Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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Coronavirus

Anschober will bei Tests „massiv zulegen“

Bisher sind in Österreich über 21.300 Coronavirus-Testungen durchgeführt worden. Mehr als 3.500 Menschen wurden positiv getestet. Immer wieder wird allerdings Kritik laut, dass zu wenig getestet werde. Sonntagabend betonte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der ORF-Sendung „Im Zentrum“, dass die Testungen in den kommenden zwei bis drei Wochen „massiv zulegen“ werden.

Es sei wichtig, Verdachtsfälle zu testen, so Anschober. Derzeit seien es 20 Labore in Österreich, die testen können. Die Tests seien eine wichtige Ergänzung zu den Maßnahmen, die zur Einschränkung der sozialen Kontakte gesetzt wurden. Hinzu käme in Österreich die Möglichkeit für jeden Arzt, einen Test für einen Patienten – unabhängig vom Vorliegen eines Verdachtsfalles – nach seiner eigenen medizinischen Entscheidung anzuordnen. Anschober: „Das letzte Wort hat der Arzt.“

Das kann die niedergelassene, niederösterreichische Ärztin Cornelia Tschanett in der Praxis noch nicht beobachten: „Wir wären froh, wenn alle mit einer eindeutigen Symptomatik einen Test bekommen würden.“ Das sei auch wichtig, damit Patienten nicht ungeschützt in die Spitäler kommen. Als Arzt „draußen“ fühle man sich alleingelassen.

„Im Zentrum“: Testen, schützen, helfen – Wie stark ist unser Gesundheitssystem?

Erstmals fand die ORF-Sendung „Im Zentrum“ ohne Studiogäste und ohne Publikum statt. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden via Skype bzw. Leitung ins Studio live zugeschaltet.

WHO fordert mehr Testungen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt europäische Regierungen selbst davor, im Kampf gegen das Coronavirus vor allem auf die Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens zu setzen. Das alleine reiche nicht, es müsse deutlich mehr getestet werden. „Worauf wir uns wirklich konzentrieren müssen, ist, die Kranken mit Infektionen zu finden und sie zu isolieren“, sagte der WHO-Experte Mike Ryan.

Die Tests würden derzeit nach oben gefahren, meint auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz in der Sendung „Im Zentrum“. Um alle Österreicher und Österreicherinnen zu testen, gäbe es aber dennoch nicht ausreichend Kapazitäten. Man dürfe nicht das Management rund um die Testungen vergessen.

Schutzkonzept für Spitäler

Anschober setzt auf ein eigenes Schutzkonzept für die Spitäler. Dazu zählten regelmäßige Testungen sowie Zugangsbarrieren. Mit der Ausweitung der Kapazitäten werde man auch Spitalspersonal etwa in Zukunft regelmäßig testen können. Es könne aber auch unmittelbar nach einem negativen Testergebnis zu Infektionen mit dem Coronavirus kommen, so Anschober.

„Wir sind alle von dieser Krankheit überrascht worden. Vorbereitet war die ganze Welt nicht. Es ist eine Ausnahmesituation, wie es sie unsere Generation noch nicht gesehen hat“, erklärte Thomas Stelzer (ÖVP), derzeit auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, und verwies darauf, dass man die Maßnahmen zur Beherrschung der Covid-19-Erkrankungen und zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ständig weiterentwickle.

„Kapazität schrittweise nach oben gefahren“

„Wir haben die Testkapazität schrittweise nach oben gefahren“, berichtete der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher von den Erfahrungen im ebenfalls stark vom Coronavirus betroffenen Südtirol. Anfangs seien nur Personen mit Symptomen, aus der roten Zone kommend oder Menschen, die mit Infizierten in Kontakt gewesen sind, getestet worden. Jetzt werde das auf das Gesundheitspersonal und diejenigen ausgedehnt, die nicht symptomatisch sind, um sie sofort isolieren zu können und um „ein flächendeckendes Bild zu bekommen“, so Kompatscher: „Das geht nicht von einem Tag auf den anderen.“

Grafik zeigt Anzahl der Tests im Ländervergleich
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In Südkorea und den USA wird immer wieder auf Schnelltests gesetzt. Redlberger-Fritz warnte vor CoV-Schnelltests, bei denen innerhalb von zehn Minuten etwa auf Basis eines Rachensekrets der CoV-Nachweis erbracht werden soll: „Diese Tests sind nicht aussagekräftig. Und es bringt wenig, wenn ich mich auf das Testergebnis nicht verlassen kann.“ Zuvor hatte auch schon die Ärztekammer vor kommerziellen Schnelltests gewarnt. Eine sichere Diagnose sei aktuell nur durch einen direkten Erregernachweis (Polymerase-Kettenreaktion, PCR) aus Schleimhautabstrichen beziehungsweise respiratorischen Sekreten erzielbar, so die Ärztekammer.

Neue Testverfahren bald verfügbar?

Helfen könnte allerdings, dass etwa laut der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek mehrere schnellere Tests möglicherweise in den nächsten Wochen zur Verfügung stehen könnten. „Was die Tests angeht, wird sich die Lage bald entspannen“, sagte Ciesek der dpa. Ciesek ist laut dpa eine der führenden Forscherinnen für SARS-CoV-2 in Deutschland und arbeitet am Klinikum der Frankfurter Goethe-Universität. Sie sei sehr hoffnungsvoll, dass es in den kommenden Wochen Tests geben werde, die nicht so anspruchsvolle Laborarbeit erfordern. Damit könne man in der „Notaufnahme in etwa 90 Minuten ein Testergebnis“ bekommen, erwartet Ciesek.

Verhandlungen über Pflegekorridor

Neben den Testungen und dem dringenden Bedarf an Schutzkleidung wurde in „Im Zentrum“ auch der drohende Engpass in der 24-Stunden-Betreuung thematisiert. Viele dieser Pflegekräfte stammen aus Rumänien und der Slowakei. Anschober ist angesichts der geschlossenen Grenzen mit den betroffenen Ländern in Verhandlungen wegen eines Pflegekorridors: „Es ist eine schwierige Situation. Die Verhandlungen laufen, aber derzeit bin ich nicht sehr optimistisch.“

Positiv sei, dass ein Großteil der Betreuer und Betreuerinnen in Österreich geblieben sei. Es brauche aber dennoch ein Sicherheitsnetz für die Pflege. „Wir wissen nicht, ob die Betreuer und die pflegenden Angehörigen nicht auch erkranken“, sagte Anschober. Es werde derzeit an einem sozialen Netzwerk gearbeitet, das auch Zivildiener umfasse. Diese müssten in jedem Fall vor der Übernahme etwa von Betreuungsaufgaben getestet werden.