Laborsituation in der AGES in Wien
APA/Hans Klaus Techt
Anschober

Flächendeckende CoV-Tests „nicht sinnvoll“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat der Forderung von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nach flächendeckenden Testungen zum Coronavirus eine Absage erteilt. „Eine flächendeckende Testung wird von unserem Fachbeirat als nicht sinnvoll bewertet und ist auch aufgrund der Ressourcen nicht umsetzbar“, sagte der Ressortchef am Montag.

„Wir erhöhen schrittweise massiv die Zahl der Testungen in Österreich – es bleibt bei klaren Schwerpunkten: Verdachtsfälle laut Falldefinition, oder Entscheidung des niedergelassenen Arztes, aber vor allem alle Gesundheitsberufe als Zielgruppe“, bekräftigte Anschober. Er betonte, dass im Laufe der vergangenen Woche die Testkapazität von 1.000 bis 1.500 Testungen pro Tag in zehn Labors auf derzeit etwa 2.000 bis 4.000 Tests pro Tag in 20 Labors verdoppelt wurde.

Laut Anschober steigt die Zahl der täglich möglichen Tests täglich, weil sich immer mehr Labors aus dem niedergelassenen Bereich mit „Hochdurchsatzgeräten“ ausstatten. Eine präzise tagesaktuelle Angabe sei daher schwierig. „Außerdem kommen Labors aus dem niedergelassenen Bereich hinzu. So werden die Kapazitäten schrittweise massiv erhöht“, sagte der Minister. Zu den Kosten der Testungen sind derzeit keine genauen Angaben möglich, hieß es aus dem Ministerium.

Die Tests würden derzeit nach oben gefahren, sagte auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“. Um alle Österreicher und Österreicherinnen zu testen, gäbe es aber dennoch nicht ausreichend Kapazitäten. Man dürfe nicht das Management rund um die Testungen vergessen.

Virologin: „Es braucht eine gewisse Gezieltheit“

Rund um den Begriff „flächendeckendes Testen“ gebe es Unschärfen, erklärte die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der Medizinischen Universität (MedUni) Wien. Denn genau genommen „würde das eigentlich bedeuten, dass jeden Tag jeder getestet werden müsste“, sagte die Medizinerin: „Das ist natürlich völlig unmöglich.“ Beim Testen brauche es auch weiter „eine gewisse Gezieltheit“.

„Im Zentrum“: Testen, schützen, helfen – Wie stark ist unser Gesundheitssystem?

Erstmals fand die ORF-Sendung „Im Zentrum“ ohne Studiogäste und ohne Publikum statt. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden via Skype bzw. Leitung ins Studio live zugeschaltet.

Die Kapazitäten würden in Österreich jetzt jedenfalls „massiv aufgestockt“. Eine große Hoffnung sei, dass mit nun verfügbaren SARS-CoV-2-Testkits für Großgeräte – automatisierte Laborstraßen – die durchführbaren Testzahlen stark gesteigert werden. „Diese ‚Kits‘ werden jetzt produziert und sind zum Teil auch schon zugelassen. Es wollen sie aber natürlich jetzt alle haben“, sagte Puchhammer-Stöckl. Die Bemühungen seien groß, diese auch zu bekommen.

Tests österreichweit in 20 Labors möglich

In Österreich habe sich hier auch schon sehr viel getan: Nachdem die MedUni Wien zuerst die einzige Institution war, die den Virus-RNA-Nachweis machen konnte, seien aktuell rund 20 Labors landesweit am Testen. „Wir unterstützen dabei natürlich, wo wir können“, so Puchhammer-Stöckl.

Länder wie Südkorea und die USA setzen verstärkt auf CoV-Schnelltests. Bei diesen Tests sei aber bei Weitem nicht alles Gold, was glänzt: „Zum Teil ist das auch ‚Fake‘.“ Bei der tatsächlichen Aussagekraft müsse man hier vielfach aufpassen. Es gebe aber auch die Hoffnung auf frühe Schnelltests auf Antigenbasis, wo nicht kompliziert nach dem Coronavirus-Erbgut, sondern nach ausschlaggebenden Virusproteinen gesucht wird. Puchhammer-Stöckl: „Das ist auch noch ein Aspekt, auf den man durchaus setzt, denn das wäre dann sehr effizient“ – mehr dazu in science.ORF.at.

Auch Virologin Redlberger-Fritz warnte bei „Im Zentrum“ vor Tests, bei denen innerhalb von zehn Minuten etwa auf Basis eines Rachensekrets der CoV-Nachweis erbracht werden soll: „Diese Tests sind nicht aussagekräftig. Und es bringt wenig, wenn ich mich auf das Testergebnis nicht verlassen kann.“ Zuvor hatte auch schon die Ärztekammer vor kommerziellen Schnelltests gewarnt. Eine sichere Diagnose sei aktuell nur durch einen direkten Erregernachweis (Polymerase-Kettenreaktion, PCR) aus Schleimhautabstrichen beziehungsweise respiratorischen Sekreten erzielbar.

Drei private Labors helfen

Bei den Testungen in Österreich werden laut einem Bericht des Ö1-Morgenjournals auch zwei große private Labors in Wien sowie eines in Salzburg mithelfen. „Wir haben seit mehreren Jahren von der Firma Roche ein PCR-Analyse-System, wo man am Tag mehrere hundert Testergebnisse erzielen kann“, sagte Johannes Bauer vom privaten Laborinstitut Labors.at im Gespräch mit Ö1.

Seit Kurzem gibt es von einem Pharmakonzern auch Testmaterialien beziehungsweise Reagenzien für CoV-Tests. Bauer: „Roche muss halt diese Tests verteilen, das ist sicherlich der Flaschenhals. Aber ich freue mich, wenn es nicht zu Engpässen kommt bei Testreagenzien.“ Am frühen Nachmittag bekam Labors.at laut Ö1 die Information, dass man nur 600 Testkits pro Woche erhält, dasselbe gelte für das zweite private Labor in Wien. Die internationale Nachfrage sei zu groß. Nur das Wiener AKH bekomme deutlich über 1.000 Testkits – aber pro Woche, nicht pro Tag.

Die Labormedizinerin Susanne Spitzauer von Labors.at betonte gegenüber Ö1, dass ihre Einrichtung nur Proben im Auftrag des Staates analysiere. Man wolle unter keinen Umständen von privaten Kunden gestürmt werden, so Spitzauer – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Panne bei Probentransport

Ö1 berichtete auch von einer Panne beim Transport von Proben. In einem Kühlgerät des Wiener Ärztefunkdienstes seien beim Transport zuletzt zehn Röhrchen undicht geworden, die 400 Proben im Kühlgerät hätten zunächst nicht analysiert werden können. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bestätigte den Vorfall gegenüber Ö1: „Wenn ein Röhrchen aufplatzt, dann muss man schauen, ob man das Material noch verwenden kann. Jedenfalls haben wir das Problem gelöst, die Analysen sind im Laufen. Für die Betroffenen bedeutet das, dass sie etwas länger warten müssen auf Ergebnisse.“

WHO fordert mehr Testungen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte europäische Regierungen am Sonntag davor, im Kampf gegen das Coronavirus vor allem auf die Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens zu setzen. Das alleine reiche nicht, es müsse deutlich mehr getestet werden. „Worauf wir uns wirklich konzentrieren müssen, ist, die Kranken mit Infektionen zu finden und sie zu isolieren“, sagte der WHO-Experte Mike Ryan.