Zwei Frauen in einem Büro begrüßen sich mit Kuss auf die Wange
Getty Images/Corbis/vcg
Bussi baba

Coronavirus wirbelt Rituale durcheinander

Mit dem Coronavirus enden traditionelle Begrüßungsrituale, und die Etikette ändert sich – zumindest vorübergehend. Einige Länder, darunter Italien, die Schweiz und Frankreich, raten nun offiziell davon ab, einander mit Handschlag zu begrüßen. Frankreich und Italien gehen noch einen Schritt weiter: Bis auf Weiteres solle das traditionelle Begrüßungsbussi (frz.: la bise, ital.: il bacio) unterlassen werden.

In Frankreich zählen die Wangenbussis zur Begrüßung – je nach Region zwischen zwei- und viermal – zum Kulturgut. „Frankreich ohne Küsse ist nicht mehr wirklich Frankreich“, titelte etwa der französische Komiker Tanguy Pastureau seine launige Abhandlung im französischen Radionetzwerk France Inter über mögliche Folgen des Bussistopps. Ein Meter Abstand, keine Küsse, keine Umarmungen, kein Händeschütteln – das empfiehlt nun auch die italienische Regierung. Der Zeitung „La Repubblica“ war das am Mittwoch die Schlagzeile auf der Titelseite wert.

Die Coronavirus-Etikette ist gewöhnungsbedürftig. Diese Erfahrung machte auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Als sie am Montag ihren Innenminister Horst Seehofer (CSU) per Handschlag begrüßen wollte, winkte dieser ab. Beide lachten über die Situation, die Hände der beiden berührten sich aber nicht.

Seehofer winkt bei Handschlag mit Merkel ab

Als Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit Vertretern von Migrantenverbänden in Berlin am Montag mit ausgestreckter Hand auf Innenminister Horst Seehofer (CSU) zukam, hob dieser seine Hände und verweigerte das Händeschütteln.

Verzicht auf kollegiale Umarmungen

In Österreich gibt es noch keine direkte Empfehlung des Gesundheitsministeriums, das Händeschütteln zu unterlassen. Häufiges Händewaschen und ein Abstand von mindestens einem Meter zwischen sich und Personen, die husten und niesen, zählt aber zu den vom Gesundheitsministerium vorgestellten Schutzmaßnahmen. Die Stadt Wien bittet darüber hinaus, insbesondere bei Besuch öffentlicher Einrichtungen das „Händeschütteln in Zeiten der Infektionsgefahr zu unterlassen“.

Auch der Arbeitsalltag verändert sich mit der Ausbreitung des Virus. Als eines der ersten Unternehmen in Österreich preschte vergangene Woche die Erste Group voran. Der Bankkonzern gab seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im täglichen Umgang miteinander und bei der Begrüßung von Gästen die Devise aus: „No hugs, no shakehands“ („keine Umarmungen, kein Händeschütteln“). Zudem sollten die Mitarbeiter ihre Laptops mit nach Hause zu nehmen, um bei Bedarf auch von dort arbeiten zu können.

Weniger Reisen, mehr Video- und Skype-Konferenzen sowie Homeoffice sind bei zahlreichen Unternehmen in Österreich wie international die wichtigsten Strategien, um sich gegen das Coronavirus zu wappnen. Wo das nicht möglich ist, gibt es klare Handlungsanweisungen – etwa für das richtige Händewaschen und das hygienische Husten in ein Einweghandtuch oder zumindest in die Ellenbeuge. Auf dem Frankfurter Flughafen werden Handzettel mit diesen Verhaltensregeln verteilt. Auch auf Schildern ist zu sehen, dass man besser auf Händeschütteln verzichten sollte.

Verbeugen statt schütteln

In China werden die Menschen auf großen Plakatwänden aufgefordert, einander nicht die Hand zu geben. Als Alternative wird empfohlen, zur Begrüßung die Handflächen vor der Brust zusammenzulegen. Per Lautsprecher wird zur Gong-shou-Geste geraten, bei der eine Faust in die Handfläche gelegt wird. In vielen Teilen Asiens ist ohnehin das Verbeugen und Zunicken weiter verbreitet als die westliche Tradition des Händeschüttelns.

Washington Gouverneur Jay Inslee gibt einem Verkäufer einen „elbow bump“ als Begrüßung
AP/Ted S. Warren
Grüßen in Zeiten des Coronavirus: US-Gouverneur Inslee (r.) probiert den Ellbogengruß mit einem Marktverkäufer

In Thailand wird auch ohne Berührung gegrüßt. Hier werden die Hände vor der Brust gefaltet, die Ellbogen bleiben am Körper. Eine Begrüßung ebenfalls ohne Kontakt wäre der traditionelle Gruß tibetischer Mönche – Zunge raus und Hände vor der Brust falten.

Die Ureinwohner und Ureinwohnerinnen in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington wollen auf den traditionellen Nasengruß verzichten, den Hongi. Das Ganze sei kein Verbot, aber eine Sache des gesunden Menschenverstands, machte Stammeschef Kura Moeahu am Donnerstag im Sender Radio New Zealand deutlich. Bei den Maori werden die Nasen aneinandergedrückt, damit man den Lebensatem des Gegenübers spürt.

„Nicht jeden küssen“

Um wie empfohlen Körperkontakt zu vermeiden und trotzdem seinem Gegenüber Respekt zu zollen, wurden einige darüber hinaus erfinderisch. Über Soziale Netzwerke bekannt wurde der „Wuhan Shake“. Dabei werden die beiden Fußinnenseiten des Gegenübers kurz hintereinander berührt. Andere berühren einander mit den Ellbogen („Elbow Bump“), wie es der Gouverneur des US-Bundesstaats Washington, Jay Inslee, öffentlichkeitswirksam auf einem Fischmarkt in Seattle ausprobierte.

Auch in Australien ist das Coronavirus angekommen. Beim Vermeiden von Körperkontakt ist man dort weniger streng. Der Gesundheitsminister des Bundesstaates New South Wales, Brad Hazzard, rief dazu auf, „einander auf den Rücken zu klopfen, statt die Hand zu geben“. Völlig vom Bussi abraten wolle er nicht: „Es geht darum, nicht jeden zu küssen.“