Eine junge Frau bringt einem alten Mann den Einkauf zur Eingangstür
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Nachbarschaftshilfe

Gemeinsam durch die Krise

Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus stellen viele Menschen vor große Herausforderungen im Alltag – auch und vor allem jene, die besonders gefährdet sind: ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Bereits seit einigen Tagen erobert die „#Nachbarschaftschallenge“ die Sozialen Netzwerke. Junge, weniger gefährdete Menschen bieten älteren Nachbarn Hilfe an. Und die Aktion macht Schule.

Krisensituationen können immer wieder zeigen, wie dünn die Decke der Zivilisation ist, wenn der Egoismus voll durchbricht. Doch umgekehrt kann und soll sich in solchen extremen Rahmenbedingungen auch zeigen, dass sich nicht jeder nur selbst der Nächste ist – und dass es einen gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt, im großen wie im kleinen Rahmen.

Und gerade im persönlichen Umfeld kann jeder und jede Einzelne – auch abgesehen von den Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung – viel tun. Genau das war der Ausgangspunkt für die #Nachbarschaftschallenge, die seit Mittwoch auf Twitter und in anderen Sozialen Netzwerken mehr und mehr Nachahmer feiert.

Internationales Echo für Wiener Idee

Die Idee ist einfach: Im Wohnhaus wird ein Zettel aufgehängt, auf dem Mitbewohner informiert werden, dass man mit Rat und Tat zur Seite steht und älteren Personen Erledigungen und Einkäufe abnimmt. Geboren wurde die Idee in Wien, mittlerweile gibt es zahlreiche Initiativen in ganz Deutschland. Sogar das Ministerium für Soziales und Integration im deutschen Bundesland Baden-Württemberg hat die Idee aufgenommen, auch aus Belgien und Schweden gibt es erste Postings, dass die Initiative auch dort gelebt wird.

Hilfe mit Sicherheitsabstand

Erinnert wird freilich auch daran, dass bei der Unterstützung auch alle anderen wichtigen Maßnahmen eingehalten werden müssen, um einander nicht zu gefährden: Der persönliche Kontakt sollte kurz gehalten werden, auf die notwendige Distanz ist zu achten.

Der Onlinefaktor trägt freilich nur dazu bei, die Idee bekannter zu machen und möglichst viele Nachahmer zu finden. Der direkte Kontakt per Onlinemedien kann gerade für manche älteren Menschen nicht niederschwellig genug sein.

Nachbarschaftsplattformen als Drehscheiben

Allerdings: Auch solche Kommunikationswege haben sich etabliert. Im Web schon länger gut frequentiert ist die Nachbarschaftsplattform „Frag Nebenan“, die auch außerhalb solcher Ausnahmesituationen Menschen, die in der Nähe wohnen, vernetzt und bei der gegenseitige Hilfe zentrales Thema ist.

Die von Ö3 gegründete Freiwilligeninitiative Team Österreich unterstützt derzeit die Infohotline der AGES, 0800 555 621, die allgemeine Informationen zum Coronovirus bereitstellt. Team Österreich ist ebenfalls eine Drehschreibe für gegenseitige Unterstützung im Alltag.

Die Stadt Wien richtete ebenfalls eine Hotline ein. Unter 01/4000-4001 können sich ältere Menschen melden, wenn sie Unterstützung brauchen – etwa für die Besorgung von Lebensmitteln und Medikamenten, aber nicht selbst in einen Supermarkt oder eine Apotheke gehen wollen bzw. können, um sich nicht der Gefahr einer Ansteckung auszusetzen. Ein ähnliches Service richteten Graz und Eisenstadt ein – mehr dazu in steiermark.ORF.at und in burgenland.ORF.at.

Hilfe bei Kinderbetreuung

Unterstützung werden in den nächsten Wochen nicht nur ältere Mitmenschen brauchen. So stehen angesichts des stark eingeschränkten Betreuungsangebots an den Schulen und Kindergärten viele Eltern vor großen Herausforderungen. Zumeist im Freundes- und Bekanntenkreis wird hier bereits gegenseitige Betreuung in kleinen Gruppen vereinbart.

Auch Eltern von Schul- und Kindergartenkolleginnen und -kollegen schließen sich zusammen. Doch nicht alle Betroffenen können ohne Weiteres auf solche Gruppen zurückgreifen, auch hier wird es Einzelengagement brauchen, um einander zu unterstützen. Zu beachten ist freilich, dass die Spiel- und Lerngruppen im kleinsten Rahmen bleiben müssen. Denn sonst würde das Ziel der Maßnahmen, die Senkung der sozialen Interaktionen, konterkariert.

Italien singt

Dass gegenseitige Unterstützung und Solidarität auch ganz anders aussehen kann, zeigt ein Video, das seit Donnerstag auf Twitter herumgereicht wird. In der italienischen Stadt Siena in der Toskana stimmt ein Mann in einer Wohnung ein Lied an – und alsbald singen etliche andere Bewohnerinnen und Bewohnern der menschenleeren Gasse mit.

Auch dieses Beispiel macht Schule: Mittlerweile kursieren etliche Clips in den Sozialen Netzwerken, in denen Italiener in ihren Häusern und auf ihren Balkonen gemeinsam singen.