Frau mit einer Friedensflagge am Fenster
APA/AFP/Andreas Solaro
„#andratuttobene“

Musik und Optimismus gegen die Krise

Das vom Coronavirus lahmgelegte Italien versucht, den Mut auch angesichts hoher Fallzahlen und Quarantäne nicht zu verlieren. Abendlich zeigen sich viele am Fenster oder auf dem Balkon um – gemeinsam, aber doch getrennt – zu musizieren. Am Samstag stimmten sie zusammen Italopop-Legende Adriano Celentano an. Als Devise der Krise gilt inzwischen landesweit ein Motto: „Andra tutto bene“ („Alles wird gut“).

Seit Montag ist die Bewegungsfreiheit in Italien stark eingeschränkt. Weite Teile der Wirtschaft wurden lahmgelegt und die Menschen aufgefordert, ihre Häuser nur in dringenden Notfällen zu verlassen. Zudem wurden landesweit alle kulturellen Veranstaltungen bis auf Weiteres ausgesetzt. Viele Italienerinnen und Italiener kämpfen aber gegen die schlechte Stimmung angesichts der Epidemie an. Per Internet vervielfältigte sich der Hashtag „#andratuttobene“ („Alles wird gut“) wie ein Lauffeuer.

Begonnen hatte die Verbreitung vor wenigen Tagen im süditalienischen Bari: Einige Mütter posteten Bilder ihrer Kinder, die seit vergangener Woche nicht mehr in die Schule gehen. Bunte Zeichnungen vermittelten trotz der Coronavirus-Ausgangssperre Hoffnung und Zuversicht. Die Initiative verbreitete sich inzwischen im ganzen Land. „Alles wird gut“-Slogans kleben inzwischen als Merkzettel an Wohnungstüren oder schmücken Flaggen an Häuserwänden und Balkonen. Zudem sind Tausende Regenbögen an die Rollos der geschlossenen Geschäfte in den italienischen Städten geheftet.

„Zusammen zu sein, auch wenn wir getrennt sind“

Auch vor den Eingängen der lombardischen Krankenhäuser wurden Spruchbänder mit dem „Alles wird gut“-Slogan ausgerollt, eine Ermutigung für Patienten und Sanitäter, die an vorderster Front gegen die Epidemie kämpfen.

Ein Banner mit einem aufgemalten Regenbogen vor einem Spital
AP/Alessandra Tarantino
Das Spallanzani-Spital in Rom: Die Menschen danken dem Gesundheitspersonal für ihren Einsatz

Abends kamen in den vergangenen Tagen viele Italiener zu Balkonkonzerten zusammen und stellten Videos davon online. Darauf waren ganze Stadtviertel zu sehen, in denen Menschen musizieren, tanzen, den Nachbarn zuwinken und etwa die Nationalhymne „Fratelli d’Italia“ singen. Ein weiterer Titel, der am Freitagabend in Rom zu hören war: „Grazie Roma“, ein beliebtes Lied aus den 1990er Jahren. Im Liedtext heißt es unter anderem: „Sag mir, was es ist, das uns das Gefühl gibt, zusammen zu sein, auch wenn wir getrennt sind.“

Veranstaltungen ins Netz verlagert

Der Sänger Andrea Sannino veröffentlichte auf Instagram eine Zusammenstellung von Videos, auf denen Menschen an ihren Fenstern in seiner Heimatstadt Neapel sein Lied „Abbracciame“ („Umarme mich“) singen. „Das ist ein Tag, von dem ich noch meinen Kindern und Enkelkindern erzählen werde“, schrieb der Musiker. „Danke, dass ihr mich zum Weinen gebracht habt!“ Für den Samstag wurde ein landesweiter Flashmob auf den Balkonen vereinbart, um gemeinsam „Azzurro“, den Klassiker von Adriano Celentano, anzustimmen. Vielen Italienern gilt das Lied als heimliche Nationalhymne.

Der Aktion „Zeigt Euch am Fenster“ schloss sich auch Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi an. „Wir müssen zusammenhalten und beweisen, dass wir eine geschlossene Gemeinschaft sind“, sagte die Bürgermeisterin. Um die Stimmung zu heben, versprachen Künstler und Musiker ihren Fans auch Onlinekonzerte. Museen wie die Uffizien in Florenz und das Peggy-Guggenheim-Museum in Venedig machten ihre Ausstellungen im Internet für virtuelle Rundgänge zugänglich.

Balkonkonzerte in Italien

Wegen der Ausgangssperre verlagert sich das soziale Leben in Italien vielfach auf die Balkone. Musiker spielen Balkonkonzerte, oft auch als eine Art Dank für die Ärzte und Pfleger, die gegen das Coronavirus ankämpfen.

Italien ist das am stärksten von der Pandemie betroffene Land Europas. Bis Samstag starben mehr als 1.400 Menschen dort an der durch das Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19. Um die Ausbreitung in den Griff zu bekommen, ergriff die Hauptstadt Rom weitere rigorose Maßnahmen, um Menschenansammlungen zu vermeiden. So werden nun auch Parks und Spielplätze geschlossen.

Damit wollen die Gesundheitsbehörden vermeiden, dass die unter Quarantäne stehenden Italiener angesichts der bevorstehenden Frühlingszeit die Zeit im Freien verbringen und sich dort in Gruppen aufhalten, ohne die Sicherheitsdistanz von einem Meter zu respektieren.

Nur kleine Gruppen in Geschäften zugelassen

Menschenansammlungen sollen auch in Supermärkten vermieden werden. Deshalb greifen viele Geschäfte darauf zurück, nur kleine Gruppen auf einmal einzulassen. So bilden sich vor den Eingängen der Supermärkte längere Schlangen, da auch viele Leute mehr einkaufen.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ixe haben fast 40 Prozent der Italiener in diesen Tagen aus Sorge vor Engpässen bei den Lebensmittellieferungen mehr als sonst eingekauft. Wegen der Quarantäne haben 43 Prozent zugleich ihre Wege zum Supermarkt reduziert, dafür kaufen sie jeweils mehr ein.

Die Behörden kontrollieren streng die Einhaltung der Vorschriften. Am Freitag wurden rund 7.000 Personen wegen Verstößen gegen die Quarantänevorschriften angezeigt – von mehr als 150.000 kontrollierten Personen.