Polizeiabsperrung bei Sölden in Tirol
APA/EXPA/Johann Grodner
Coronavirus

Tirol unter Quarantäne, mehr Restriktionen

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, wurden Mittwochabend weitere Restriktionen angekündigt: Alle 279 Tiroler Gemeinden sind seit Mitternacht unter Quarantäne und dürfen nur mehr für Arbeit oder Grundversorgung verlassen werden. Zudem werden Rehaanstalten geschlossen – Parks und Spielplätze bleiben vorerst aber offen, wobei ein Meter Abstand zu jeder anderen Person unbedingt einzuhalten ist.

Tirol isoliert sich praktisch selbst: Die Heimatgemeinde darf nur dann verlassen werden, wenn es um die Deckung der Grundversorgung geht, um die Daseinsvorsorge oder um zur Arbeit zu kommen. Die Maßnahme soll ab Mitternacht und bis 5. April gelten, kündigte Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) Mittwochabend an. „Wir isolieren uns selbst“, sagte Platter.

Es ist nur eine Fahrt in den nächsten Ort erlaubt, sofern es im eigenen Ort keinen Arzt, keine Apotheke, kein Lebensmittelgeschäft oder keine Bank gibt. Dann dürfe die Gemeinde verlassen werden. Ausgenommen bleibt die Fahrt in die Arbeit: Dafür darf über mehrere Gemeindegrenzen hinweg gependelt werden. Kontrolliert werden soll das Ganze stichprobenartig von der Polizei.

Einschränkungen auch für Einreise

Zudem grenze sich Tirol zu seinen Nachbarn ab, so Platter in seiner Nachricht auf Facebook weiter. Das heißt, dass nur jene nach Tirol einreisen dürfen, die in Tirol zu Hause sind oder in der kritischen Infrastruktur oder Versorgung arbeiten. Der Warenverkehr bleibt unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, praktisch soll sich nichts ändern, hieß es auf Nachfrage.

Der öffentliche Verkehr soll bestehen bleiben. In den öffentlichen Verkehrsmitteln müssen die Fahrgäste jedoch einen Mindestabstand von einem Meter einhalten. Sollte das nicht mehr möglich sein, dürfe nicht mehr zugestiegen werden. Das Spazierengehen bleibt auch weiterhin erlaubt, jedoch nicht mehr über die eigene Gemeindegrenze hinaus.

Geht auf breite Kritik ein

Erstmals räumte Platter auch indirekt ein, dass man – zumindest im Nachhinein betrachtet – wohl rascher und entschlossener hätte handeln sollen. Freilich betonte der Landeshauptmann, die Situation sei völlig neu, im Nachhinein sei es leichter, die Situation einzuschätzen.

Tirol war in den vergangenen Tagen durch teils heftige Kritik aus dem In- und Ausland stark unter Druck geraten. Mehrere hundert Personen in Skandinavien sollen sich bei Apres-Ski-Partys in Tirol, vor allem in Ischgl und St. Anton, infiziert haben. Die Sperre der Skigebiete sei auf wirtschaftlichen Druck hin viel zu spät erfolgt, wurde dem Land vorgeworfen. Die Vorgangsweise war bis zuletzt verteidigt worden, bis Platter am Dienstag schließlich meinte, dass die Abläufe nach der Krise „auf den Prüfstand“ gestellt werden müssten.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) begrüßte die Maßnahme in Tirol in einer ersten Reaktion. Platter habe ihn über die Entscheidung des Landes informiert, den Schritt als Maßnahme gegen die steigende Zahl der Infizierten zu setzen, so Anschober Mittwochabend in der ZIB2. Man habe in Italien gesehen, dass dies helfe. Bisher sei eine vergleichbare Maßnahme in keinem weiteren Bundesland geplant.

Parks und Spielplätze bleiben offen

Anschober kündigte für ganz Österreich ebenfalls weitere Maßnahmen an: Kur- und Rehaeinrichtungen werden geschlossen, ebenso Thermen, das werde bereits am Donnerstag fixiert und am Freitag rechtskräftig. Parks sollen jedoch vorerst offen bleiben. „Derzeit gibt es keine Schließung von Parks“, so Anschober in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag. Der Mindestabstand von einem Meter sei dabei aber unbedingt einzuhalten, so Anschober Donnerstagmittag.

Einschränkungen über Monate erwartet

Grundsätzlich zeigte sich Anschober zufrieden mit der Einhaltung der bisher verhängten Maßnahmen, es brauche aber noch einige Zeit, bis sich auch wirklich alle Menschen daran halten würden. Es sei ein Prozess. Die Experten würden für Österreich von einer Infektionsrate von 20 Prozent ausgehen, also weniger als etwa in Deutschland mit einer prognostizierten Infektionsrate von 60 Prozent.

Eine Evaluierung, ob die ersten Maßnahmen greifen, erwartet Anschober gegen Ende der Woche, Mitte kommender Woche die Ergebnisse der scharfen Einschnitte vom Wochenende. Um die Ansteckungskurve aber wirklich flach zu halten und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, rechnet Anschober aber nicht mit Wochen, sondern mit Monaten, in denen die Beschränkungen im Alltag aufrechterhalten werden müssen.

Mehr Todesfälle

Die Anzahl der Personen, die nach einem positiven Coronavirus-Test gestorben sind, erhöhte sich am Mittwoch deutlich. Donnerstagfrüh meldete das Gesundheitsministerium insgesamt fünf, die von den Bezirksverwaltungsbehörden eingemeldet wurden. Dabei handelt es sich laut dem Ministerium um zwei Fälle aus Wien (Stand Donnerstagfrüh) und drei aus der Steiermark. Zusätzlich starben am Mittwoch weitere Menschen, die zuvor positiv auf das Virus getestet worden waren.

48-jährige Wienerin starb an Infektion

Jene 48-jährige Wienerin, bei der zuletzt noch unklar war, ob sie an einer Covid-19-Infektion verstorben ist, ist nun ein bestätigter Fall. Das teilte der Sprecher des Krisenstabs am Donnerstag mit. Sie ist damit die dritte Person, die in Wien nach einer Infektion mit dem Coronavirus verstarb. Die Frau starb laut Gerichtsmedizin an einem durch die Infektion hervorgerufenen akuten Lungenödem in Verbindung mit einem Herzversagen. Die Betroffene hatte mehrere hohe Risikofaktoren, wobei dazu keine näheren Angaben gemacht wurden.

In Linz starb eine 27-jährige Frau, die laut Landessanitätsdirektion wegen schwerer Grunderkrankungen bereits länger im Kepler Universitätsklinikum in Behandlung gewesen war. Der Fall sei somit „nur indirekt mit der momentanen Corona-Thematik verknüpft“, so der ärztliche Direktor Ferdinand Waldenberger. Er wolle daher vor Hysterie warnen.

Die Patientin war seit 13. März im Universitätsklinikum und lag zuletzt auf der Intensivstation. Die junge Frau habe seit rund 14 Jahren an schweren Erkrankungen gelitten. Während der Behandlung dieser Grunderkrankungen sei sie unter anderem auch auf Covid-19 getestet worden, so Waldenberger in einer Aussendung. Man habe nach Bekanntwerden des positiven Testergebnisses sämtliche Maßnahmen ergriffen, um andere Patienten und das Personal zu schützen – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Akuter Schlaganfall

In Niederösterreich starb am Dienstag ein 76-Jähriger im Landesklinikum Melk. Auch er war zuvor positiv auf das Coronavirus getestet worden. Es habe sich auch hier um einen Patienten „mit einer massiven Grunderkrankung“ gehandelt, teilte der Ärztliche Direktor Rupert Strasser laut Landeskliniken-Holding mit. Er war zuvor im Universitätsklinikum St. Pölten hinsichtlich verschiedenster schwerer Grunderkrankungen behandelt worden und habe dafür keine intensivmedizinische Behandlung mehr gewollt, so Strasser – mehr dazu in noe.ORF.at.

In der Steiermark starben in der Nacht auf Mittwoch zwei infizierte Männer. Wie die Landessanitätsdirektion mitteilte, waren sie beide Jahrgang 1940, einer aus Graz-Umgebung, der andere aus dem Bezirk Murtal. Der Patient aus Graz-Umgebung war akut wegen eines Schlaganfalls ins Krankenhaus gebracht worden, sagte die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft KAGes.

Der Patient aus dem Murtal habe ebenfalls schwere Vorerkrankungen gehabt und sei bereits seit der Vorwoche in stationärer Behandlung gewesen. Er hatte Diabetes und damit einhergehend weitere Erkrankungen. In beiden Fällen müssen die Behörden noch abklären, in welchem Zusammenhang der Tod der Patienten mit dem Coronavirus steht. Es sei noch nicht klar, ob die Infektion mit Covid-19 überhaupt mitschuldig war – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Grenzkontrollen zu Deutschland

In anderen Teilen Österreichs wurden am Mittwoch ebenfalls die Maßnahmen verschärft. So führt Österreich an der Grenze zu Deutschland Grenzkontrollen samt Gesundheitschecks durch. Wie schon an den Grenzen zu Italien, Schweiz und Liechtenstein werden alle kleineren Grenzübergänge geschlossen, teilte eine Sprecherin von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) der APA mit. Deutschland kontrolliert seine Grenze zu Österreich schon seit Dienstag. Einreisen dürfen nur noch Personen mit „triftigem Reisegrund“, wie z. B. Berufspendler.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner sagte am Nachmittag bei einer Pressekonferenz, dass es ab Mitternacht Grenzkontrollen nun auch zu Deutschland geben werde. In Absprache mit dem Bund werde ein Assistenzeinsatz des Bundesheeres vorbereitet, so Wallner. Und jene Menschen, die in den Tiroler Quarantänegebieten waren, erhalten eine behördliche Anweisung, sich in Isolation zu begeben – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at

Quarantäne und Sperren

Auch die Vorarlberger Arlbergregion wurde unter Quarantäne gestellt. Betroffen waren die Gemeinden Lech, Klösterle, Warth und Schröcken. Im Bundesland Salzburg wurde angekündigt, dass zwei ganze Täler und die Gemeinde Flachau unter Quarantäne gestellt werden. Betroffen sind das Gasteinertal mit den Gemeinden Bad Gastein, Bad Hofgastein und Dorfgastein sowie das Großarltal mit den Kommunen Großarl und Hüttschlag, wie Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) in einem Livestream des Landes mitteilte – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

In Kärnten wurde die Goiginger Kaserne in Bleiburg wegen des Verdachts auf Infektionen geschlossen. Von elf Soldaten aus Tirol, die zu einer Kaderanwärterausbildung nach Kärnten gekommen waren, hatten vier bei einem Fiebercheck erhöhte Temperatur. Doch am Donnerstag wurde bestätigt, dass die vier Soldaten nicht mit dem Coronavirus infiziert sind – mehr dazu in kaernten.ORF.at. In Salzburg wurde ein Asylheim unter Quarantäne gestellt, nachdem ein mit Grippesymptomen erkrankter Bewohner positiv getestet worden war. 162 Bewohner dürfen das Haus nun nicht mehr verlassen – mehr dazu in salzburg.ORF.at