Frau in einer leeren Bahnstation in Barcelona
AP/Joan Mateu
Coronavirus

Die Welt steht still

Von New York bis Buenos Aires, von Paris bis Moskau, von Mumbai bis Peking – nach und nach haben Länder auf der ganzen Welt Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus verhängt. Während man sich auf der einen Seite der Welt mit Grenzschließungen und Ausgangssperren rüstet, fürchtet man auf der anderen bereits eine mögliche zweite Welle.

Knapp eine Milliarde Menschen rund um den Globus müssen wegen der Coronavirus-Pandemie das Wochenende laut Schätzungen in den eigenen vier Wänden verbringen. Weltweit wurden bisher über 300.000 Covid-19-Fälle bestätigt, mehr als 81.000 davon meldete China.

Nach 41 neuen Fällen am Samstag gab es am Sonntag 46 neue Fälle, bei denen es sich ausschließlich um Reisende handelt, die jüngst aus dem Ausland zurückgekehrt sind. In diesem Zusammenhang standen sechs Todesfälle, wie die Gesundheitskommission in Peking mitteilte. Dazu kam nach offizieller Darstellung noch eine neue Infektion mit dem Coronavirus, die im Inland übertragen wurde.

Yangtze Brücke in Wuhan
APA/AFP
Eine leere Brücke in Wuhan – in China bereitet man sich bereits auf eine mögliche zweite Welle vor

Furcht vor zweiter „importierter“ Ansteckungswelle

Peking setzte folglich Maßnahmen in Gang, um eine zweite Welle von Infektionen zu verhindern. Unter anderem verhängte die Regierung eine Quarantäne für alle, die aus dem Ausland in die Hauptstadt einreisen wollten. Einige Flüge mit Ziel Peking wurden umgeleitet.

Auch in Taiwan stieg die Furcht vor einer zweiten Ansteckungswelle. Nachdem der Inselstaat es zunächst geschafft hatte, durch schnelles Handeln die Ausbreitung des Virus zu unterbrechen, vermeldete das Land am Samstag ebenso einen weiteren Anstieg bei den importierten Covid-19-Fällen. Davon betroffen seien 18 taiwanische Staatsbürger, die in ihre Heimat zurückkehrten – unter anderem aus den USA.

Die australische Regierung forderte die Bevölkerung am Sonntag indes auf, alle unnötigen Reisen im Inland zu unterlassen. Gleichzeitig wurden drastische Maßnahmen im Bereich der sozialen Distanz angekündigt, um die Menschen dazu zu bringen, voneinander Abstand zu halten.

Trump: Landesweite Ausgangssperre nicht nötig

In den USA wurden zwar bereits Einreisestopps für Europa, den Iran und China verhängt sowie die Grenzen zu Mexiko und Kanada weitgehend geschlossen, dennoch gab sich US-Präsident Donald Trump was weitere Maßnahmen betrifft zurückhaltend. Er sagte am Freitag, er erwäge derzeit keine landesweite Ausgangssperre.

Und das, obwohl sich das Coronavirus in den USA mit bereits über 16.000 bestätigten Fällen schnell ausbreitet. In den stark betroffenen Bundesstaaten New York und Kalifornien wurden die Menschen daher von den Gouverneuren aufgerufen, das Haus nur für Einkäufe und andere dringende Erledigungen zu verlassen. Spaziergänge sind noch erlaubt.

Grand Central Station
AP/Invision/Evan Agostini
Grand, empty, Central Station in New York

Grenz- und Ausgangssperren in Südamerika

Grenz- und Ausgangssperren wurden auch in Südamerika verhängt. In Kolumbien etwa, wo 150 Fälle bestätigt wurden, soll die Ausgangssperre drei Wochen dauern. Ähnlich viele Fälle gibt es in Argentinien – hier dürfen die Menschen ihre Häuser und Wohnungen bis Ende März nicht mehr verlassen. Erlaubt sind lediglich Besorgungen in nahe gelegenen Lebensmittelgeschäften und Apotheken. Bereits am ersten Tag der weitgehenden Ausgangssperre sind fast 250 Argentinier und Argentinierinnen wegen Verstößen gegen die Anordnung festgenommen worden.

Zur Eindämmung der Pandemie wurde auch in Bolivien eine Ausgangssperre beschlossen, die beinhalte, dass jeder und jede 24 Stunden am Tag zu Hause sein müsse, so die Regierung. Pro Haushalt dürfe nur ein Mensch das Haus verlassen, um in Versorgungszentren einzukaufen.

In Brasilien, wo Präsident Jair Bolsonaro die Pandemie zunächst als „Fantasie“ abgetan hatte, schnellte die Zahl der bestätigten Fälle zuletzt auf mehr als 900. Das Gesundheitsministerium befürchtet, dass das Gesundheitssystem Ende April unter dem Druck der Krankheitswelle zusammenbrechen wird. Am Freitag wurde in Brasilien der Notstand ausgerufen, um so auf finanzielle Mittel zugreifen zu können.

Obelisk in Buenos Aires
Reuters/Matias Baglietto
Normalerweise herrscht in Buenos Aires reges Treiben auf den Straßen – doch nicht in diesen Tagen

Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in Europa

In Europa scheint sich indes eine Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen beobachten zu lassen. Während in Italien das Coronavirus bisher mehr Opfer gefordert hat als in jedem anderen Land der Welt und die Polizeikontrollen zur Einhaltung der Quarantänevorschriften am Samstag zusätzlich verschärft wurden, vergnügen sich in Schwedens Skiregionen indes nach wie vor Urlauber auf der Piste sowie bei bei Apres-Ski-Partys.

Dabei gibt es in Schweden mit 16 bereits mehr als doppelt so viele Coronavirus-Tote wie derzeit in Österreich – wo eine Ausgangsbeschränkung bereits zu Beginn der Woche in Kraft trat. Auch die Grenzen in Schweden sind für EU-Bürger nach wie vor offen, Schulen und Kindergärten sind ebenso in Betrieb wie Geschäfte. Im ganzen Land stehen offiziellen Angaben zufolge nur 523 Intensivbetten zu Verfügungen.

Landesweite Ausgangssperren wurden indes in Spanien und Frankreich verhängt, Deutschland prüft, die bereits gültigen Beschränkungen auf Sperren auszuweiten. In Großbritannien sind seit Freitagabend unterdessen Pubs, Kinos, Restaurants und Kultureinrichtungen geschlossen. Auch hier rüstet man sich, denn der britische Gesundheitsdienst NHS (National Health Service), der vor allem aus Steuermitteln finanziert wird, ist seit vielen Jahren chronisch unterfinanziert, überlastet und marode.

Triumphbogen in Paris
APA/AFP/Joel Saget
Keine Touristen und Touristinnen beim Triumphbogen in Paris. Der Grund auch hier: eine Ausgangssperre.

Afrika als Sorgenkind

Angesichts der Pandemie muss sich Afrika nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „auf das Schlimmste“ vorbereiten. „Afrika sollte aufwachen“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch. Vor allem überfüllte afrikanische Großstädte als Virusherd sowie das fragile Gesundheitssystem Afrikas bereiten Experten und Expertinnen Sorge. In Südafrika gebe es einem Bericht des „Guardian“ zufolge weniger als 1.000 Intensivbetten für 56 Millionen Menschen.

Bisher habe es auf dem Kontinent laut offiziellen Angaben zwar nur vereinzelt Infektions- und Todesfälle gegeben, unklar ist allerdings, ob sich das Virus in Afrika langsamer verbreitet als in anderen Teilen der Welt oder bisher schlicht nur selten nachgewiesen werden konnte. Ein flächendeckendes Vorgehen gibt es bisher nicht, einzelne Staaten verhängten allerdings bereits Maßnahmen wie Schulschließungen (Lagos, Nigeria), Reisebeschränkungen (Sierra Leone) oder Grenzschließungen (Südafrika). Laut einem Bericht der „Financial Times“ ergreife Afrika allerdings früher als Europa Maßnahmen, um die Ausbreitung einzudämmen – und orientiere sich dabei stark an China.

Jamie Moschee in Nairobi
AP/Khalil Senosi
Eine einsame Moschee in Nairobi – Afrika muss sich laut WHO im Kampf gegen das Coronavirus besonders wappnen

Wenige offiziell bestätigte Fälle in Russland

In Russland, dem flächenmäßig größten Land der Erde, gibt es nach offiziellen Angaben bisher vergleichsweise wenige Coronavirus-Infizierte. Stand Freitag waren es 253 Menschen. Regierungskritiker zweifeln die offiziellen Zahlen allerdings an. Die russische Regierung habe ebenso wie die Sowjetregierung eine „lange Geschichte, Probleme zu unterschätzen und zu verschweigen, die sich auf die Menschen auswirken könnten“, so die Russland-Expertin Maria Lipman. Gleichzeitig geben die Behörden aber zu, dass sich die Situation verschlechtere. Als eine der ersten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus verbot die Regierung Versammlungen von mehr als 5.000 Menschen.

Skepsis den offiziellen Zahlen gegenüber herrscht auch im Iran. Hier wurden am Freitag 1.433 Tote und 19.644 Infizierte gemeldet. Die tatsächlichen Zahlen dürften aber fünfmal höher sein, sagt die WHO. Am Freitag warnte der Bürgermeister von Maschad im Nordosten des Landes, Mohammed-Resa Kalaiee, vor einem gesundheitlichen Desaster, nachdem Zehntausende in die für Schiiten heilige Stadt gereist waren. Doch Präsident Hassan Rouhani spricht sich weiterhin gegen das Abriegeln von Städten aus. Argumentiert wird dieses Vorgehen häufig damit, dass sich die angeschlagene Wirtschaft das einfach nicht leisten könne und man Erkrankten dann schlechter helfen könne.

Russische Einsatzkräfte in Schutzkleidung
AP/Pavel Golovkin
Russische Einsatzkräfte in Schutzkleidung untersuchen Einreisende am Flughafen

Keine Infektionen in Syrien gemeldet

Syrien hat bisher offiziell noch keine Coronavirus-Infektionen gemeldet. Die WHO arbeitet laut eigenen Angaben daran, Ausrüstung für Coronavirus-Tests in die Region zu bringen. Tests sollten in der kommenden Woche beginnen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnte, eine Ausbreitung im Norden Syriens könnte ohne zusätzliche Hilfe zu einer kritischen Lage führen: „Die Erkrankung würde sich sehr schnell ausbreiten, vor allem in Lagern.“ Experten warnten aufgrund der kaum vorhandenen Gesundheitsversorgung bereits vor einem möglichen „Massensterben.“

Dass nur wenige Menschen getestet werden, könnte laut Experten auch der Grund dafür sein, warum es in Indien vergleichsweise wenig bestätigte Fälle gibt. Andererseits hat das nach China bevölkerungsreichste Land der Welt schnell und früh strenge Maßnahmen ergriffen. Indien war unter den ersten Nationen, die fast allen Ausländern die Einreise verboten. In der Finanzmetropole Mumbai sollen nach Angaben der Regierung bis Ende März alle Geschäfte und Büros schließen. In fast allen Bundesstaaten bleiben zudem Bildungs- und Freizeiteinrichtungen geschlossen.