Eine Frau in Schutzkleidung und mit Schutzmaske schiebt eine Krankentrage
Reuters/David Ryder
Lücken im System

USA improvisieren in Umgang mit CoV

Mit der steigenden Zahl an Coronavirus-Infektionen in den USA zeigt sich, wie schlecht das US-amerikanische Gesundheitssystem auf eine Epidemie vorbereitet ist. Bisher gibt es bei über 200 bekannten Infektionen insgesamt zwölf Todesfälle.

Besonders betroffen sind die US-Bundesstaaten Washington und Kalifornien. Der westliche US-Bundesstaat erklärte Mittwochnachmittag (Ortszeit) den Notstand, um dadurch im Ernstfall rascher Gelder und andere Hilfsmittel mobilisieren zu können. In Washington starben bisher elf Menschen an den Folgen des Virus. Das Weiße Haus gestand indes ein, dass es zu wenige Tests für die USA gebe, berichtete die BBC.

Vor der Küste Kaliforniens sitzt derzeit das Kreuzfahrtschiff „Grand Princess“ mit Tausenden Passagieren und Passagierinnen fest, weil einige Gäste wie Besatzungsmitglieder Krankheitssymptome gezeigt hätten, hieß es vom kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom. Ein 71-jähriger Passagier der „Grand Princess“ starb am Mittwoch an der durch das Virus ausgelösten Atemwegserkrankung Covid-19.

Hubschrauber über Kreuzfahrtschiff
AP/California National Guard
Soldaten brachten Tests zum Nachweis des Coronavirus auf das vor Kalifornien liegende Kreuzfahrtschiff

Tests per Helikopter

US-Soldaten brachten per Helikopter Coronavirus-Tests an Bord der „Grand Princess“. Mitglieder der Nationalgarde seilten sich Medienberichten zufolge von einem Hubschrauber ab, um das Material zu bringen. Danach wurden die Proben in ein Labor geflogen. Etwa 45 der rund 3.500 Menschen an Bord seien getestet worden, berichtete der „San Francisco Chronicle“. Für Freitag werden die Ergebnisse erwartet. Das müsse abgewartet werden, bevor das Schiff wie geplant in San Francisco anlegen könne, sagte Newsom.

Kongress gibt Milliarden frei

Ein Nothilfegesetz passierte am Mittwoch den US-Kongress. Damit wurden Finanzmittel in Höhe von 8,3 Milliarden Dollar (7,47 Mrd. Euro) für die Entwicklung von Therapien und Impfstoffen, für präventive Maßnahmen und für Hilfe im Ausland freigegeben. Bisher versuchte US-Präsident Donald Trump das Virus herunterzuspielen. Vergangene Woche bezeichnete er es bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina als „neuen Hoax“ der Demokraten.

Das dementierte er später. Er habe nicht das Wort „Hoax“ verwendet, sondern habe zum Ausdruck bringen wollen, dass er glaube, dass die Demokraten den Ausbruch des Virus verwendeten, um ihm politisch zu schaden. Trump befindet sich im Wahlkampf für die US-Präsidentschaftswahl im November. Ein Einbruch der Wirtschaft, wie er derzeit von zahlreichen Ökonomen angesichts der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus erwartet wird, könnte für die Wahl entscheidend sein.

Schon jetzt ist das Coronavirus ein wichtiges Thema für Wähler und Wählerinnen, wie aus einer von Reuters veröffentlichten Umfrage des Edison Research Institute hervorgeht. Laut der Erhebung war das Coronavirus beim „Super Tuesday“ für drei von vier demokratischen Wählern und Wählerinnen ein entscheidender Faktor.

Geld für Notfallvorsorge seit 15 Jahren reduziert

Auch wenn die Zentren für Seuchenkontrolle (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) zuletzt entgegen anderslautender Berichterstattung weiterhin mit mehr Geldern ausgestattet wurden, wie die „Washington Post“ aufzeigte, gibt es bei der finanziellen Ausstattung für die Notfallvorsorge im US-Gesundheitssystem seit mehr als 15 Jahren einen stetigen Rückgang. So sei das Budget für zwei zentrale bundesweite Programme von 1,4 Mrd. Dollar 2003 auf 662 Mio. Euro heuer gesunken, sagte die Gesundheitsexpertin Crystal Watson. Die Kürzung dieser Programme habe seither jede Regierung vorgenommen.

Das US-Gesundheitssystem habe beträchtliche Lücken, um auf eine größere Epidemie reagieren zu können, analysierte die „Washington Post“. Das zwinge Spitäler und Ärzte, ihre Notfallpläne täglich neu zu adaptieren. Als einer der Schwachpunkte stellen sich offenbar die Unterkünfte für ältere Menschen in den USA dar mit insgesamt über einer Million oft gebrechlichen Bewohnern und Bewohnerinnen. Der Großteil der bisherigen Todesopfer in den USA ist auf ein Pflegeheim in Washington zurückzuführen. Nicht alle Institutionen sind auf eine Epidemie vorbereitet.

Schlecht auf Tests vorbereitet

Die Probleme zeigen sich laut „Washington Post“ aber auch in anderen medizinischen Einrichtungen. Während sich größere Krankenhäuser bereits seit Längerem auf einen Coronavirus-Ausbruch in den USA vorbereiten, sehen kleinere Spitäler vor allem in ländlichen Regionen dafür weniger Dringlichkeit. Es fehlten Tests, und die Labore, die diese auswerten könnten, seien Stunden entfernt. Dadurch könnten zahlreiche Spitäler nicht eindeutig bestimmen, ob ihre Patienten an der Grippe oder an Covid-19 erkrankt sind.

Ein Mitarbeiter der New Yorker Verkehrsbetriebe reinigt in einer U-Bahnstationi einen Mülleimer
APA/AFP/Getty Images/Yana Paskova
In New York wird nach mehreren nachgewiesenen CoV-Fällen verstärkt auch im öffentlichen Bereich desinfiziert.

Experten befürchten, dass sich die Krankheit schon länger in den USA unbemerkt ausbreitet. „Wenn man eine Reihe von Fällen identifiziert hat und diese eine Weile in der Bevölkerung vorlagen, dann wird man viel mehr Fälle sehen, als man vorhergesagt hat“, sagte Anthony Fauci, Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten bei den National Institutes of Health, gegenüber CNN.

Es mangle zudem an Beatmungsgeräten, Intensivstationen und an einer ausreichenden Zahl an Quarantänebetten, sollte es zu einem stärkeren Ausbruch des Virus kommen, schlagen Experten Alarm. Trotz Vorbereitungen gibt es Befürchtungen eines Mangels an Masken und Umhängen für das Gesundheitspersonal. „Wir haben schlicht keine Kapazität in den Spitälern und im Gesundheitssystem, um mit einem massiven Zustrom an Patienten umzugehen und diese isoliert zu halten“, sagte der Gesundheitsmanagementexperte Gerard Anderson an der Johns-Hopkins-Universität.

„Nicht genug Ersparnisse, um mich behandeln zu lassen“

Gesundheitsexperten wie der Epidemiologe Brand Brown von der Universität von Kalifornien in Riverside warnten vor einem erhöhten Epidemierisiko. Es gebe zwar gute Krankenhäuser und hervorragende Ärzte, doch ein immer größerer Teil der Bevölkerung, etwa 27,5 Millionen US-Bürger und -Bürgerinnen, hat derzeit keine Krankenversicherung. Entsprechend teuer ist ein Arztbesuch.

„Ich würde sicher zweimal nachdenken, bevor ich zum Arzt gehe, denn die Arztrechnungen sind irre hoch“, sagte etwa eine 22-jährige Amerikanerin gegenüber der AFP. „Wenn es wirklich so weit kommt, dann habe ich nicht genug Ersparnisse, um mich behandeln zu lassen.“ Laut Gesetz haben auch Unversicherte im Notfall ein Recht auf medizinische Versorgung. Das bedeutet aber nicht, dass sie im Nachhinein nicht doch dafür bezahlen müssen. Zudem gehen viele Menschen krank in die Arbeit – aus Angst, ihren Job zu verlieren. Zahlreiche Firmen zahlen acht Krankenstandstage pro Jahr. Im Niedriglohnsektor bedeutet Krankheit oft, gar kein Geld zu verdienen.

Krisenstab betet

An dem System wird auch Vizepräsident Mike Pence, der die Coronavirus-Taskforce leitet, wenig ändern können. Er sorgte allerdings für Debatten, als ein Foto veröffentlicht wurde, das den Krisenstab der US-Regierung mit Pence beim gemeinsamen Gebet zeigt. „Wir sind so aufgeschmissen“, twitterte etwa US-Autor Thomas Chatterton Williams – und löste damit eine Lawine an Reaktionen aus.

Unterstützung bekam Pence unter anderen vom evangelikalen Pastor Franklin Graham. Er bedankte sich bei Pence und allen anderen: „Lasst uns gemeinsam mit ihnen Gott um seine Weisheit, Führung und Hilfe bei der Reaktion auf dieses Virus bitten.“