Eine junge Frau ordnet Fotos
Getty Images/Stone/Simon Ritzmann
Coronavirus

Risiko und Strategien für Selbstständige

Die drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund des Coronavirus auch in Österreich stellen viele Selbstständige insbesondere im Event- und Kulturbereich wie auch kleinere und mittlere Unternehmen vor zum Teil existenzielle Probleme. Das Epidemiegesetz regelt zwar Vergütung für den Verdienstentgang. Dabei gibt es aber entscheidende Lücken.

„Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen“, heißt es im Paragraf 32. Als eine Voraussetzung für diese Entschädigungszahlung wird die Betriebsschließung aufgrund bestimmter Krankheiten (Paragraf 20) genannt.

Der Erlass des Gesundheitsministeriums zum Verbot größerer Menschenmengen basiere aber auf dem Paragraf 15 des Epidemiegesetzes, erklärte der Arbeitsrechtler Martin Risak von der Universität Wien gegenüber ORF.at: „Es gibt demnach nur eine Vergütung für Verdienstentgang, wenn durch behördliche Verfügung der Betrieb gesperrt wird oder wegen Quarantäne von Mitarbeitern.“ Eine öffentliche finanzielle Abfederung von Umsatzrückgängen durch äußere Einflüsse gibt es laut Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) nicht.

Wien Marathon im Vorjahr
APA/Georg Hochmuth
Absage von Großveranstaltungen wie etwa der Vienna City Marathon bringt auch viele Selbstständige in die Bredouille

„Sache des politischen Willens“

Der Fall von behördlichen Betriebsschließungen trifft auf viele von Absagen und Ausfällen betroffene Selbstständige wie etwa Fotografen und Techniker für eine inzwischen abgesagte Veranstaltung meist nicht zu. Risak: „Da gibt es eine Lücke. Der Staat trägt hier das wirtschaftliche Risiko nicht.“ Ob es eine Entschädigung für Einpersonenunternehmen (EPUs) gibt, sei nun eine „Sache des politischen Willens“. Die Lage sei „in bestimmten Branchen sehr angespannt“, so die WKÖ gegenüber ORF.at: „Als Wirtschaftskammer stehen wir in intensivem Kontakt mit der Bundesregierung und den Sozialpartnern, um für Unternehmen, ob EPU, KMU oder Großbetrieb, rasch Unterstützungsmaßnahmen umzusetzen – sei es in Form von arbeitsrechtlichen Regelungen oder Maßnahmen zu Sicherstellung der Liquidität.“

Das Wirtschaftsministerium arbeitet „mit Hochdruck an Lösungen“, hieß es gegenüber dem „Standard“. Ob es Entschädigungen geben wird, konnte man noch nicht sagen. Für Veronika Bohrn Mena von der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-dpj) ist es noch nicht vollständig geklärt, dass bei der Absage von Aufträgen in Zusammenhang mit dem Coronavirus keine Entschädigung beansprucht werden kann: „Es gibt keine Judikatur und keine Erfahrungswerte.“

Lückenlose Dokumentation empfohlen

Sie empfiehlt eine lückenlose Dokumentation zum Nachweis, dass man für einen bestimmten, konkreten Auftrag gearbeitet hätte. Mit einem Mail an die Bezirksverwaltungsbehörden könne man versuchen, eine Ersatzleistung zu beanspruchen. Das Geld würde vom Bund kommen. Bohrn Mena rechnet mit „Anlassentscheidungen“. Offen sei auch, auf welcher Grundlage Ersatzleistungen berechnet würden – nach dem Durchschnittsverdienst der vergangenen zwölf Monate, als Ersatz für die entgangenen Aufträge oder im Vergleich mit dem Einkommen im Zeitraum zum vergangenen Jahr. Auf keinen Fall dürfe man „den Kopf in den Sand stecken“, stellte Bohrn Mena klar.

Der Entschädigungsanspruch muss innerhalb von sechs Wochen vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde geltend gemacht werden.

Grafik zu Coronavirus-Schutzmaßnahmen
Grafik: QuickHoney/ORF.at

„Rettungsschirm“ für EPUs gefordert

Die Regierung stellte Kreditlinien im Umfang von zehn Mio. Euro als Überbrückungsfinanzierung für besonders betroffene Unternehmen zur Verfügung. Für Tourismusbetriebe gibt es als Soforthilfe Überbrückungsfinanzierungen mit einem Haftungsrahmen bis zu einer Höhe von 100 Mio. Euro. Die rund 328.000 Einpersonenunternehmen stehen dabei aber weniger im Fokus. Gerade diese stünden aber häufig in Verbindung mit Publikum und größeren Menschenansammlungen, die nun unterbunden wurden, betonte Patrice Fuchs von der gewerkschaftlichen Initiative für Einpersonenunternehmen vidaflex.

„Ohne echte finanzielle Unterstützung hagelt es Konkurse“, warnte auch der Vizepräsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien (SWV Wien). Er fordert einen „Rettungsschirm“ für Kleinstbetriebe etwa mit einer Ausfallshaftung für entgangene Umsätze und die Einführung eines Härtefonds als Soforthilfe. Auch viele Kunst- und Kulturschaffende fürchten eine „Einkommenskatastrophe“. Erst nach und nach wird klar, mit welchen Auswirkungen auch in diesem Bereich zu rechnen ist – mehr dazu in oe1.ORF.at.