Mediziner wird mit Schutzkleidung ausgerüstet
APA/AFP/Joe Klamar
Engpass

Wettlauf um Schutzausrüstung

Die Coronavirus-Pandemie hat in Österreich ihren Höhepunkt noch nicht erreicht – gleichzeitig wird die Schutzausrüstung für das medizinische Personal teils bereits knapp. Statt Solidarität ist europaweit ein Wettlauf um die noch vorhandenen Ressourcen im Gange. Das Problem ist ein globales – und eines der Globalisierung.

Es ist weitgehend ein Ringen von lauter Einzelkämpfern, das die europäischen Länder derzeit gegen die Pandemie liefern: Jeder Staat versucht, sich selbst bestmöglich für den Krisenfall zu rüsten. Vergessen wird dabei vielfach, dass eine enge Kooperation bei der Eindämmung des Virus entscheidend sein dürfte. Aktuell zeigt sich die mangelnde Solidarität vor allem in zwei Bereichen: bei den teils unkoordinierten Grenzschließungen und vor allem bei den Auslieferungsstopps für dringend benötigte Schutzausrüstung.

So hatten bekanntlich Deutschland und Frankreich den Export von Schutzmasken, Handschuhen und Schutzkleidung in andere EU-Staaten untersagt. Auch bei den Beatmungsgeräten für die Versorgung von Intensivpatientinnen und -patienten droht ein Engpass, wie ihn Italien bereits seit vergangener Woche erlebt.

In Österreich warnten bereits mehrere Spitäler und Institutionen, dass die Schutzausrüstungen knapp werden. Nach Kritik und Klagen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gab das Land Kärnten am Donnerstag 40.000 Schutzmasken aus seinen Beständen frei. Die Verteilung der 40.000 Masken erfolgt über die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) in Kärnten. In Wien wurde betont, dass die Spitäler über ausreichend Schutzausrüstung verfügten – mehr dazu in wien.ORF.at.

Globalisierte Warenketten als Bumerang

Das Problem: Aufgrund der globalisierten Produktionsketten werden diese Artikel mittlerweile in Europa praktisch nicht mehr produziert. Alle Regierungen versuchen derzeit zu eruieren, ob die Produktion der so dringend benötigten sterilen Einwegschutzausrüstung jeweils im eigenen Land rasch hochgefahren werden kann. Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist laut eigenen Angaben in Gesprächen mit heimischen Firmen. Details sind bisher allerdings nicht bekannt.

Anschober: Weitere Schließungen stehen bevor

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kündigte im ZIB2-Interview weitere Maßnahmen an. Und er betonte, man versuche, Schutzausrüstung in Österreich zu produzieren.

Deutscher Ausfuhrstopp ganz aufgehoben

Nach tagelangem Hin und Her war es zumindest gelungen, den von Berlin verhängten Ausfuhrstopp aufzuheben. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hatte laut eigenen Angaben bei ihrem deutschen Amtskollegen Peter Altmaier darauf hingewirkt, dass „es zu einer Aufhebung der deutschen Exportkontrollen für Schutzausrüstung kommt“ und dass „die notwendigen Güter nach Österreich transportiert werden dürfen“.

Laut Schramböcks Ressort handelt es sich bei dem jetzt freigegebenen Material großteils um nicht in Deutschland produzierte, dort aber gelagerte Schutzausrüstung, die für die Ausfuhr nach Österreich gesperrt war. Es handle sich um eine „essenzielle Menge“ an Handschuhen sowie Schutzkleidung für Spitäler.

EU macht gemeinsame Beschaffung

Mittlerweile kündigte die EU-Kommission am Donnerstag die Schaffung eines gemeinsamen EU-Vorrates an medizinischer Ausrüstung an. Dieser soll laut EU-Katastrophenschutzkommissar Janez Lenarcic Equipment für die Intensivbetreuung wie Beatmungsgeräte, persönliche Schutzausrüstung wie Masken, Impfungen und Therapeutika sowie Laborgeräte umfassen.

EU-Länder melden sich freiwillig zur Beschaffung und sind auch für die Lagerung der Ausrüstung zuständig, die EU kofinanziert bis zu 90 Prozent der Kosten, erklärte Lenarcic die Funktionsweise. Rund ein halbes Dutzend EU-Mitgliedsländer hätten Interesse daran bekundet, so der EU-Kommissar. Dazu zählt auch Österreich. Anschober hatte in der ZIB2 diese Initiative bereits angesprochen.

Grenzen werden hochgezogen

Auch eine der Grundsäulen der Europäischen Union, der freie Personenverkehr, wird angesichts der Pandemie vermehrt ausgehebelt. Österreich hat mittlerweile Kontrollen an den Grenzen zu Italien, der Schweiz, Liechtenstein und Deutschland wiedereingeführt. Im Wesentlichen ist nur die Durchreise erlaubt – und auch das nur bei einem entsprechenden ärztlichen Attest.

Umgekehrt haben vor allem die nördlichen und östlichen Nachbarländer – Ungarn, die Slowakei und Tschechien – ihrerseits Kontrollen eingerichtet. Am burgenländischen Grenzübergang Nickelsdorf kam es am Mittwoch zu einem mehr als 40 Kilometer langen Stau. Ähnliche Szenen gab es an mehreren Übergängen an der deutsch-polnischen Grenze. Ungarn und Polen hatten kurzfristig und einseitig als Schutzmaßnahme gegen die Pandemie die Grenzen zugemacht.

Vor allem Güterverkehr soll weitergehen

Auf EU-Ebene gelobten die EU-Länder nach den Riesenstaus, das Problem anzugehen und den Verkehr innerhalb Europas trotz der Pandemie am Laufen zu halten. Man sei sich einig, Störungen so gering wie möglich zu halten, vor allem für wichtige Gütertransporte, so das EU-Vorsitzland Kroatien am Mittwochabend in Brüssel. Freilich dürften die Einzelgänge trotzdem weitergehen.