Leere Schulklasse
ORF.at/Wolfgang Rieder
CoV-Maßnahmen

Vorbereitung auf Schulschließungen

Nachdem die Regierung am Dienstag starke Einschränkungen für das öffentliche Leben bekanntgegeben hat, sollen sich auch Schulen präventiv auf Schulschließungen vorbereiten. Das geht aus einem Schreiben an Schulleiterinnen und Schulleiter hervor, das der APA vorliegt.

In dem Schreiben wird außerdem empfohlen, dass Ausflüge, Reisen und Schulveranstaltungen ab sofort bis auf Weiteres ausgesetzt werden. Derzeit sei der bundesweite Schulbetrieb von einer flächendeckenden Schließung wie an den Hochschulen nicht betroffen, heißt es. Das derzeitige Prozedere mit anlassbezogenen Schulsperren habe sich bewährt.

„Wir alle hoffen, dass es zu weiteren Einschränkungen nicht kommen wird. Dennoch ist mein Ersuchen an Sie, dass wir in enger Abstimmung bleiben und uns auf Schulschließungen gemeinsam vorbereiten“, heißt es in dem von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann gezeichneten Dokument.

Kommunikation mit Schülern per Mail

Die Schulleiterinnen und -leiter werden ersucht, gemeinsam mit dem Lehrpersonal „in den kommenden Tagen Übungsmaterialien zur Festigung und Vertiefung des aktuell im Unterricht behandelten Lernstoffes für Schülerinnen und Schüler vorzubereiten, die Sie ihnen im Bedarfsfall mit nach Hause geben bzw. über digitale Kanäle zur Verfügung stellen können“. Schulen sollten Kommunikationskanäle mit Schülern und Eltern per Mail und Lernplattformen nutzen.

Schon am Vormittag stellte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Maßnahmen in Aussicht. „Es wird auch zu Maßnahmen an Schulen kommen“, so Kurz – zuerst gelte es aber, sich auf Auswirkungen bezüglich der Betreuungspflichten gut vorzubereiten. Deshalb werden Gespräche mit den Sozialpartnern aufgenommen. Es gehe nicht um „Showmaßnahmen“, man werde Schulen „nicht monatelang“ schließen können. Ähnlich argumentierte Kurz am Dienstagabend in einer ZIB Spezial. Ausschlaggebend und Entscheidungsgrundlage sei der weitere Verlauf der Infektionszahlen.

Bundeskanzler Kurz zu den Maßnahmen gegen das Coronavirus

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) spricht über die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

Der Zeitpunkt für Maßnahmen müsse daher „exakt definiert“ werden, so Kurz – es gehe darum, Schritte weder „zu früh noch zu spät“ zu machen, da Maßnahmen ja auch durchgehalten werden müssten. Bundesschulsprecherin Jennifer Uzodike von der ÖVP-nahen Schülerunion sagte, eine Verschiebung der Zentralmatura im Hinblick auf mögliche Schulschließungen wäre eine „anzudenkende Maßnahme“.

Laut Anschober gut vorbereitet

Gesundheitsminister Anschober begründete in der ZIB2 Dienstagabend noch einmal den Umfang der verhängten Maßnahmen. Es gehe darum, dass direkte Sozialkontakte „drastisch“ reduziert werden müssten. Wenn das zu 25 Prozent gelinge, dann könne es auch gelingen, das Ansteckungsrisiko zu halbieren. Das stünde „wirklich dafür“, sagte Anschober. Die 100-Personen-Regel (in einem Raum) gelte nicht nur für Veranstaltungen, sondern auch für Lokale.

Interview mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Die Grünen) erklärt die am Dienstag bekanntgegebenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

Der „Schritt“ – mögliche – Schulschließungen sei gut vorbereitet, versicherte der Gesundheitsminister. Hier sei der Zeitpunkt sehr sorgfältig zu wählen, da Schulen nicht für Monate geschlossen werden könnten. Es gehe außerdem um den Zeitpunkt mit dem besten Effekt auf die Eindämmung des Virus. Insgesamt werde man ein sehr gut durchdachtes Modell präsentieren, versprach Anschober.

Unis und FHs werden geschlossen

Auch der Lehrbetrieb wird stark eingeschränkt. Spätestens „ab kommendem Montag“ würden keine Lehrveranstaltungen an Universitäten und Fachhochschulen mehr abgehalten. Der Lehrbetrieb solle „soweit möglich“ online fortgesetzt werden, so Kurz. ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann präzisierte zu Mittag die Maßnahmen an den Universitäten. „Alles, was publikumsintensiv ist, wird zurückgefahren“, so Faßmann.

Lehrveranstaltungen sollen vor allem über „Distance-Learning“ stattfinden. Große Bibliotheksräume werden geschlossen, Sportveranstaltungen an den Universitätssportinstituten nicht stattfinden. Der Forschungsbetrieb wird dagegen weitergeführt. Die erst am Montag einsetzende Verpflichtung zur Einstellung von Präsenzlehrveranstaltungen an den Hochschulen begründete Faßmann mit nötigen Vorbereitungsmaßnahmen.

Starke Einschränkungen bei Veranstaltungen

Die Regierung kündigte auch Einschränkungen bei Veranstaltungen an. Ab Mittwoch werden per Erlass Outdoor-Veranstaltungen mit über 500 Teilnehmern und Indoor-Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmern bis Anfang April abgesagt. Der Erlass werde präzise formuliert, damit für jeden klar ist, was gemeint ist. Theater, Kinos, Konzerte werden davon betroffen sein. Restaurants zu schließen sei derzeit nicht angedacht. Die Epidemie habe sich in sehr starkem Tempo ausgebreitet, so Anschober. „Wir müssen für ein paar Monate unser Leben verändern“, sagte der Gesundheitsminister.

Für organisierte und angemeldete Veranstaltungen gebe es die Möglichkeit, die Genehmigung dafür nicht zu erteilen. Auch für das Parlament könnten die Maßnahmen Auswirkungen haben – die für kommende Woche anberaumte Budgetsitzung werde aber vorerst nicht abgesagt werden. Das sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Die Einschränkungen basieren auf zwei Paragrafen des Epidemiegesetzes. Einer davon bezieht sich auf Veranstaltungen, der andere auf Betriebsbeschränkungen oder Schließungen. Mittels eines Erlasses soll den Bezirksverwaltungsbehörden dargestellt werden, welche Aktivitäten zu untersagen sind.

Einreisestopp für Menschen aus Italien

Oberstes Ziel sei eine Verhinderung des Austauschs und damit das „Einschleppen der Krankheit in unsere Gesellschaft“, so Kurz im Hinblick auf die Situation in Italien. Es wird einen Einreisestopp für Menschen aus Italien geben – Ausnahmen gebe es nur mit ärztlichem Attest. Außerdem soll die Heimholung von Österreicherinnen und Österreichern organisiert werden – diese müssten jedoch zwei Wochen in Isolation, so Kurz. Auch der Passagierverkehr per Zug und Flugzeug nach Italien werde eingestellt, so Nehammer. Man sei in enger Abstimmung mit den Nachbarländern, um die Informationsgewinnung sicherzustellen, so der Innenminister.

Soziale Kontakte einschränken

Kurz bat auch darum, „das zu tun, was jeder ganz leicht beitragen kann“ – man solle das soziale Leben für einige Wochen reduzieren. Damit würde man für sich selbst und die Gesellschaft einen Beitrag leisten, so Kurz. Dabei sei vor allem der Schutz von älteren Menschen im Fokus.

„Je weniger soziale Kontakte es gibt, desto besser sind die Spitäler gerüstet“, so Kurz. Als Hauptüberträger nannte Kurz die Altersgruppe der 14- bis 30-Jährigen, weil sie viele soziale Kontakte habe. Deshalb sei es sinnvoll gewesen, bei dieser Altersgruppe anzusetzen, so Kurz im Hinblick auf die Schließung der Unis.

Kurz sagte, es sei klar gewesen, dass das Coronavirus „keinen Bogen um Österreich machen wird“. Nun gehe es darum, die Verbreitung so einzudämmen und zu verzögern, dass der Höhepunkt der Coronavirus-Epidemie „nicht gleichzeitig mit der Grippewelle, sondern erst danach stattfindet“. Anschober sagte unterdessen, dass der „Hoffnungsfaktor“ die aktuellen Zahlen aus China seien, wo es nur noch wenige Neuinfizierungen gebe. In Österreich gebe es nun zwei Möglichkeiten: „Entweder es entwickelt sich exponentiell so weiter, oder es gelingt uns eine Abdämpfung und eine Zeitverzögerung.“

„Öffis“ fahren, Gemeindeabriegelung wird „überprüft“

Gefragt, welche Auswirkungen die Maßnahmen auf den öffentlichen Verkehr haben werden, sagte Kurz, dass die Gesellschaft weiter funktionsfähig sein müsse. Der öffentliche Verkehr müsse Menschen transportieren können, die kein Auto haben – Kurz sagte, Menschen könnten aber etwa auf Ausflüge verzichten.

Auf die Frage, ob darüber nachgedacht wurde, nach dem Vorbild Italien ganze Ortschaften abzuriegeln, sagte Anschober: „Auch diese Maßnahme wird laufend überprüft.“ Derzeit sehe die Regierung aber keine Notwendigkeit. Wenn es in Richtung „40 bis 50 Fälle“ in einer Gemeinde gehe, sei man jedoch vorbereitet. Generell möchte Anschober keine Maßnahme endgültig ausschließen.

Grafik zu Coronavirus-Schutzmaßnahmen
Grafik: QuickHoney/ORF.at

Appell zu Homeoffice

Keine angeordneten Maßnahmen gebe es momentan zur Heimarbeit – Kurz bat jedoch Unternehmen, „den Mitarbeitern Teleworking zu gewähren“, zumindest dort, wo es „sinnvoll und machbar“ sei, so der Kanzler. Was die wirtschaftlichen Maßnahmen betreffe, so gehe es derzeit darum, all jenen Unternehmen, die sich in Liquiditätsschwierigkeiten befinden, Kreditgarantien zu gewähren. Auch das Modell der Kurzarbeit werde derzeit bereits in vielen Unternehmen umgesetzt. Menschen dürften in dieser „herausfordernden Phase“ nicht gekündigt werden, sagte Kurz.

Die Sozialpartner werden am Mittwoch über eine gemeinsame Linie beraten, wie in der Wirtschaft bei den erwarteten Schul- und Kindergartenschließungen hinsichtlich der arbeitenden Eltern vorgegangen werden soll.

Weitere Maßnahmen in Aussicht gestellt

Zum Schluss sagte Kurz: „Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen, dass wir weitere Maßnahmen setzen müssen.“ Ihm sei es ein Anliegen, „die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt“ zu setzen. Denn das, „was wir jetzt erleben“, könnte sich auch über Wochen oder Monate ziehen, die am Dienstag angekündigten Maßnahmen gelten vorerst für die kommenden Wochen, würden aber ständig evaluiert und gegebenenfalls auch – wenn nötig – erweitert.

SPÖ begrüßt Maßnahmen, FPÖ will Oppositionseinbindung

Die SPÖ begrüßte die von der Regierung verkündeten Maßnahmen. Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner sprach von einem „wichtigen und notwendigen Schritt". Der Schutz besonders gefährdeter Personengruppen, von chronisch kranken und älteren Menschen, muss unsere oberste Priorität haben“, so Rendi-Wagner. Die FPÖ forderte unterdessen eine Einbindung der Opposition bei der Erstellung der Maßnahmen. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl gehe es um „umfassende und ungefilterte Informationen“ und die Möglichkeit, Vorschläge einbringen zu können.