„Schredder-Affäre“: Ermittler mit ÖVP-Verbindungen zuständig

Einer der Polizisten, der im Vorjahr in der inzwischen eingestellten „Schredder-Affäre“ ermittelte, war ÖVP-Kandidat bei einer Gemeinderatswahl in Niederösterreich. Das zeigen Protokolle aus der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), wie gestern Abend die ZIB2 berichtete.

Der Polizist kandidierte 2015 für die ÖVP Niederösterreich – und er habe bei den Ermittlungen rund um die fünf Festplatten aus dem Kanzleramt, die geschreddert wurden, „problematische Handlungen“ gesetzt, so die Staatsanwaltschaft.

ÖVP-naher Ermittler für Affäre zuständig

Der ZIB2 liegen Protokolle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vor, die aufzeigen, dass für die „Schredder-Affäre“ ein Ermittler mit ÖVP-Verbindungen zuständig war.

Konkret soll er nach dem Bekanntwerden des Schredderns von Festplatten aus dem Bundeskanzleramt das Handy des Beschuldigten zurückgegeben und auch dessen Laptop in der ÖVP-Zentrale nicht sichergestellt haben. Dem Verdacht, dass dort ein möglicher Auftraggeber dokumentiert sein könnte, sei damit nicht nachgegangen worden.

Im Bundeskanzleramt bestritt man laut ZIB2 jede Einmischung in die Ermittlungen. Dass der Beamte bei der Gemeinderatswahl 2015 für die ÖVP kandidierte, sei im Kanzleramt nicht bekannt gewesen.

ÖVP: „Suspekte“ Akteneinsicht von Medien

ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker sieht kein Problem darin, dass ein in der (inzwischen eingestellten) „Schredder-Affäre“ ermittelnder Polizist ÖVP-Kandidat bei einer Gemeinderatswahl in Niederösterreich war. Auch Ex-Justizminister Clemens Jabloner habe keine Befangenheit erkannt. Aber Steinacker fand es in diesem Fall „suspekt“, dass Medien Einsicht in interne Akten der WKStA bekamen.

Wie es zu Berichten auf Basis eines Vorhabensberichts der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft kam, will Steinacker nun mittels parlamentarischer Anfrage klären. Denn sie erachtet es laut Aussendung als „überaus seltsam, dass gerade jetzt, wo die WKStA in Diskussion steht, diese bereits abgeschlossenen Sachen hervorgekramt werden“. „In Diskussion“ kam die WKStA, nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz im Jänner die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwälte in einem Hintergrundgespräch attackiert hatte.

FPÖ: „Skandal erster Ordnung“

Für die FPÖ ist das ein „Skandal erster Ordnung“. Generalsekretär Michael Schnedlitz hielt der ÖVP in einer Aussendung vor, „bis in den letzten Winkel unserer Republik“ Einfluss nehmen zu wollen. Die Volkspartei schreddere „nicht nur Festplatten, sondern jegliche staatliche Kontrollinstanz“.

NEOS: Zweifel an Unabhängigkeit der Ermittler

NEOS sah sich in ihrem Zweifel an der Unabhängigkeit der „Soko Ibiza“-Ermittler bestätigt. In politisch brisanten Fällen dürfe bei den ermittelnden Beamten nicht einmal ein Hauch des Anscheins von Befangenheit bestehen – und „zumindest in diesem Fall handelt es sich eindeutig um weit mehr als bloß einen Anschein“, meinte Stephanie Krisper, NEOS-Fraktionsführerin im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss.

„Besonders auffällig“ ist für sie, dass der Polizist laut „ZiB 2“ von der ÖVP-Kandidatenlisten verschwunden sei, nachdem die WKStA in einem Informationsbericht auf den ÖVP-Hintergrund des Mannes aufmerksam gemacht habe. „Hier drängt sich auch der Verdacht auf, dass jemand aus dem Justiz- oder dem Innenministerium Ermittlungsergebnisse an die Volkspartei weitergegeben hat, um die ÖVP-Nähe des Polizisten zu vertuschen“, sagte Krisper.