Mann beim Errichten eines Triage-Zelts
APA/AFP/Casa de S.M. el Rey
Coronavirus

Gesundheitssystem in Spanien droht Kollaps

Fast 25.000 Infizierte, mehr als 1.300 Tote: Nach Italien ist Spanien das von der Coronavirus-Krise am stärksten betroffene Land Europas. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das staatliche Gesundheitssystem an seine Grenzen gerät. Die Regierung in Madrid hofft indes, dass die drastischen Maßnahmen im Kampf gegen das Virus bald greifen.

„Spanien geht nun in die dunkelste Phase in der Coronavirus-Krise über“, schreibt die spanische Zeitung „El Pais“ am Samstag. „Die schlimmsten Tage liegen vor uns“, sagte auch Gesundheitsminister Salvador Illa am Freitag. Noch sei allerdings nicht klar, ob die harten Maßnahmen, die die Regierung vor einer Woche beschlossen hatte, die Ausbreitung des Virus eindämmen können. „Wir müssen uns weiterhin bemühen“, sagte der Leiter der Behörde für Gesundheitliche Notfälle (CCAES) Fernando Simon.

Spanien hatte am vergangenen Samstag eine Ausgangssperre beschlossen, die bereits tags darauf in Kraft getreten war. Gelten sollte die Ausgangssperre für mindestens 15 Tage, könnte aber vom Parlament verlängert werden. Die knapp 47 Millionen Spanier dürfen seither nur in Ausnahmefällen aus dem Haus und wenn, dann nur ohne Begleitung. Es gibt viele Polizeikontrollen, es drohen Geld- oder sogar Haftstrafen. Der Alarmzustand war nach der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1975 nur einmal ausgerufen worden: 2010 wegen eines Fluglotsenstreiks.

Soldaten auf den Straßen in Palma de Mallorca
AP/Francisco Ubilla
Spanier dürfen nur noch in Ausnahmefällen aus dem Haus – bei Verstößen drohen hohe Strafen

Madrid als Epizentrum

Trotzdem stieg die Zahl an Infizierten in den vergangenen Tagen rasant. Samstagmittag lag diese bereits bei knapp 25.000 – das sind rund 5.000 mehr als noch 24 Stunden zuvor. Auch die Zahl der Todesopfer stieg seit Freitagmittag um 300 an und lag Samstagmittag bei 1.326 Personen. Simon gab jedoch bereits am Freitag bekannt, dass die Dunkelziffer der Infizierten weit höher sein könnte, weil es in Spanien an Tests mangeln würde.

Die Hauptstadt Madrid gilt indes weiterhin als Epizentrum: Samstagmittag gab es dort rund 8.900 Infizierte sowie rund 800 Tote. Das örtliche Verkehrsministerium kündigte an, ab sofort auch Linienbusse zum Transport der Kranken einzusetzen. Die zweitmeisten Coronavirus-Fälle gibt es indes in Katalonien (mehr als 4.200 Infizierte und rund 120 Tote), gefolgt vom Baskenland mit mehr als 1.700 Fällen und 85 Toten. Berichten zufolge gerät das Gesundheitssystem schon jetzt an seine Grenzen – vor allem in Madrid.

Bericht: Ethischer Leitfaden für Ärzte

Einem „El Pais“-Bericht zufolge würde sich das medizinische Personal deshalb bereits darauf vorbereiten, im Falle eines Mangels an Intensivbetten Entscheidungen über Leben und Tod treffen zu müssen. So wurde etwa ein ethischer Leitfaden erarbeitet, um Ärztinnen und Ärzten bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Dem Bericht zufolge sollen jenen Patienten, deren Lebenserwartung wie auch Lebensqualität höher sei, bevorzugt werden. Das Alter der Patienten sei dabei aber nicht ausschlaggebend.

Laut Simon gibt es aktuell 4.400 Intensivbetten in Spanien. Die Region Madrid kündigte indes an, das Messegelände Ifema am Stadtrand in ein provisorisches Krankenhaus mit 5.500 Betten umzufunktionieren. Dort könnten auch Intensivpatienten betreut werden. Indes wurden auch mehrere Hotels zu Quarantänestationen für Patienten mit milderen Symptomen umfunktioniert.

„Virus wird uns nicht bezwingen“

Die Behörden hoffen, dass die Ansteckungswelle bald ihren Höhepunkt erreicht und sich die Entwicklung dann verlangsamt. Die spanische Regierung sowie der spanische König waren zuletzt darum bemüht, der Bevölkerung Mut zuzusprechen. „Dieses Virus wird uns nicht bezwingen. Es wird uns als Gesellschaft stärker machen“, sagte Spaniens König Felipe VI. am Mittwochabend in einer Rede an die Nation.

König Felipe VI
APA/AFP/Casa de S.M. el Rey
Spaniens König Felipe VI. machte der Bevölkerung in einer Rede an die Nation Mut

Von den Weihnachtsansprachen abgesehen war es die erste Rede von Felipe an die Nation seit Oktober 2017, als er aus Anlass des Höhepunktes des Unabhängigkeitskonflikts in der Region Katalonien zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung aufrief.

Schulterschluss zwischen Regierung und Opposition

Die Regierung unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez hatte angesichts der Krise angekündigt, eine Rekordsumme von 200 Milliarden Euro zur Unterstützung der Wirtschaft und der Arbeitnehmer zu mobilisieren, das sind etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die oppositionelle konservative Volkspartei (Partido Popular/PP) – die sonst stets auf Konfrontationskurs mit den regierenden Sozialisten von Sanchez ist – sagte ihm ihre volle Unterstützung zu.