Vizekanzler Werner Kogler, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel
APA/Georg Hochmuth
38 Milliarden Euro

Hilfspaket stößt auf positive Resonanz

Die Regierung stemmt sich mit einem gigantischen Hilfspaket gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kündigten am Mittwoch nach dem Ministerrat an, die Hilfsgelder von vier auf 38 Mrd. Euro aufzustocken – Details werden in den kommenden Tagen zu erwarten sein. Die ersten Reaktionen fielen durchwegs positiv aus.

Entsprechend äußerten sich Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS): „Ich halte das für grundvernünftig. Man muss diesen Schritt gehen, what ever it takes“, so WIFO-Chef Christoph Badelt. Was die Hilfen für das Bruttoinlandsprodukt und das Defizit bedeutet, „kann man seriös nicht sagen“. Aber es sei „wichtig und richtig, diese Zeichen zu setzen“, so Badelt.

„Alles andere würde in Massenarbeitslosigkeit führen, und dann hätten wir nicht nur ein Gesundheitsproblem, sondern auch ein Sozialproblem, das eine Gesellschaft nicht aushalten kann.“ Unternehmen mit null Umsatz würden innerhalb von wenigen Tagen Liquidität brauchen, damit sie ihre Mitarbeiter nicht abbauen. Die Unterstützung sollte man so lange aufrechterhalten, bis die Entwicklung der Infektion eingedämmt sei.

IHS: Rund zehn Prozent des BIP

Für IHS-Chef Martin Kocher ist das Hilfspaket eine „substanzielle Summe, die in den nächsten Wochen und Monaten einen wirtschaftlichen Schutzschirm“ bilden könne. Er belaufe sich auf rund zehn Prozent des BIP in Österreich. „Das ist schon sehr viel. Natürlich sind die Ausfälle auch groß, die jetzt passieren, aufgrund des Herunterregelns der Wirtschaft, aber mit 38 Milliarden kommt man schon sehr weit“, so Kocher.

„Ich glaube, es war eine richtige Entscheidung, anzukündigen, dass man die wirtschaftlichen Nebeneffekte dieses Herunterregelns so gut es geht ausgleichen wird.“ Damit habe man eine gewisse Sicherheit geschaffen für die Unternehmen. „Die Hoffnung ist, dass darin vertraut wird, dass es möglichst rasch dann wieder ein Hochfahren gibt, wenn die gesundheitlichen Maßnahmen beendet werden können.“

Wirtschaft begrüßt Hilfspaket

Auch von allen Seiten der Wirtschaft wird das Paket begrüßt. Neben den Personalkosten müssten die Händler auch ihre Umsatzeinbußen sowie andere Kosten ersetzt bekommen, sagte etwa Handelsverband-Chef Rainer Will. Der Verband vertritt die Interessen der größten Handelsbetriebe in Österreich. Seit Montag müssen die meisten Geschäfte geschlossen bleiben.

Auch den Tourismus trifft die Epidemie voll durch Reiseverbote, Kongressabsagen und Quarantänen. „Die Hotels nehmen nichts ein, die Kosten laufen weiter“, so die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, Michaela Reitterer. Die Kurzarbeit neu und die rasche und kräftige Aufstockung der Fördermittel würden helfen und Arbeitsplätze retten.

Aus Sicht der Industriellenvereinigung (IV) ist es wichtig, „Menschen und Unternehmen abzusichern, das Vertrauen in Wirtschaftsstandort und Versorgungssicherheit zu stärken und die Produktion aufrechtzuerhalten“. Neben den Klein- und Mittelbetrieben (KMU) müssten aber auch die Groß- und Leitbetriebe abgesichert werden, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

SPÖ: „Von Anfang an gefordert“

Auch erste Reaktionen der Opposition fielen positiv aus – etwa vonseiten der SPÖ. Die Partei verwies jedoch darauf, das „schon von Anfang an“ gefordert zu haben, wie der stellvertretende Klubvorsitzende Jörg Leichtfried in einer Aussendung betonte. Unterstützungsleistungen für Unternehmen müssten aber an Jobgarantien geknüpft werden. Demnach dürften keine Unternehmen Unterstützungsleistungen erhalten, die jetzt Mitarbeiter vor die Tür setzen. Auch sollte für die Zeit der Maßnahmen ein Kündigungsverbot bestehen, verlangte Leichtfried.

FPÖ: „Erste Etappe“

Die Freiheitlichen sahen im Paket nur eine „erste Etappe“. Für die Bankenrettung habe die Republik 100 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, daher könne es für die Arbeitnehmer und Selbstständigen „keinen Deckel geben“, argumentierten FPÖ-Chef Norbert Hofer und Klubobmann Herbert Kickl in einer gemeinsamen Aussendung. Auch müssten Wirtschaftstreibende einen Rechtsanspruch auf Abgeltung der Verluste bekommen, Arbeitnehmer eine Arbeitsplatzgarantie.

NEOS sieht „notwendige Entscheidung“

NEOS begrüßte die Aufstockung, ob diese reicht, müsse sich aber erst zeigen. „Es ist eine notwendige Entscheidung, dass hier endlich mehr getan wird“, so NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Die Partei habe das bereits seit Tagen gefordert. Wesentlich sei, dass die ersten Maßnahmen greifen, sonst drohe eine Abwärtsspirale, die nicht mehr zu stoppen sein wird.

Laut NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn müsse „maximale Sicherheit und Zuversicht“ das Ziel sein. Der bürokratische Aufwand müsse hingegen so minimal wie möglich gehalten werden. Schellhorn erwartete sich zudem einen finanziellen Beitrag der Wirtschaftskammer, die über 1,6 Mrd. Euro an Rücklagen verfüge.

Auch aus den Ländern gab es am Nachmittag erste Reaktionen. Der Wirtschaftsstandort brauche diese Unterstützung „wie einen Bissen Brot“, reagierte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) – mehr dazu in noe.ORF.at. Das Land Vorarlberg will indessen die Wirtschaft im eigenen Bundesland mit einem 100-Mio.-Euro-Fonds unterstützen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

„Koste es, was es wolle“

Kurz hatte die Summe mit dem Umstand erklärt, wonach vielen Unternehmen die Geschäftsgrundlage weggebrochen sei. Vor diesem Umstand dürfe man die Augen nicht verschließen, so Kurz. Man wolle massenhafte Arbeitslosigkeit verhindern und dagegen „alles Menschenmögliche“ tun. Der Staat müsse in guten Zeiten sparsam sein, damit er in schlechten Zeiten mehr ausgeben könne. Das sei jetzt der Fall.

Pressefoyer nach dem Ministerrat

mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen).

„Unser Zugang ist, koste es, was es wolle, um Arbeitsplätze zu sichern“, so Kurz. Das bestehende Paket von vier Mrd. Euro wird auf 38 Mrd. erhöht – das ist fast die Hälfte des Budgets für das Vorjahr. Die Notfallhilfe für Branchen, die besonders betroffen sind, wird auf 15 Mrd. Euro aufgestockt, weitere zehn Mrd. Euro gebe es an Steuerstundungen, neun Mrd. Euro für Kreditgarantien.

„Größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“

Es handle sich um die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – die Folgen seien größer als jene der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009. Deshalb brauche es besondere und dramatische Maßnahmen, um gegenzusteuern, sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Die wichtigste Botschaft sei: „Alles, was es braucht – koste es, was es wolle – für Arbeitsplätze und Unternehmen“, sagte auch Kogler.

Die Finanzhilfen sollen zwar grundsätzlich allen Unternehmen offenstehen – zuerst soll aber direkt von der Krise betroffenen Branchen geholfen werden, sagte Kogler. Wer das sein wird, werde man aber erst nach Tagen oder Wochen sehen.

Von „ganz Kleinen“ bis zu „ganz Großen“

Man solle nicht „eifersüchtig“ sein, so Kogler, „aber wir helfen erst einmal jenen, die es am nötigsten brauchen“. Die Maßnahmen sollen gestaffelt nach Branchentypen ergriffen werden. Zuerst würden diese jenen gelten, „wo die Auswirkungen besonders hoch sind“. Das solle „von Einpersonenunternehmen bis rauf zu den Großen“ erfolgen – „ob das die ganz, ganz Kleinen sind oder die ganz Großen, damit wir diese stützen und helfen, damit die Arbeitsplätze in dieser Durststrecke erhalten bleiben“, so Kogler. Man wolle Dominoeffekte verhindern. Nur weil ein Unternehmen gerade zu wenig Geld in der Kasse habe, also zu wenig Liquidität, solle es nicht in Schwierigkeiten kommen.

„Wir werden jeden Betrag zur Verfügung stellen“

Man müsse jetzt tun, was nötig ist, um zu helfen, sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) – „wir leben in einer neuen Zeitrechnung“. Mittlerweile seien fast alle Branchen betroffen. Das Budget werde ganz anders ausfallen, als er sich das vor einer Woche gedacht habe. „Wir wissen nicht, welche Zahlen im Rechnungsabschluss drinstehen. Es ist auch in budgetärer Hinsicht eine Ausnahmesituation.“ Man werde jeden Betrag zu Verfügung stellen, um durchzukommen.

Die Gelder des zuletzt beschlossenen Vier-Mrd.-Euro-Pakets seien schon ausbezahlt, so Blümel. Verwendet worden seien sie etwa für den Ankauf von medizinischen Produkten. „Wir haben aber gewusst, dass das Geld nicht reichen wird.“ Seit Montag könnten Unternehmen Schnellanträge an das Finanzministerium stellen, um derzeit keine Steuern zu zahlen. Bisher seien 9.000 Anträge dafür eingelangt, sagte Blümel Mittwochabend in der ZiB2.

Finanzminister Blümel zum Hilfspaket für die Wirtschaft

Die Regierung hat am Mittwoch ein 38-Milliarden-Hilfspaket für die Wirtschaft geschnürt. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) erklärt im Interview, wofür das Geld verwendet werden soll.

Budgetrede entfällt

Die traditionelle Budgetrede wird wegen der Coronavirus-Krise erstmals seit 1953 entfallen. Das Budget wird zwar am Donnerstagabend in den Nationalrat eingebracht und am Freitag debattiert. Blümel wird dabei aber nur eine Erklärung zur budgetären Situation abgeben. Sein Budget sieht Blümel nur als „Momentaufnahme“.

Blümel deutete in der ZiB2 an, dass er zur Bekämpfung der Coronavirus-Krise bereit sei, beim Budgetdefizit noch deutlich weiter zu gehen. Gefragt, ob das Defizit „zur Not“ dieses Mal auch größer als nach der Finanzkrise werden könnte – 2009 lag es bei 5,3 Prozent des BIP – sagte Blümel: „Ich bin bereit, auch darüber hinaus zu gehen.“

49.000 Arbeitslose gemeldet

Mit dem zweiten – fast um ein Zehnfaches höheren – Hilfspaket signalisiert die Regierung: Sie will alles tun, um starke Einbrüche auf dem Arbeitsmarkt und eine Pleitewelle zu verhindern. Auch wenn sich die Lage noch nicht annähernd seriös abschätzen lässt, diese Signale, dass der Staat alles in Gang setzt, um einerseits Menschenleben zu retten – aber andererseits auch, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, sind jetzt essenziell.

Alleine Montag und Dienstag wurden zusammengerechnet um 49.000 Arbeitslose mehr als noch Sonntagabend gemeldet, so AMS-Chef Johannes Kopf. Betroffen von der „enormen Steigerung“ seien großteils Beschäftigte aus „dynamischen Branchen“, der Großteil aus dem Bereich Beherbergung und Gastronomie (20.000), 4.500 vom Bau und 3.900 aus dem Bereich Arbeitskräfteüberlassung.

Hilfspaket in Ausarbeitung

Derzeit sind allerdings noch viele entscheidende Punkte unklar. Nicht nur die Details des nunmehrigen 38-Milliarden-Hilfspakets, sondern auch jene des zuvor angekündigten Vier-Milliarden-Hilfspakets sind noch in Ausarbeitung. Erste Details dazu kündigte Blümel für Montag an. Erst dann wird für die einzelnen Unternehmen wohl abschätzbar, mit welcher staatlichen Hilfe sie rechnen können.

Unklarheit bei Entgeltfortzahlung

Unsicherheit herrscht etwa bezüglich der Entgeltfortzahlung, die auch für Selbstständige gelten kann. Diese ist laut Epidemiegesetz vorgesehen – diese Bestimmungen wurden durch die Coronavirus-Sondergesetze am Sonntag von der Regierung allerdings außer Kraft gesetzt. Derzeit ist unklar, ob damit Angestellte eines Betriebs, der schließt, um die – vom Staat finanzierte – Entgeltfortzahlung umfallen. Mehrere vom „Standard“ befragte Juristen waren sich in der Frage nicht einig.

ÖGB und Arbeiterkammer verwiesen am Mittwoch auf ein Rechtsgutachten, das dem Gewerkschaftsbund vorliegt, wonach auch geschlossene Betriebe ihren Mitarbeitern weiter Entgelt zahlen müssen. Sollten Nachschärfungen nötig sein, wäre die Regierung dazu bereit, so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Die steuerlichen Erleichterungen, die die Regierung gewährt, etwa die Stundung von Steuerleistungen, stehen dagegen fest. Sie können von Unternehmen bereits beim Finanzministerium beantragt werden – und das geschieht auch bereits.

Weitreichendere Ankündigungen in Deutschland

Mit den Ankündigungen vom Mittwoch folgt die ÖVP-Grünen-Regierung dem Beispiel Deutschlands. Dort wurden den Unternehmen bereits in der Vorwoche Kredite in unbegrenzter Höhe durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die staatliche Förderbank, zugesichert. Frankreich seinerseits hatte zuletzt angekündigt, notfalls werde man Unternehmen verstaatlichen, um deren Pleite zu vermeiden.