AMS-Logo
ORF.at/Christian Öser
Fast 100.000 mehr

Zahl der Arbeitslosen stark gestiegen

Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben wie erwartet auch schwere Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Zwischen Montag und Donnerstag verzeichnete das Arbeitsmarktservice (AMS) insgesamt 97.500 zusätzliche als arbeitslos gemeldete Menschen. Das neue Kurzarbeitszeitmodell soll laut Regierung nun verhindern, dass diese Zahl noch viel stärker steigt.

Von den neuen Arbeitslosen würden 36.000 aus dem Tourismus, 11.000 vom Bau und 9.000 aus dem Bereich sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen, hauptsächlich aus der Leiharbeitsbranche, stammen, sagte AMS-Vorstand Johannes Kopf am Freitagnachmittag. Damit ist die Zahl der Arbeitslosen in nur vier Tagen um ein Viertel gestiegen. Ende Februar waren in Österreich fast 400.000 Personen ohne Job – Arbeitslose und Schulungsteilnehmer zusammengerechnet.

Laut dem AMS-Chef haben sich überdies mehr als 18.000 Unternehmen wegen der neuen Covid-19-Kurzarbeitsregelung beim Arbeitsmarktservice gemeldet. Die Zahl hatte zuvor bereits Arbeitsministerin Christina Aschbacher (ÖVP) in einer Pressekonferenz Freitagmittag genannt. Das AMS habe die mit Kurzarbeit befasste Einheit bereits von 40 auf 600 Mitarbeiter aufgestockt. Das Geld an die Unternehmen werde ab 1. April so rasch wie möglich fließen.

„Kurzarbeitsrechner“ auf Ministeriumsseite

Die Arbeitsministerin erinnerte daran, dass – bis zur Höchstbemessungsgrundlage – allen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der Ersatz von mindestens 80 Prozent des Nettoeinkommens garantiert werde. Wer etwa derzeit 2.000 Euro brutto verdiene, komme bisher auf 1.500 netto und werde im Kurzarbeitsmodell 1.275 Euro netto erhalten. Unternehmen müssten nur zahlen, was die Mitarbeiter tatsächlich leisten.

Aschbacher (ÖVP): „Alle die Kurzarbeit beantragen, bekommen Kurzarbeit“

Zwischen Montag und Donnerstag verzeichnete das AMS fast 100.000 zusätzliche als arbeitslos gemeldete Menschen. Arbeitsministerin Christine Aschbacher äußert sich in der ZIB 2 unter anderem dazu, warum das Modell der Kurzarbeit von den Unternehmen nicht angenommen wird und wie man den massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern kann.

Das Ministerium stelle auf der Homepage ein Musterformular und einen „Kurzarbeitsrechner“ zur Verfügung. Mit diesem können sich Unternehmen ausrechnen, wie viel Unterstützung sie erhalten. Die Devise müsse „Kurzarbeit statt Kündigung“ sein. Freitagabend versicherte Aschbacher im ZIB2-Interview überdies, dass „alle, die Kurzarbeit beantragen, auch Kurzarbeit bekommen“. Das könne sie „mit absoluter Sicherheit garantieren“.

STRABAG und Andritz melden Kurzarbeit an

Mit einem verstärkten Andrang auf die Kurzarbeit rechnet jedenfalls die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Die Arbeitgeber würden nach den Neuerungen nun mehr Geld erhalten als bisher, zudem sei das Modell stark vereinfacht worden, so Karlheinz Kopf, Generalsekretär der WKÖ, laut Aussendung vom Freitag. Die Arbeiterkammer (AK) wiederum fasste inzwischen Fragen und Antworten zum neuen Kurzarbeitsmodell zusammen.

Österreichs größter Baukonzern, die STRABAG, kündigte am Freitag nun doch an, Kurzarbeit zu beantragen. Die im Raum gestandene Kündigungswelle dürfte damit zurzeit gestoppt sein. Auch die Ryanair-Tochter Laudamotion will Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Kurzarbeit anmelden. Das Gleiche gilt laut einem Bericht des „Standard“ auch für den Anlagenbaukonzern Andritz. 3.800 Personen seien bereits für Kurzarbeit angemeldet worden, bestätigte ein Konzernsprecher der Zeitung.

Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie fehlt Personal

Während die Zahl der arbeitslos Gemeldeten steigt und wohl viele Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, werden in manchen Branchen zugleich händeringend Arbeitskräfte gesucht. So fehlten der Landwirtschaft zurzeit rund 5.000 Erntehelfer, und auch in der Lebensmittelindustrie würden Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Pressekonferenz zum Thema Kurzarbeit

Arbeitsministerin Christine Aschbacher und Zivildienst-Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) haben in einer Pressekonferenz die Vorteile des Kurzarbeitsmodells präsentiert und an die Wirtschaftstreibenden appelliert, dieses Modell zu nutzen.

Dringend gesucht würde etwa Personal aus der Gastronomie für die Fleischverarbeitung, Menschen mit Lkw-Führerschein, Helfer in der Verpackungsindustrie oder beim Regalschlichten. Zur Vermittlung von Arbeitskräften wurde die Plattform „www.dielebensmittelhelfer.at“ eingerichtet. Wer in die Erntehilfe geht, wird dann nach Kollektivvertrag entlohnt, die Bezahlung kommt aber nicht aus dem 38-Milliarden-Hilfspaket. Die Regierung helfe nur bei der Vermittlung der Interessierten, um Anreise, Bezahlung und Quartier kümmerten sich die Unternehmen.

„Nachwirkungen werden Monate dauern“

Die steigende Arbeitslosigkeit und die neuen Regeln für die Kurzarbeit waren auch Thema bei der freitäglichen Sitzung des Nationalrats. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte in seiner Rede, die Republik wolle alles tun, um zu helfen. Es handle sich um eine „noch nie dagewesene große Zahl“, weswegen die Regierung ein Hilfspaket geschnürt habe. Kurz bedankte sich dafür, dass diese Hilfe „quer über die Parteigrenzen mitgetragen“ werde. Er lobte schließlich auch das „gute gemeinsame Vorgehen“ mit der Opposition.

Regierung präsentiert Budget

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat am Freitag den ersten Budgetentwurf der Regierung vorgelegt. Dieser stand natürlich ganz im Zeichen der aktuellen Coronavirus-Krise.

„Es sind nicht nur Tage, es werden Wochen sein, und viele Nachwirkungen werden Monate dauern“, sprach auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Begleiterscheinungen der Maßnahmen an. Er könne die Zurufe der Opposition verstehen, die noch immer unzureichende wirtschaftliche Hilfen kritisierte. „Es ist uns völlig bewusst, wer schnell hilft, hilft doppelt“, meinte er dazu, niemand solle zurückbleiben. Unternehmer müssten aber auch Verständnis dafür entwickeln, „dass am ersten Tag nicht jeder das Gleiche kriegt wie ein anderer“.

„Budget der Krise“

Zu Beginn der Sitzung hatte Finanzminister Gernot Blümel seine Erklärung zum Budget abgegeben – die eigentliche Budgetrede war ja aufgrund der Coronavirus-Krise gestrichen worden. Blümel sprach einmal mehr von einem „Budget der Krise“. Es müsse nun alles Mögliche getan werden, damit Menschen ihre Fixkosten decken, Arbeitsplätze und Unternehmen erhalten werden. Entscheidend sei nicht die Zahl im Rechnungsabschluss, sondern wie viele Menschenleben, Arbeitsplätze und Unternehmen gerettet werden können. Welche Zahlen „am Ende des Tages“ im Rechnungsabschluss stehen würden, wisse man nicht, sagte Blümel.

SPÖ und FPÖ wollen Arbeitsplatzgarantie

SPÖ und FPÖ, sonst eher selten einer Meinung, sprachen sich in der Debatte am Freitag für eine Jobgarantie aus. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner plädierte dafür, Unterstützungsleistungen für Unternehmen an eine solche zu koppeln. Dafür sprach sich auch der freiheitliche Klubobmann Herbert Kickl aus. Die größte Gesundheitskrise der Zweiten Republik dürfe nicht auch noch zur größten Sozialkrise werden, sagte die SPÖ-Chefin. Man müsse verhindern, dass der soziale Friede zu etwas werde, „woran wir uns nur noch vage erinnern“.

Für Kickl wird die Welt nach der Krise eine neue Normalität haben, in der vieles anders gesehen wird – etwa die EU. Denn diese habe in der Finanzkrise alle Schleusen für die Finanzwirtschaft aufgemacht. Aktuell herrsche eine Mischung aus Abwesenheit, Trägheit und Hilflosigkeit. Kritisch sieht der Freiheitliche auch die Globalisierung, und hinterfragen werde man wohl auch das Kaputtsparen in Spitälern und im Sicherheitsbereich müssen, das von früheren Regierungen verantwortet werde.

NEOS kritisiert Abwicklung von Härtefonds über WKÖ

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger bezeichnete die Zustimmung ihrer Partei zum aktuellen Gesetzespaket als Selbstverständlichkeit, hatte aber inhaltlich dennoch einiges auszusetzen. So wiederholte sie die Kritik, dass die Mittel aus dem Härtefonds über die Wirtschaftskammer abgewickelt werden. Das sei umso unverständlicher, als diese überhaupt erst zu den Daten kommen müsse und sich um Berufsgruppen zu kümmern habe, mit denen sie bisher nichts zu tun gehabt hätte. Die Kritik wurde auch von SPÖ und FPÖ geteilt.

Die Grüne Elisabeth Götze verteidigte diese Entscheidung damit, dass die Finanz ohnehin mit dem Thema Stundungen genug belastet sei und über die Kammern eine rasche unbürokratische Handhabung möglich sei. Der zurzeit mit einer Milliarde Euro dotierte Härtefonds soll stark betroffenen Einpersonen- und Kleinunternehmen (EPU) zugutekommen. Das Geld soll bereits ab der nächsten Woche ausbezahlt werden. Genaue Details dazu nannte allerdings auch Arbeitsministerin Aschbacher Freitagabend noch nicht. In der ZIB2 verwies sie dafür auf die Homepage der Wirtschaftskammer.

Zweites Paket einstimmig beschlossen

Am Abend segnete der Nationalrat schließlich einstimmig das zweite, noch umfangreichere Paket zur Bekämpfung der Coronavirus-Krise einstimmig ab. Auch die Opposition stimmte trotz etlicher Bedenken zu. Von ihren Anträgen fand allerdings keiner eine Mehrheit. Mit dem Gesetzespaket werden 44 Gesetze entweder novelliert oder neu eingeführt. Die meisten der Krisenregelungen wurden zeitlich befristet. Um ein möglichst rasches Inkrafttreten zu ermöglichen, wird der Bundesrat schon am Samstag tagen. Ein Einspruch der Länderkammer ist nicht zu erwarten.