Personenkontrolle am Bahnhof von Mailand
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Coronavirus in Italien

Strafen für Verlassen von Sperrzonen

Italien versucht die Ausbreitung des Coronavirus mittlerweile mit drastischen Maßnahmen zu bremsen. Wer ohne triftigen Grund Sperrzonen verlässt, riskiert Strafen und eine Festnahme. An Verkehrsknotenpunkten wurden die Kontrollen verstärkt. In Gefängnissen revoltierten Häftlinge, nachdem Besuche eingeschränkt wurden. Von Reisen nach Norditalien rät die Regierung in Rom ab.

Einwohnerinnen und Einwohnern der betroffenen Regionen drohten Strafen, sollten sie diese ungerechtfertigt verlassen, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte. Entsprechende Sperrzonen gibt es in der Lombardei und 15 anderen Provinzen im Norden des Landes. Ausnahmen seien nur bei wichtigen beruflichen und privaten Gründen sowie in gesundheitlichen Notfällen vorgesehen, hieß es am Montag.

„Wer sich an die Vorschriften nicht hält, verletzt Paragraf 650 des Strafgesetzbuches, der Missachtung von Behördenverordnungen ahndet. Sollte eine Person falsche Ausnahmen zum Ein- und Ausreiseverbot angeben, ist das strafrechtlich verfolgbar“, sagte der Premier im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“. Bei Verstoß gegen Paragraf 650 drohen drei Monate Haft oder eine Geldstrafe von bis zu 206 Euro, berichtete auch der Mailänder „Corriere della Sera“.

Verstärkte Kontrollen an Verkehrsknotenpunkten

Laut italienischen Medienberichten ordnete das Innenministerium in Rom verschärfte Kontrollen auf Busstationen, Bahnhöfen und Flughäfen an. Auch Straßen und Autobahnen werden verstärkt kontrolliert. Auf Bahnhöfen kann die Temperatur der Reisenden mit Thermoscannern kontrolliert werden. Italien ist inzwischen nach China das weltweit am stärksten von dem neuartigen Virus betroffene Land.

Straßensperre in Norditalien
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Verstärkte Kontrollen auf den Straßen

Die Zahl der Todesopfer stieg zuletzt auf mindestens 366, die Zahl der bestätigten Infektionen auf mindestens 7.375. Seit Sonntag sind ganze Regionen und Städte im Norden abgeriegelt, 16 Millionen Menschen sind betroffen. Beschränkungen gibt es auch in der Wirtschaftsmetropole Mailand und in Venedig. In ganz Italien gibt es vorübergehend keine öffentlichen Gottesdienste – mehr dazu in religion.ORF.at.

Zumindest mit Unannehmlichkeiten ist zu rechnen

Die Regierung in Rom rief Urlauberinnen und Urlauber, einheimische wie ausländische, auf, die Sperrzonen zu verlassen. In den betroffenen Regionen sollten Reisen aus touristischen Gründen unterlassen werden, hieß es am Sonntag in einem Schreiben des Verkehrsministeriums in Rom. Flughäfen und Bahnhöfe seien in Betrieb, Touristen könnten nach Hause zurückkehren. Urlauber in anderen Regionen des Landes wurden zu besonderer Vorsicht aufgerufen.

Von den Maßnahmen der italienischen Behörden seien etwa 4.000 Österreicherinnen und Österreicher betroffen, hieß es am Montag aus dem Außenministerium in Wien. In den Roten Zonen halten sich neben Touristen auch etliche Auslandsösterreicher auf, die ihren Lebensmittelpunkt nach Norditalien verlagert haben. Urlauber, die in ihre Heimat zurückkehren wollen, sollten damit vorerst keine Probleme haben. Im Moment habe man keine Informationen, „dass es Schwierigkeiten beim Rauskommen gibt“, so Ministeriumssprecher Peter Guschelbauer auf Anfrage der APA.

Wer in diesen Tagen Urlaubsreisen antritt, sollte sich dringend über die aktuelle Situation in der Feriendestination informieren, empfahl Guschelbauer mit Nachdruck. Das gelte im Speziellen für Kreuzfahrten, wo zuletzt Indien das Anlegen von Schiffen aus Sicherheitsgründen verboten hat. Man müsse – je nach Ferienziel – grundsätzlich damit rechnen, dass einen am Urlaubsort behördliche Maßnahmen oder sonstige Unannehmlichkeiten erwarten.

ÖBB-Personal fährt nur noch bis zur Grenze

Das Personal der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) fährt nur noch bis zur Grenze. „Dann wird der Zug an italienisches Personal übergeben“, hieß es am Montag. In den österreichischen Zielbahnhöfen werden die Züge dann professionell gereinigt und desinfiziert. Die ÖBB betonten, bei ihren Maßnahmen eng mit den Gesundheitsbehörden zusammenzuarbeiten.

Mobilversion: zweimal antippen, um zu zoomen

Die Nachtzugsverbindungen nach Oberitalien hatte das Unternehmen bereits eingestellt. Betroffen davon ist der ÖBB-Nightjet nach Mailand und jener nach Venedig. Die Tagesverbindungen nach Bologna, Udine, Triest, Verona und Venedig bleiben bis auf Weiteres aufrecht, da diese Züge auf italienischer Seite eben von italienischen Partnerbahnen geführt werden.

Revolten in Haftanstalten

Die Restriktionen in Norditalien waren zuletzt auch die Ursache für Revolten in mehreren Haftanstalten bzw. konkret Einschränkungen für den Besuch von Angehörigen dort. Bis Montag kam es zu teils gewalttätigen Protesten in 27 Haftanstalten, es wurden mehrere Todesfälle gemeldet. Das Militär wurde mit der Suche nach entflohenen Häftlingen beauftragt.

Angehörige der Insassen scharen sich um das Poggioreale Gefängnis in Neapel.
Reuters/Ciro De Luca
Vor einigen Gefängnissen versammelten sich Angehörige von Insassen, um die Maßnahmen in Italien zu kritisieren

Die besonderen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, sollen bis 3. April gelten, hatte es am Sonntag geheißen. Die Gesundheitsbehörden warnten davor, dass die medizinische Versorgung in der Region an ihre Grenzen stoßen könnte, insbesondere die Intensivversorgung. Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten des Gesundheitssystems könnten Patienten auch auf Krankenhäuser anderer Regionen verteilt werden, sagte die Regierung am Sonntag.

Personenkontrolle am Bahnhof von Mailand
AP/LaPresse/Claudio Furlan
Polizei und Militär kontrollieren auf dem Mailänder Bahnhof

Die Gesundheitsbehörden rechnen damit, dass bis 26. März etwa 18.000 Menschen in der Lombardei am Coronavirus erkrankt sein werden. Davon könnten bis zu 3.200 Personen eine Behandlung auf einer Intensivstation benötigen – dreimal mehr als derzeit. Das lombardische Gesundheitswesen, das zu den modernsten weltweit zähle, sei nicht mehr in der Lage, seine Qualitätsstandards zu garantieren.

Personal aus der Pension zurückgerufen

Wegen Personalknappheit wurden Mediziner aus der Pension zurückgerufen. Die italienische Regierung begann am Samstag landesweit, pensionierte Ärztinnen und Ärzte zu reaktivieren. Diese Maßnahme ist Teil eines neuen Notprogramms, das bei einer bis in die Nacht dauernden Krisensitzung des Kabinetts beschlossen wurde. Insgesamt sollen 20.000 neue Kräfte für das Gesundheitssystem eingestellt werden.

Grafik zu Coronavirus-Schutzmaßnahmen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Unsere dunkelste Stunde“

Regierungschef Conte verteidigte die drakonischen Maßnahmen seiner Regierung, an denen viel Kritik laut geworden war. „Das ist unsere dunkelste Stunde, doch wir werden es schaffen“, sagte er im Interview mit der „Repubblica"(Montag-Ausgabe). "Es ist schwierig, in der jetzigen Phase Prognosen zu machen. Wir stehen vor einem neuartigen Virus.“ Aber Italien sei „ein starkes Land“, sagte der parteilose Regierungschef.