Hände von Patient und Pfleger
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Coronavirus

Noch keine Engpässe bei 24-Stunden-Pflege

Über 60.000 Pflegerinnen aus den östlichen EU-Staaten sind in Österreich in der 24-Stunden-Pflege tätig. Wegen des Coronavirus und der Maßnahmen der Staaten dagegen könnten viele Pflegerinnen in ihren Heimatländern bleiben, so die Befürchtung. Engpässe gebe es momentan nicht, hieß es von Pflegeorganisationen gegenüber ORF.at.

Dürften die Pflegerinnen, die hauptsächlich aus der Slowakei, Tschechien und Ungarn stammen, nicht mehr die Grenze überschreiten, hätte Österreich „schlagartig“ ein riesiges Problem, warnte Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker am Donnerstag in der ZIB2. Österreichs östliche EU-Nachbarn haben ihre Grenzkontrollen wegen der Ausbreitung des Coronavirus drastisch verschärft.

Engpässe in der Rund-um-die-Uhr-Betreuung Pflegebedürftiger gebe es derzeit nicht, teilte die Volkshilfe Wien auf ORF.at-Anfrage mit. „Wir achten darauf, dass wir alle unsere Kundinnen und Kunden, die wir in der mobilen Pflege haben, so wie bisher servicieren können. Aktuell können wir dies einhalten“, hieß es aus dem Einsatzstab der Organisation.

Volkshilfe Wien: Kapazitäten derzeit ausreichend

Im Rahmen der mobilen Pflege würden darüber hinaus auch Personen unterstützt, die dringend Hilfe benötigten, so die Volkshilfe. Die Koordination hierfür laufe in der Bundeshauptstadt über den Fonds Soziales Wien (FSW) und die Telefonnummer 0124524. Die Volkshilfe und die anderen Trägerorganisationen unterstützen den FSW dabei. Mit den bisherigen Kapazitäten sei das zu bewältigen, so die Volkshilfe Wien. Betont wird weiters, dass es momentan keinerlei CoV-Verdachtsfälle unter den Beschäftigten gibt.

Ebenfalls keinen positiv getesteten Coronavirus-Fall gibt es beim Hilfswerk Österreich. Zur Sicherheit der Klientinnen und Klienten seien eine Reihe von Maßnahmen getroffen worden, hieß es gegenüber ORF.at. Bei der mobilen Pflege etwa werde speziell darauf geachtet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets auf den gleichen Routen unterwegs sind. Sollte ein CoV-Fall bekanntwerden, ließe sich der Kreis der zu Testenden so einschränken.

Vermittlungsagenturen müssen Ersatz bereitstellen

Keine Einschränkung im laufenden Betrieb gibt es bei BestCare 24, einer in Österreich tätigen Vermittlungsagentur für 24-Stunden-Pflegerinnen und -Pflegern. „Alle unsere Pflegerinnen aus der Slowakei und Tschechien sind derzeit bei ihren Klienten“, sagte Kerstin Marchner von BestCare 24 im Gespräch mit ORF.at. Man habe Freitagfrüh etwa 30 bis 40 Telefonate mit den Pflegerinnen geführt. Alle hätten zugestimmt, ihren Turnus, der für gewöhnlich zwei bis drei Wochen dauere, vorerst einmal zu verlängern.

Kommt es zu Ausfällen bei den Pflegekräften, so muss die Vermittlungsagentur ihrer Kundschaft Ersatz zur Verfügung stellen. „In diesem Fall greifen wir auf Betreuerinnen zurück, die für uns in der stundenweisen Betreuung tätig sind“, so Marchner. Ebenfalls herangezogen werden Betreuerinnen, die gerade keine Klienten haben, etwa wegen eines Todesfalls oder weil der Pflegebedarf einer Person nur vorübergehend hoch war.

Die Vermittlungsagentur hat nach Angaben Marchners zwischen 130 und 150 Klientinnen und Klienten. BestCare 24 verfügt nach eigenen Angaben über eigene Büros in der Slowakei und Rumänien, um generell die direkte Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte für Österreich sicherzustellen.

Grenzkorridor für Pflegepersonal gefordert

Auch unter den pflegebedürftigen Menschen in der stationären und mobilen Pflege der Caritas der Erzdiözese Wien gebe es derzeit keine CoV-Verdachtsfälle, sagte Ilse Simma-Boyd von der Caritas Wien gegenüber ORF.at. Im stationären Bereich habe man Maßnahmen wie Besuchsverbote, ein nochmals verstärktes Achten auf Hygiene und den Verzicht auf Begrüßungsrituale gesetzt. Aushänge befinden sich in allen Einrichtungen, und vielerorts wurden auch Infopoints eingerichtet, um Angehörige zu informieren und aufzuklären.

Im mobilen Bereich sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angehalten, die öffentlichen Verkehrsmittel so gut es gehe zu meiden und stattdessen das eigene Auto zu verwenden. Da das Virus für ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen eine besondere Gefahr darstellt, werde derzeit auf gemeinsame Spaziergänge und Supermarktbesuche weitestgehend verzichtet.

Pflegerin mit zwei Pflegebedürftigen
APA/dpa/Peter Kneffel
Die österreichischen Trägerorganisationen verzeichnen im Moment keine Personalengpässe

Engpässe im Pflegebereich gebe es derzeit weder im stationären noch im mobilen Pflegebereich und auch nicht bei der 24-Stunden-Pflege. Die Grenzschutzmaßnahmen der östlichen Nachbarländer könnten aber für Probleme sorgen. Zehn bis 15 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitsbereich der Caritas Wien müssen regelmäßig die Grenze in die östlichen EU-Länder passieren, so Simma-Boyd. Im Sektor 24-Stunden-Betreuung sei die Zahl deutlich größer. Die Caritas fordere daher von der Bundesregierung die Einrichtung von Grenzkorridoren für Pflegepersonal.​

Konkret wünsche man sich eine Ein- und Ausreise von Betreuern und Betreuerinnen „ohne langwierige Prozeduren“, sagte Generalsekretär Bernd Wachter der APA. „So etwas ist möglich“, betonte der Caritas-Generalsekretär. Auch dahingehend gebe es bereits politische Gespräche. Einen anderen Lichtblick gibt es bereits bei der stationären Betreuung: In einem Wohnheim der Caritas haben sich einige Arbeitskräfte bereiterklärt, in Österreich zu bleiben.

Beratungen auf politischer Ebene

Wirtschaftskammer, Sozial- und Außenministerium beraten unterdessen, wie man mit dem drohenden Engpass in der 24-Stunden-Betreuung aufgrund der Coronavirus-Krise umgehen wird. Es gelte, rasch personellen Ersatz zu finden, sagte Birgit Meinhard-Schiebel von der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. Die drohenden Ausfälle stellten eine „gewaltige Herausforderung“ dar. Meinhard-Schiebel sprach sich gegen eine Ausnahmeregelung aus, etwa die Grenzen für Betreuer und Betreuerinnen aus dem Osten offen zu lassen.

An genau einer solchen arbeitet laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) allerdings die Regierung. „Ziel ist eine Ausnahmeregelung aus der Grenzschließung für 24h-BetreuerInnen, damit die Betreuung pflegebedürftiger Menschen in Österreich gesichert bleibt“, teilte der Minister am Samstag mit. Er hält eine Lösung für möglich – „wie etwa auch bei anderen Grenzschließungen, wo der Berufspendlerverkehr weiter ermöglicht wurde“, sagte er in einer Mitteilung des Ministeriums.