„Schredder-Affäre“ sorgt für neue Spannungen

Die „Schredder-Affäre“ sorgt – nachdem die Ermittlungen rechtskräftig eingestellt sind – für neue Spannungen zwischen der ÖVP und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Anlass waren Aktenveröffentlichungen in ZiB2 und APA, über die sich die ÖVP empörte, der „Schredder“-Mitarbeiter des Kanzlers brachte auch Strafanzeigen ein.

Laut den Berichten war einer der Polizisten, die in der „Schredder-Affäre“ ermittelten, ein Kandidat der ÖVP für eine Gemeinderatswahl in Niederösterreich. Dies sei der WKStA suspekt gewesen – habe er doch bei einer freiwilligen Nachschau das Handy des Beschuldigten nicht ausgewertet, sondern zurückgegeben und auch den Laptop nicht beschlagnahmt. Der Beschuldigte war jener Mitarbeiter von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ unter falschem Namen fünf Festplatten des Kanzleramtes zum Schreddern brachte.

Kurz-Mitarbeiter erstattete Anzeige

Auch ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker fand daran laut Aussendung etwas suspekt, allerdings nicht die mögliche Befangenheit des Ermittlers, sondern dass aus einem Vorhabensbericht der WKStA zitiert worden sei. „Überaus seltsam“ sei das, wo doch gerade jetzt die WKStA „in Diskussion steht“. „In Diskussion“ kam die WKStA, nachdem Bundeskanzler Kurz im Jänner die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwälte in einem Hintergrundgespräch attackiert hatte.

ÖVP-naher Ermittler für „Schredder-Affäre“ zuständig

Der ZIB2 liegen Protokolle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vor, die aufzeigen, dass für die „Schredder-Affäre“ ein Ermittler mit ÖVP-Verbindungen zuständig war.

Der ehemals beschuldigte Kurz-Mitarbeiter erstattete, wie die ÖVP mitteilte, Strafanzeige gegen Unbekannt. Es sei zumindest das Amtsgeheimnis verletzt, allenfalls auch Amtsmissbrauch gegeben. Denn der Vorhabensbericht der WKStA und das Besprechungsprotokoll, aus dem die ZiB2 zitiert habe, seien nur einem eingeschränkten Personenkreis – nämlich den befassten Mitarbeitern bei der WKStA, allenfalls auch der Staatsanwaltschaft und der Oberstaatsanwaltschaft Wien – zugänglich.

WKStA weist Vorwürfe zurück

Die WKStA wies, auch unter Hinweis auf den „Ibiza“-U-Ausschuss, den Vorwurf unerlaubter Weitergabe zurück. Sie hatte bereits per Aussendung deponiert, dass sie „zu keiner Zeit“ interne Berichte und Bestandteile von Ermittlungsakten an externe, nicht berechtigte Personen ohne gesetzliche Grundlage weitergegeben habe. Solche würden nur der Oberstaatsanwaltschaft Wien und dem Justizministerium vorgelegt. Und in diesem Fall habe man die Ermittlungsakten samt den internen „Tagebüchern“ angesichts der Verpflichtung zur Aktenübermittlung für den Untersuchungsausschuss an das Parlament übermittelt.

Eine Rolle spielte am Rande auch Clemens Jabloner, der Justizminister der Beamtenregierung. In dessen Amtszeit waren bei der WKStA Zweifel an Polizisten in der „SoKo Ibiza“ entstanden. Darüber wurde in einer Besprechung im Justizministerium auch geredet, bestätigte Jabloner der APA, was aus den Akten zitiert worden war. Er habe dort seine rechtliche Auffassung durchgesetzt, dass die reine Parteimitgliedschaft nicht bereits Befangenheit begründet. Aber er habe den WKStA-Vertretern gesagt, sie müssten sich, wenn es konkrete Vorwürfe gibt, an das für die Dienstaufsicht zuständige Innenministerium wenden.

Polizist auf eigenen Wunsch abgezogen

Er wolle, merkte der Übergangsjustizminister und frühere VwGH-Präsident auch an, „überhaupt nicht in das parteipolitische Geflecht hineinkommen“. Denn in ihrer Kritik an der Aktenveröffentlichung hatte ÖVP-Justizsprecherin Steinacker auch erklärt, dass „dieser Fall auch vom ehemaligen Justizminister Clemens Jabloner behandelt worden sei, der keine Befangenheit erkennen konnte“. Er habe damals nur eine „abstrakte rechtliche Erklärung“ abgegeben, sagte Jabloner, und die Erklärung des Innenministers zur Kenntnis genommen, dass die befassten Beamten in Ordnung seien.

Zur Verteidigung des Polizisten trat auch Bundeskriminalamtssprecher Vincenz Kriegs-Au an. Eine mögliche Befangenheit sei geprüft und festgestellt worden, dass keine Gründe dafür vorlagen, sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Die Ermittlungen seien in Absprache mit der WKStA erfolgt, und diese habe auch nicht die Sicherstellung von Handy oder Laptop angeordnet. Der betreffende „SoKo Ibiza“-Polizist sei Ende August 2018 auf eigenen Wunsch von den Ermittlungen abgezogen worden. Damals war allerdings auch gerade bekannt geworden, dass er Heinz-Christian Strache kurz nach dessen Rücktritt eine aufmunternde Kurznachricht geschickt hatte.

Scharfe Kritik der Opposition

Die Opposition übte geschlossen scharfe Kritik an der ÖVP: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sieht „schwarze Netzwerke ungeniert am Werk, die mit Zudecken und Planieren beschäftigt sind“. Die ÖVP versuche, „Justiz und Ermittlungsbehörden an die kurze schwarze Leine zu nehmen“. Ein „Skandal erster Ordnung“ liegt für FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz vor. Die Volkspartei wolle „bis in den letzten Winkel unserer Republik“ Einfluss nehmen.

NEOS sah sich in seinem Zweifel an der Unabhängigkeit der „SoKo Ibiza“-Ermittler bestätigt. Für Stephanie Krisper, Fraktionsführerin im „Ibiza-Untersuchungsausschuss“, war es „besonders auffällig“, dass der Polizist laut ZIB2 von der ÖVP-Kandidatenliste verschwunden sei, nachdem die WKStA auf den ÖVP-Hintergrund des Mannes aufmerksam gemacht habe.