Carina Kainz
VfGH gibt SPÖ und NEOS recht

„Ibiza“-U-Ausschuss in vollem Umfang

Der „Ibiza“-Untersuchungsausschuss kommt im vollen von SPÖ und NEOS verlangten Umfang. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden und Dienstagabend bekanntgegeben. Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats, in dem Teile des Verlangens mit der Mehrheit von ÖVP und Grünen für unzulässig erklärt worden waren, sei rechtswidrig, so der VfGH.

Der Geschäftsordnungsausschuss könne die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit zwar feststellen, den im Verlangen bezeichneten Untersuchungsgegenstand aber nicht ändern (außer wenn alle stimmberechtigten Ausschussmitglieder zustimmen), heißt es seitens des Höchstgerichts.

Im vorliegenden Fall habe der Geschäftsordnungsausschuss das verfolgte politische Anliegen selbst gewichtet und den Gegenstand dieses Untersuchungsausschusses eigenständig gestaltet, was gegen die Verfassung verstoße, wenn es gegen den Willen der Minderheit erfolge.

Breite Themenpalette für U-Ausschuss möglich

Gemäß VfGH habe das Erkenntnis zur Folge, dass der U-Ausschuss im Umfang des ursprünglichen Verlangens von SPÖ und NEOS als eingesetzt gelte, hieß es in einer Aussendung des Gerichtshofs. Nicht nur der Komplex um Casinos, Glücksspiel und ÖBIB/ÖBAG kann damit von den Abgeordneten untersucht werden, sondern auch die „Ibiza“-Ermittlungen, der Großteil der Gesetzesbeschlüsse der ÖVP-FPÖ-Regierung, die Organbestellungen in Unternehmen mit Bundesbeteiligungen oder die Neustrukturierung der FMA.

„Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates vom 22. Jänner 2020, mit dem das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ‚betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)‘ für teilweise unzulässig erklärt wird, ist rechtswidrig“, heißt es wörtlich in der mit 3. März datierten Entscheidung des VfGH.

Rechtsgutachten nicht anerkannt

ÖVP und Grüne hatten argumentiert, dass es beim U-Ausschuss um einen „bestimmten abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“ gehen müsse. Zudem sei die „Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche“ unzulässig. Die ÖVP hatte in dieser Sache auch ein Rechtsgutachten des Grazer Unijuristen Christoph Bezemek eingeholt. All das wurde vom VfGH aber nicht anerkannt.

VfGH hat entschieden: „Ibiza“-U-Ausschuss kommt in vollem Umfang

Der „Ibiza“-Untersuchungsausschuss kommt im vollen von SPÖ und NEOS verlangten Umfang. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden und Dienstagabend bekanntgegeben.

SPÖ und NEOS hatten das Vorgehen der Regierungsfraktionen als Blockade gewertet, den Grünen wurde seitens der Oppositionsfraktionen Mittäterschaft am ÖVP-„Machtrausch“ unterstellt. Die Grünen sprachen hingegen von einer notwendigen Klärung durch das Höchstgericht. Vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt bekamen sie Rückendeckung, Verfassungsrechtsfachleute gaben der Beschwerde hingegen von Anfang an gute Chancen.

SPÖ und NEOS jubeln

Höchst erfreut haben SPÖ und NEOS am Dienstagabend auf das Erkenntnis des VfGH reagiert, das den von ihnen verlangten „Ibiza“-U-Ausschuss im vollen Umfang zulässt. „Die schwarz-grüne Regierung wollte den ‚Ibiza‘-Skandal zudecken. Dieses Vorgehen war nicht nur politisch inakzeptabel, sondern auch verfassungswidrig“, erklärte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner: „Der VfGH hat die Regierung in die Schranken gewiesen. Heute ist ein guter Tag für die Demokratie, für Transparenz und Kontrolle und für den Anstand in der Politik. Die Aufklärung kann beginnen.“

Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, sah ebenfalls einen Erfolg auf ganzer Linie: „Wie zu erwarten war, hat der VfGH im Sinne der Aufklärung entschieden und den schwarz-grünen Vertuschungsversuch für nicht rechtmäßig erklärt. Die Aufklärung des ‚Ibiza‘-Skandals kann endlich beginnen. Wir haben ab heute 14 Monate Zeit dafür. Von ÖVP und Grünen erwarten wir uns jetzt volle Kooperation bei der Aufklärung und nicht weitere Blockaden.“

Nun könne man „den unsäglichen Postenschacher und möglichen Gesetzeskauf und andere Machenschaften unter der Regierung Kurz I“ vollumfänglich untersuchen und aufklären, sagte Stephanie Krisper, die die NEOS im U-Ausschuss repräsentiert. Aus ihrer Sicht wollten ÖVP und Grüne der Volkspartei und ihr nahestehenden Personen „die Mauer machen“. Es sei „gut, dass das missglückt ist“.

FPÖ sieht „Sieg für Demokratie und Aufklärung“

FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker sprach in einer Aussendung von einem „Sieg für Demokratie und Aufklärung“. Die Blockadepolitik von ÖVP und Grünen habe ein Ende gefunden. Die parlamentarischen Untersuchungen würden nun in vollem Umfang aufgenommen.

ÖVP: „Entscheidung des VfGH zu akzeptieren“

Der ÖVP-Fraktionsvorsitzende im beginnenden „Ibiza“-U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, bezeichnete die Entscheidung des VfGH als „wichtig, um vor dem Beginn Rechtssicherheit herzustellen“. „Die Entscheidung des VfGH ist zu akzeptieren, und wir starten mit der ursprünglichen Fassung des Verlangens in die Aufklärungsarbeit“, so Gerstl. Wichtig werde es sein, dass der „Ibiza“-U-Ausschuss sich nicht in der Fülle der Untersuchungsgegenstände zerfranst und dann am Ende keine konkreten Ergebnisse liefern kann.

Grüne: „Können gut damit leben“

„Wir nehmen das zur Kenntnis, können übrigens gut damit leben“, sagte die grüne Ausschussfraktionschefin Nina Tomaselli der APA. Für Tomaselli lautet das Motto nun „Augen nach vorne“. Man wolle zeigen, dass Kontrolle und Aufklärung in der Bundesregierung angekommen seien. Die Entscheidung des Höchstgerichts nehme man zur Kenntnis, so Tomaselli. Sie wies darauf hin, dass der VfGH gar nicht auf die inhaltlichen Punkte eingegangen sei.

Dass die Grünen mit ihrer Vorgangsweise Aufklärung behindert und dem Koalitionspartner ÖVP die Mauer gemacht hätten, wie SPÖ und NEOS meinen, wies sie zurück. „Ganz im Gegenteil: Was mit uns Grünen überhaupt nicht geht, ist irgendeine Art der Selbstbedienungsmentalität.“ Man werde sich in gewohnt konstruktiver Weise der Aufklärung widmen. Am Ende müssten die Verantwortlichen für mögliche Missstände zur Verantwortung gezogen werden. Der U-Ausschuss müsse in der Casino- und „Ibiza“-Causa „liefern“.