Regierung präsentiert Maßnahmen
ORF
Kein Nulldefizit

Vier Milliarden Euro für Betriebe und Jobs

Die Regierung hat am Samstag ein erstes Maßnahmenpaket für die Unterstützung der Wirtschaft in der Coronavirus-Krise präsentiert. Vier Milliarden Euro wird die Regierung in einem eigens eingerichteten Fonds zur Verfügung stellen. Das Nulldefizit ist damit für dieses Jahr abgesagt.

Der Einsatz der Mittel solle drei Ziele verfolgen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Vorstellung der Maßnahmen. Es gehe darum, bei Unternehmen die Liquidität zu gewährleisten, Arbeitsplätze zu sichern und Härtefälle zu unterstützen. Konkret soll das unter anderem durch Kreditgarantien, das Stunden von Steuern oder einem neuen Kurzarbeitszeitmodell geschehen. Direkte finanzielle Hilfen soll es überdies für Unternehmen geben, die besonders stark betroffen sind. Kurz nannte etwa Tourismus- und Gastronomiebetriebe, aber auch den Kulturbereich.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bestätigte, dass es dieses Jahr kein Nulldefizit geben werde. „Dieses Budget wird keines sein, wo ich von einem ausgeglichenen Haushalt sprechen werde“, sagte Blümel. Es werde vielmehr ein Budget sein, „welches die bittere Wahrheit der Krise, in Zahlen abbilden wird“. In den vergangenen Tagen ist das Budget immer wieder überarbeitet worden. Ein ausgeglichener Haushalt sei wichtig, „aber die Gesundheit der Österreicher, die Arbeitsplätze und der Standort ist wichtiger“, so der Finanzminister.

Krisenfonds: Vier Milliarden Euro für Sofortmaßnahmen

Die Regierung hat am Samstag ein erstes Maßnahmenpaket für die Unterstützung der Wirtschaft in der Coronavirus-Krise präsentiert. In einem eigens eingerichteten Fonds werden vier Milliarden Euro für Sofortmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Als konkrete Maßnahmen nannte Blümel zum einen den leichteren Zugang von KMUs zu Kreditgarantien und die Vergabe von Überbrückungskrediten. Zum anderen sprach er von zwei Maßnahmen, die „direkt im Finanzministerium“ angesiedelt seien. So sei einerseits vereinbart worden, bei Steuerzahlungen zinsfreie Stundungen zu akzeptieren. Andererseits würden Steuervorauszahlungen ausgesetzt werden.

Kurzarbeit statt Arbeitslosigkeit

Für die Kurzarbeit werden laut Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) 400 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Dabei werden laut der Ministerin die Regelungen für Kurzarbeit auf neue Beine gestellt, da das bisherige Modell „nicht anwendbar“ sei. So mussten Unternehmen bisher bis zu sechs Wochen warten, um Kurzarbeit beantragen zu können. Diese Zeit soll nun auf 48 Stunden verkürzt werden. Wohl noch wesentlicher ist die Änderung, dass Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu 100 Prozent in Kurzarbeit schicken können. „Bisher gab es hierfür nur die Form der Arbeitslosigkeit“, so Schramböck. Anträge auf Kurzarbeit sollen laut Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) ab Montag möglich sein.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer
APA/Georg Hochmuth
Die vorgestellten Maßnahmen sollen für Unternehmen und Arbeitnehmer das Schlimmste abwenden

Auch Schramböck betonte noch einmal, dass Kreditgarantien sowohl für kleinere als auch größere Unternehmen ausgeweitet würden. Der Fokus soll dabei freilich auf kleinen und mittleren Unternehmen liegen. „Kein KMU soll auf die Garantie des Staates bei der Aufnahme von Mitteln verzichten müssen“, so Schramböck. Darüber hinaus werde ein Härtefond Mittel für Familienbetriebe und Einpersonenunternehmen (EPUs) zur Verfügung stellen.

Lob für „Konsensdemokratie“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) strich die Geschwindigkeit hervor, mit der das Hilfspaket zustande gekommen sei. Die Sofortmaßnahmen dienten vor allem dazu, „das Blut im Wirtschaftskreislauf zu behalten“. Die aktuelle Situation sei dramatischer als die Finanzkrise, denn diese habe oben (bei großen Banken, Anm.) begonnen – heute verbreite sich die Krise aber von unten nach oben.Und er streute den Sozialpartnern Rosen. Diese hätten der Regierung ein Modell präsentiert, „an dem wir nicht mehr allzu viel herumschrauben mussten“, so Kogler. Der Vizekanzler sah darin eine Bestätigung dafür, dass „die Konsensdemokratie funktioniert“.

Es gehe zurzeit eben nicht um Kompromisse, sondern „um Schicksale, es geht um Existenzen“, sagte der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), Wolfgang Katzian. Habe bei der Bankenkrise das Motto „too big to fail“ gegolten, laute es jetzt „too many to fail“. Er sei sehr froh, dass mit dem Paket nun „ein erster Schritt“ gelungen sei.

Zuerst Urlaub und Zeitguthaben abbauen

Besonders strich Katzian die neuen Regelungen zur Kurzarbeit hervor. Jede Kündigung bedeute, dass das soziale Netz die Leute auffangen müsse, und für die Menschen einen dramatischen Einschnitt. Katzian wies daraufhin, dass bei der Kurzarbeit deutlich mehr vom bisherigen Gehalt gezahlt würde als beim Arbeitslosengeld – nämlich 80 bis 90 Prozent.

Er sah es in dem Zusammenhang auch als gerechtfertigt an, dass Arbeitnehmer zuvor ihre Zeitguthaben und Alturlaube abbauen müssten. „Entscheidend ist, der Arbeitsplatz bleibt erhalten“, so der ÖGB-Präsident. An die Unternehmen appellierte er, das Kurzarbeitsmodell in Anspruch zu nehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Die Arbeitnehmer forderte er auf, nichts ungeprüft zu unterschreiben.

Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer sprach von einem „Bündel an Maßnahmen, das sicherstelle, möglichst viele Menschen in Beschäftigung zu halten“. Er appellierte überdies, keinen Profit aus der Krise zu schlagen: „Das ist ein gemeinsames, rot-weiß-rotes Programm und kein Programm für Trittbrettfahrer.“

„Weitere Maßnahmen nötig“

Auf Nachfrage sagte Kurz, er gehe davon aus, dass über die nun angekündigten vier Milliarden Euro hinaus „weitere Maßnahmen“ zur Bewältigung der Krise nötig sein werden. Auf die Frage, ob Österreich – wie die deutsche Regierung – im Fall des Falles zur Verstaatlichung zentraler Unternehmen bereit wäre, sagte Kurz: „Natürlich ist das möglich nach dem Epidemiegesetz. Dort, wo es nötig wäre, würden wir nicht davor zurückschrecken. Derzeit stellt sich diese Frage nicht.“

Grafik zum Verlauf des Coronavirus und eingeschränkten Sozialkontakten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: TU Wien/dwh

Modifizieren will die Regierung aber die im Epidemiegesetz verankerten Schadenersatzansprüche. Diese sehen für Betriebe, die zur Bekämpfung des Coronavirus geschlossen werden, einen Anspruch auf Entschädigung für Verdienstentgang vor. Darauf angesprochen kündigte Kurz „einige Gesetzesänderungen“ an, denn: „Das Epidemiegesetz stammt teilweise aus einer Zeit, die mit einer heutigen nicht vergleichbar ist.“

Das neue Sammelgesetz enthält daher auch eine neue Rechtsgrundlage für Betriebsschließungen. Diese sehen im Unterschied keinen Rechtsanspruch auf Schadenersatz mehr vor, wie aus dem Gesetzesentwurf hervorgeht. Ebenfalls geregelt wird, dass in so einem Fall die Bestimmungen des Epidemiegesetzes über die Schließung von Betriebsstätten nicht gelten. Die sonstigen Bestimmungen des Epidemiegesetzes bleiben unberührt.

Beschlüsse im Parlament noch am Wochenende

Die am Samstag vorgestellten Maßnahmen sollen noch am Wochenende gesetzlich verankert werden. Ein entsprechender Entwurf wurde bereits den Parlamentsklubs übermittelt. Teil des Sammelgesetzes ist die Bezuschussung für Arbeitgeber, wenn sie Eltern bis zu drei Wochen zur Kinderbetreuung frei geben. Hier übernimmt der Staat ein Drittel der Kosten des Sonderbetreuungsentgelts.

Am Samstag wurde das Gesetzespaket in zwei nur wenige Minuten dauernden Sitzungen eingebracht und dem Budgetausschuss zugewiesen. Am Sonntag tritt dann der Nationalrat um 9.00 Uhr zur Plenardebatte zusammen, zu deren Abschluss die Novellierung des Epidemiegesetzes beschlossen wird. Abgeschlossen wird das Prozedere dann mit einem Plenum des Bundesrats. Danach braucht es die Zustimmung des Bundespräsidenten sowie die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Die Sitzungen müssen ohne Publikum, abgesehen von Medienvertretern, durchgeführt werden. Die Abgeordneten werden im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg auch breiter aufgefächert, damit keine Mandatare direkt nebeneinander sitzen.

Nationalratspräsident Sobotka zum

Dass das Parlament die Krisengesetze zum Coronavirus innerhalb dieses Wochenendes auf den Weg bringt, ist laut Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein „einzigartiges“ Ereignis.

Das Prozedere im Parlament sei ein „historischer Moment, das gab es noch nie in dieser Form“, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Samstag. Lediglich im Oktober 1931 hätte das Parlament schon einmal an einem Samstag getagt, allerdings nicht geblockt, damals mit dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Angesichts der Epidemie sei diese Vorgangsweise aber auch angebracht, so Sobotka: „Die Österreicherinnen und Österreicher können sich darauf verlassen, dass in Zeiten der Krise alle zusammenstehen.“

Arbeitszeitflexibilisierung wird erweitert

Keinen parlamentarischen Beschluss braucht die bereits Freitagabend angekündigte Erweiterung der Arbeitszeitflexibilisierung. Nachdem für Mitarbeiter von Krankenhäusern, Laboren und Telefonhotlines bereits Abweichungen von geltenden Arbeitszeitbestimmungen ermöglicht worden waren, werde dieser Erlass nun auf weitere Berufsgruppen, bei denen es notwendig ist, ausgedehnt, so ein Sprecher des Arbeitsministerium.

„Wie im Gesundheitsbereich ist es auch in anderen Bereichen – etwa bei der Polizei, der Energieversorgung, im Lebensmittelhandel und in Apotheken – wichtig und notwendig, dass Arbeitszeitgrenzen vorübergehend überschritten werden dürfen“, begründete Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) die Ausweitung der Arbeitszeitflexibilisierung auf diese Branchen. „Wir wollen dort unterstützen, wo es notwendig ist“, betonte sie in einer Aussendung.

Lob und Forderungen

Lob für die vorgestellten Maßnahmen kam noch am Samstag von der Industriellenvereinigung (IV). „Die heute vorgestellten Maßnahmen zur Sicherung von Standort und Beschäftigung leisten einen entscheidenden Beitrag, um Betrieben und Menschen Unterstützung, Sicherheit und eine Zukunftsperspektive zu geben“, so der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer.

Von Arbeitnehmerseite kamen am Samstag auch weitere Forderungen. Die Arbeiterkammer (AK) wünschte sich neben dem Kurzarbeitsmodell auch eine Lösung für jene Arbeitnehmer, die wegen der Coronavirus-Krise mit Wiedereinstellungszusage gekündigt werden. AK-Direktor Christoph Klein befürchtet, dass sich Kleinbetriebe auch vom neuen Kurzarbeitsmodell überfordert sehen und ihre Mitarbeiter für die Dauer der Krise zum AMS schicken könnten. Er plädiert dafür, diesen Arbeitnehmern trotz der Wiedereinstellungszusage Arbeitslosengeld auszuzahlen und will darüber auf Sozialpartnerebene und mit dem AMS sprechen.

Handel besonders belastet

Die Gewerkschaften warnten davor, Arbeitnehmerrechte zu beschneiden. Und sie forderten Rücksichtnahme auf jene Menschen, die für die Bevölkerung den Alltag am Laufen hielten. Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), erinnerte an die besondere Belastung für die Handelsangestellten.

Der Handel selbst begrüßte das Maßnahmenpaket der Regierung. „Was die heimischen Händler mit ihren mehr als 600.000 Beschäftigten jetzt dringend brauchen, ist höchstmögliche Planungs-, Rechts- und Finanzierungssicherheit“, so der Handelsverband in einer Aussendung. „Durch die Möglichkeit der Kurzarbeit werden Kündigungen zumindest kurzfristig abgewendet. Auf lange Sicht gilt es allerdings auch, weitere Kostenfaktoren wie laufende Mietaufwände und diverse Finanzierungskosten abzufedern“, so Geschäftsführer Rainer Will.