Schulklasse
ORF.at/Carina Kainz
Coronavirus

Sozialpartner beraten zu Schulschließungen

Die Sozialpartner beraten derzeit über die Folgen für Arbeit und Wirtschaft durch das Coronavirus. Dazu soll Mittwochnachmittag auch ein Gipfel im Bundeskanzleramt stattfinden. Dabei wird u. a. eine gemeinsame Linie angestrebt, wie in der Wirtschaft bei erwarteten Schul- und Kindergartenschließungen hinsichtlich der arbeitenden Eltern vorgegangen werden soll.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte nach dem Ministerrat an, dass in den Bildungseinrichtungen des Landes auf die Situation reagiert werden muss: „Es wird auch in der Schule Maßnahmen geben müssen.“ Es sei auch hier notwendig, soziale Kontakte für einige Wochen zu reduzieren. Genaueres werde nach dem Gipfel mit den Sozialpartnern mitgeteilt. Kurz appellierte an die Bevölkerung, die ergriffenen Maßnahmen mitzutragen. Seine große Bitte sei: „Verharmlosen wir die Situation nicht.“

Derzeit sei die Lage in Österreich nicht mit jener in Italien zu vergleichen. Doch wenn man sich die Entwicklung der Fälle und die täglichen Steigerungen ansehe, sei der Verlauf in fast allen europäischen Ländern gleich. In Österreich werde man noch mindestens drei Wochen Grippe haben, und ein voller Ausbruch von Covid-19 solle nicht mit der Grippewelle zusammenfallen. Kurz will auch persönlich ein gutes Vorbild sein. Wiewohl er einen engen Kontakt mit seinen Eltern habe, werde man in den kommenden Wochen eher telefonieren, als einander zu treffen.

Faßmann: Aus Schulschließungen gemeinsam vorbereiten

Schulen sollen sich nun präventiv auf Schulschließungen vorbereiten. Das geht aus einem Schreiben an Schulleiterinnen und Schulleiter hervor, das der APA vorliegt, wie es am Dienstag hieß. „Wir alle hoffen, dass es zu weiteren Einschränkungen nicht kommen wird. Dennoch ist mein Ersuchen an Sie, dass wir in enger Abstimmung bleiben und uns auf Schulschließungen gemeinsam vorbereiten“, hieß es in dem von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann gezeichneten Dokument.

Grafik zu Coronavirus-Schutzmaßnahmen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Katzian fordert mehr Geld für Kurzarbeit

In dem Schreiben wird außerdem empfohlen, dass Ausflüge, Reisen und Schulveranstaltungen sofort und bis auf Weiteres ausgesetzt werden. Derzeit sei der bundesweite Schulbetrieb von einer flächendeckenden Schließung wie an den Hochschulen nicht betroffen. Das derzeitige Prozedere mit anlassbezogenen Schulsperren habe sich bewährt.

Die Schulleiterinnen und -leiter werden in der Mail von Faßmann ersucht, gemeinsam mit dem Lehrpersonal „in den kommenden Tagen Übungsmaterialien zur Festigung und Vertiefung des aktuell im Unterricht behandelten Lernstoffes für Schülerinnen und Schüler vorzubereiten, die Sie ihnen im Bedarfsfall mit nach Hause geben bzw. über digitale Kanäle zur Verfügung stellen können“. Schulen sollten Kommunikationskanäle mit Schülern und Eltern per Mail und Lernplattformen nutzen.

Auf dem Gipfel wird auch Arbeitsrechtliches besprochen. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus zu dämpfen, brauche das AMS mehr Geld. Das sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Die 20 Millionen Euro, die derzeit für Kurzarbeit budgetiert seien, seien jedenfalls deutlich zu wenig. Es brauche zusätzliche Mittel und nicht nur Umschichtungen, so Katzian. Er forderte, dass nicht nur Unternehmen und Arbeitgeber geschützt werden, sondern auch Arbeitnehmer – Audio dazu in oe1.ORF.at.

AK: Betreuungspflicht kein Entlassungsgrund

Arbeitsrechtliches betrifft auch die Schließung von Schulen. „Wir gehen auf jeden Fall davon aus, dass eine Dienstverhinderung gerechtfertigt ist, wenn ich meiner Betreuungspflicht nachkomme. Wenn ich zu Hause bleibe, um mein Kind zu betreuen, setze ich damit keinen Entlassungsgrund“, sagte AK-Arbeitsrechtsexperte Philipp Brokes am Dienstag zur APA.

Unabhängig davon sei der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung zu sehen. Derzeit sei es so, dass Arbeitnehmer in einem solchen Fall ohne Zweifel für eine Woche Anspruch auf ihr Gehalt haben. Eine Schulschließung werde aber wohl länger als eine Woche dauern. Die Regierung und die Sozialpartner seien gerade dabei, für diese Fälle eine Lösung zu finden.

Auch Sozialministerium sieht das so

Das Sozialministerium teilte auf seiner Homepage mit, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die gesamte Dauer der behördlich angeordneten Quarantäne bestehen soll – in diesem Fall gelte das wohl auch für die behördlich angeordnete Maßnahme, die zu einer Betreuungspflicht führt. „Wenn mein Kind deswegen zu Hause bleiben muss, habe ich für die Dauer der Betreuungspflicht einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung“, so der AK-Experte.

Eltern hätten die Pflicht, ihre Kinder zu betreuen oder dafür zu sorgen, dass sie durch geeignete Personen betreut werden. Arbeitnehmer hätten aber auch eine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber und sollten diese Arbeitsverhinderung so kurz wie möglich halten. Neben der Treuepflicht des Arbeitnehmers gibt es auch eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dass die Großeltern bzw. ältere Verwandte einspringen und sich um die Kinder kümmern, wenn Kindergarten oder Schule geschlossen sind, sei in der jetzigen Situation gerade nicht möglich, da gerade die Älteren besonders durch das Coronavirus gefährdet seien. Elternteile könnten sich aber in der Betreuung abwechseln, damit beide möglichst wenig ihrer Arbeitszeit versäumen, so der AK-Experte.

Elternvertreter: Großeltern fallen für Betreuung aus

Elternvertreter pochen darauf, dass in diesem Fall unbedingt die Kinderbetreuung sichergestellt sein muss. „Was nicht passieren darf, ist, dass einfach Schulen geschlossen werden und Eltern trotzdem arbeiten gehen müssen“, sagte der Sprecher des Wiener Landesverbands, Karl Dwulit, zur APA. Evelyn Kometter, Vorsitzende des Dachverbands der Elternvereine an Pflichtschulen, appellierte in diesem Zusammenhang an die Arbeitgeber. „Hier muss die Wirtschaft wirklich mitziehen.“

Ihr sei aus den Landesverbänden rückgemeldet worden, dass einige Betriebe im Falle von Schulschließungen in Zusammenhang mit dem Coronavirus die Eltern zwar für eine gewisse Zeit freistellen würden, bei einigen sei allerdings keine Bezahlung vorgesehen. Gerade die 30 Prozent Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher in Österreich brächte eine solche Regelung in eine „enorme Zwickmühle“ – vor allem, wo doch Eltern bei der Betreuung nicht auf die Großeltern zurückgreifen sollen, um diese vom Coronavirus stärker gefährdete Altersgruppe zu schützen. „Es sollte ganz klar kommuniziert werden, dass diese Frage geregelt ist“, forderte auch Michael Tagger vom Landesverband Vorarlberg.

Sollten Schulsperren mehrere Wochen dauern, müsse außerdem überlegt werden, wie mittelfristig die Bildung der Kinder und Jugendlichen sichergestellt werden kann. Tagger kann sich etwa den Einsatz von Fernlehre per Mail und Internet vorstellen. Oft böten gerade Krisenzeiten die Chance, etwa Neues zu entwickeln. „Das wird man nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen können, aber das gehört angegangen“, so auch Christoph Drexler vom Tiroler Landesverband. Vor allem die Vorbereitung auf die Zentralmatura müsse sichergestellt werden.

Kurz: Schulen „nicht monatelang schließen“

Schon am Vormittag stellte Bundeskanzler Kurz bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Maßnahmen in Aussicht. „Es wird auch zu Maßnahmen an Schulen kommen“, so Kurz – zuerst gelte es aber, sich auf Auswirkungen bezüglich der Betreuungspflichten gut vorzubereiten. Deshalb werden Gespräche mit den Sozialpartnern aufgenommen. Es gehe nicht um „Showmaßnahmen“, man werde Schulen „nicht monatelang“ schließen können. Ähnlich argumentierte Kurz am Dienstagabend in einer ZIB Spezial. Ausschlaggebend und Entscheidungsgrundlage sei der weitere Verlauf der Infektionszahlen.

Bundeskanzler Kurz zu den Maßnahmen gegen das Coronavirus

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) spricht über die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

Der Zeitpunkt für Maßnahmen müsse daher „exakt definiert“ werden, so Kurz – es gehe darum, Schritte weder „zu früh noch zu spät“ zu machen, da Maßnahmen ja auch durchgehalten werden müssten. Bundesschulsprecherin Jennifer Uzodike von der ÖVP-nahen Schülerunion sagte, eine Verschiebung der Zentralmatura im Hinblick auf mögliche Schulschließungen wäre eine „anzudenkende Maßnahme“.

Laut Anschober gut vorbereitet

Gesundheitsminister Anschober begründete in der ZIB2 Dienstagabend noch einmal den Umfang der verhängten Maßnahmen. Es gehe darum, dass direkte Sozialkontakte „drastisch“ reduziert werden müssten. Wenn das zu 25 Prozent gelinge, dann könne es auch gelingen, das Ansteckungsrisiko zu halbieren. Das stünde „wirklich dafür“, sagte Anschober.

Interview mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Die Grünen) erklärt die am Dienstag bekanntgegebenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

Der „Schritt“ – mögliche – Schulschließungen sei gut vorbereitet, versicherte der Gesundheitsminister. Hier sei der Zeitpunkt sehr sorgfältig zu wählen, da Schulen nicht für Monate geschlossen werden könnten. Es gehe außerdem um den Zeitpunkt mit dem besten Effekt auf die Eindämmung des Virus. Insgesamt werde man ein sehr gut durchdachtes Modell präsentieren, versprach Anschober.

Unis und FHs werden geschlossen

Auch der Lehrbetrieb wird stark eingeschränkt. Spätestens „ab kommendem Montag“ würden keine Lehrveranstaltungen an Universitäten und Fachhochschulen mehr abgehalten. Der Lehrbetrieb solle „soweit möglich“ online fortgesetzt werden, so Kurz. Faßmann präzisierte zu Mittag die Maßnahmen an den Universitäten. „Alles, was publikumsintensiv ist, wird zurückgefahren“, so Faßmann.

Lehrveranstaltungen sollen vor allem über „Distance-Learning“ stattfinden. Große Bibliotheksräume werden geschlossen, Sportveranstaltungen an den Universitätssportinstituten nicht stattfinden. Der Forschungsbetrieb wird dagegen weitergeführt. Die erst am Montag einsetzende Verpflichtung zur Einstellung von Präsenzlehrveranstaltungen an den Hochschulen begründete Faßmann mit nötigen Vorbereitungsmaßnahmen.

Starke Einschränkungen bei Veranstaltungen

Die Regierung kündigte auch Einschränkungen bei Veranstaltungen an. Ab Mittwoch werden per Erlass Outdoor-Veranstaltungen mit über 500 Teilnehmern und Indoor-Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmern bis Anfang April abgesagt. Der Erlass werde präzise formuliert, damit für jeden klar ist, was gemeint ist. Theater, Kinos, Konzerte werden davon betroffen sein. Restaurants zu schließen sei derzeit nicht angedacht. Die Epidemie habe sich in sehr starkem Tempo ausgebreitet, so Anschober. „Wir müssen für ein paar Monate unser Leben verändern“, sagte der Gesundheitsminister.

Für organisierte und angemeldete Veranstaltungen gebe es die Möglichkeit, die Genehmigung dafür nicht zu erteilen. Auch für das Parlament könnten die Maßnahmen Auswirkungen haben – die für kommende Woche anberaumte Budgetsitzung werde aber vorerst nicht abgesagt werden. Das sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Die Einschränkungen basieren auf zwei Paragrafen des Epidemiegesetzes. Einer davon bezieht sich auf Veranstaltungen, der andere auf Betriebsbeschränkungen oder Schließungen. Mittels eines Erlasses soll den Bezirksverwaltungsbehörden dargestellt werden, welche Aktivitäten zu untersagen sind.

Einreisestopp für Menschen aus Italien

Oberstes Ziel sei eine Verhinderung des Austauschs und damit das „Einschleppen der Krankheit in unsere Gesellschaft“, so Kurz im Hinblick auf die Situation in Italien. Es wird einen Einreisestopp für Menschen aus Italien geben – Ausnahmen gebe es nur mit ärztlichem Attest. Außerdem soll die Heimholung von Österreicherinnen und Österreichern organisiert werden – diese müssten jedoch zwei Wochen in Isolation, so Kurz. Auch der Passagierverkehr per Zug und Flugzeug nach Italien werde eingestellt, so Nehammer. Man sei in enger Abstimmung mit den Nachbarländern, um die Informationsgewinnung sicherzustellen, so der Innenminister.

Soziale Kontakte einschränken

Kurz bat auch darum, „das zu tun, was jeder ganz leicht beitragen kann“ – man solle das soziale Leben für einige Wochen reduzieren. Damit würde man für sich selbst und die Gesellschaft einen Beitrag leisten, so Kurz. Dabei sei vor allem der Schutz von älteren Menschen im Fokus.

„Je weniger soziale Kontakte es gibt, desto besser sind die Spitäler gerüstet“, so Kurz. Als Hauptüberträger nannte Kurz die Altersgruppe der 14- bis 30-Jährigen, weil sie viele soziale Kontakte habe. Deshalb sei es sinnvoll gewesen, bei dieser Altersgruppe anzusetzen, so Kurz im Hinblick auf die Schließung der Unis.

Kurz sagte, es sei klar gewesen, dass das Coronavirus „keinen Bogen um Österreich machen wird“. Nun gehe es darum, die Verbreitung so einzudämmen und zu verzögern, dass der Höhepunkt der Coronavirus-Epidemie „nicht gleichzeitig mit der Grippewelle, sondern erst danach stattfindet“. Anschober sagte unterdessen, dass der „Hoffnungsfaktor“ die aktuellen Zahlen aus China seien, wo es nur noch wenige Neuinfizierungen gebe. In Österreich gebe es nun zwei Möglichkeiten: „Entweder es entwickelt sich exponentiell so weiter, oder es gelingt uns eine Abdämpfung und eine Zeitverzögerung.“

„Öffis“ fahren, Gemeindeabriegelung wird „überprüft“

Gefragt, welche Auswirkungen die Maßnahmen auf den öffentlichen Verkehr haben werden, sagte Kurz, dass die Gesellschaft weiter funktionsfähig sein müsse. Der öffentliche Verkehr müsse Menschen transportieren können, die kein Auto haben – Kurz sagte, Menschen könnten aber etwa auf Ausflüge verzichten.

Auf die Frage, ob darüber nachgedacht wurde, nach dem Vorbild Italien ganze Ortschaften abzuriegeln, sagte Anschober: „Auch diese Maßnahme wird laufend überprüft.“ Derzeit sehe die Regierung aber keine Notwendigkeit. Wenn es in Richtung „40 bis 50 Fälle“ in einer Gemeinde gehe, sei man jedoch vorbereitet. Generell möchte Anschober keine Maßnahme endgültig ausschließen.

Appell zu Homeoffice

Keine angeordneten Maßnahmen gebe es momentan zur Heimarbeit – Kurz bat jedoch Unternehmen, „den Mitarbeitern Teleworking zu gewähren“, zumindest dort, wo es „sinnvoll und machbar“ sei, so der Kanzler. Was die wirtschaftlichen Maßnahmen betreffe, so gehe es derzeit darum, all jenen Unternehmen, die sich in Liquiditätsschwierigkeiten befinden, Kreditgarantien zu gewähren. Auch das Modell der Kurzarbeit werde derzeit bereits in vielen Unternehmen umgesetzt. Menschen dürften in dieser „herausfordernden Phase“ nicht gekündigt werden, sagte Kurz.

Die Sozialpartner werden am Mittwoch über eine gemeinsame Linie beraten, wie in der Wirtschaft bei den erwarteten Schul- und Kindergartenschließungen hinsichtlich der arbeitenden Eltern vorgegangen werden soll.