US-Präsident Donald Trump und Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro
Reuters/Tom Brenner
Trump und Bolsonaro

Der fahrlässige Umgang mit der Krise

In der internationalen Coronavirus-Krise hinken große Länder wie die USA und Brasilien im Vergleich zu den durchschnittlich in europäischen Ländern gesetzten Maßnahmen weit hinterher. Grund ist die Weigerung der rechtspopulistischen Staatschefs Donald Trump und Jair Bolsonaro, die Ernsthaftigkeit der Gefahr durch das Virus rechtzeitig anzuerkennen. Umgeschwenkt ist mittlerweile der britische Premier Boris Johnson.

Lange hatte der Rechtsaußen-Präsident Brasiliens Warnungen vor dem SARS-CoV-2-Virus als Hysterie abgetan und damit landesweite Proteste ausgelöst. Erst kürzlich hatte allerdings Bolsonaro die nun durchgeführten Grenzschließungen noch als unwirksam im Kampf gegen das Coronavirus bezeichnet. Während Bolsonaro die Pandemie als „gripezinha“, kleine Grippe, verharmloste, setzten einzelne Bundesstaaten jedoch restriktive Maßnahmen um.

Der für seine homosexuellenfeindlichen und sexistischen Sprüche bekannte Bolsonaro kann dem offenbar nicht viel abgewinnen und kritisierte die Maßnahmen der Gouverneure der Bundesstaaten, um Menschenansammlungen zu vermeiden und die Ausbreitung aufzuhalten, als sehr schädlich für die Wirtschaft und bezeichnete die Gefährlichkeit des Virus als „Medienerfindung“.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro
APA/AFP/Evaristo Sa
Bolsonaro bei einer Pressekonferenz

Bolsonaro ließ sich bereits zweimal testen

In einer Ansprache am Dienstag warf Bolsonaro erneut den Behörden mit ihren Sicherheitsmaßnahmen eine Politik der „verbrannten Erde“ vor. Brasilien sei aufgrund seiner im Schnitt jungen Bevölkerung und tropischen Temperaturen kein Terrain, auf dem sich der neuartige Erreger leicht verbreiten könne, so das Argument des brasilianischen Präsidenten.​

Zur seiner eigenen Sicherheit ließ sich Bolsonaro allerdings bereits zweimal testen. Gegen den Rat seiner Berater und seines Arztes hatte Bolsonaro Hände geschüttelt. Auch in seinem Umfeld gibt es bereits einen bekanntgewordenen Fall. Sein Kommunikationssekretär Fabio Wajngarten war positiv getestet worden. Präsidenten-Sohn Eduardo Bolsonaro hatte auch mit seinem Vorwurf, China habe das Coronavirus verheimlicht, gar eine diplomatische Krise ausgelöst.

US-Präsident Donald Trump
Reuters/Leah Millis
Donald Trump im Oval Office des Weißen Hauses

Einigung auf Billionen-Dollar-Konjunkturpaket

Auch Trump versucht das Ausmaß der Krise herunterzuspielen. Für den US-Präsidenten im Dauerwahlkampf ist die Krise eine derzeit vor allem noch wirtschaftliche. Die Sorge um große Arbeitslosigkeit in den USA wächst, und das könnte sich beim Urnengang negativ für Trump auswirken. Daher gilt seine Aufmerksamkeit bisher auch den wirtschaftlichen Auswirkungen.

Am Mittwoch gab die US-Regierung bekannt, sich mit dem Senat auf ein Hilfspaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie geeinigt zu haben. Es soll laut der Nachrichtenagentur Bloomberg zwei Billionen Dollar umfassen. Die Parteien hätten sich geeinigt, wie der führende Demokrat im Senat, Chuck Schumer, und der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell in Washington mitteilten.

Das Konjunkturpaket soll unter anderem direkte Hilfszahlungen an die US-Steuerzahler und -Steuerzahlerinnen umfassen, eine deutliche Verbesserung der Arbeitslosenversicherung, mehr Geld für Krankenhäuser und ein sehr umfassendes Kreditprogramm für Unternehmen.

U.S. President Donald Trump
Getty Images/Tasos Katopodis
US-Präsident Trump am Sonntag bei einer Pressekonferenz – wenigstens der Mindestabstand wird teilweise eingehalten

Trump und das „Geschenk Gottes“

Dennoch: Trumps Schönwetterpolitik in Sachen Coronavirus stößt einigen in den USA sauer auf. So haben auch hier, ähnlich wie in Brasilien, Bundesstaaten striktere Regelungen eingesetzt, um der Krise Herr zu werden. Trump setzt indes in seinen Reden nicht auf Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, sondern „verkauft“ ein noch nicht zum Einsatz gegen das Coronavirus zugelassenes Medikament als Speerspitze im Kampf dagegen.

Er bezeichnete am Montag das Malaria-Medikament Cloroquin als mögliches „Geschenk Gottes“ im Kampf gegen das Coronavirus. „Hydroxychloroquin und Z-Pak, ich denke, diese Kombination sieht wahrscheinlich sehr, sehr gut aus“, sagte Trump am Montag bei einer Pressekonferenz unter Verweis auf erste Tests mit den Pharmazeutika.

Hinweis für Journalisten Abstand zu halten
APA/AFP/Eric Baradat
Journalisten und Journalistinnen sollen bei Pressekonferenzen den Abstand voneinander einhalten

Lange Liste an unqualifizierten Aussagen

Infektiologen warnten die Bevölkerung unterdessen vor jeder nicht ärztlich verordneten Einnahme von Medikamenten. Der renommierte US-Infektiologe Anthony Fauci betonte zudem, zuerst müssten großangelegte klinische Studien stattfinden, bevor die Wirksamkeit eines Medikaments gewährleistet sei.

Laut Trump ist allerdings auch ein Impfstoff nicht mehr weiter entfernt, und sowieso sei alles mit April wieder vorbei, wie der US-Präsident im Februar betonte, so die „Washington Post“ in ihrer Aufzählung von Trumps falschen oder irreführenden Zitaten in Sachen Coronavirus schreibt. Trump bezog sich dabei auch auf das wärmere Wetter. Auch hier sind Fachleute anderer Meinung.

Man habe alles im Griff, hatte Trump seit Eintreten der ersten Fälle betont. Auch meinte er zu wissen, dass es sich einfach um eine Grippe handle – und die geht ja doch relativ rasch vorbei. Jeder der getestet werden wolle, könne das auch, so ein weiterer Beruhigungsversuch von Trump Anfang März. Und die Liste von wissenschaftlich nicht gedeckten Aussagen von Trump zum Coronavirus ist lang, wenn man der „Washington Post“ vertraut.

„Ich sage, dass Sie ein furchtbarer Reporter sind“

Auch Trump sieht wie Bolsonaro das Problem bei den Medien. Auf die Frage eines Journalisten, welche Botschaft er angesichts wachsender Infektions- und Todeszahlen an besorgte US-Bürger habe antwortete Trump letzte Woche: „Ich sage, dass Sie ein furchtbarer Reporter sind. Das ist es, was ich sage. (…) Ich denke, es ist eine sehr gemeine Frage, und ich denke, es ist ein sehr schlechtes Signal, das Sie an die US-Bevölkerung aussenden.“

Trump scheint in einem Tweet auch indirekte Kritik an den Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus zu äußern. „Wir können nicht zulassen, dass die Kur schlimmer ist als das Problem selbst“, twitterte der US-Präsident – alles in Großbuchstaben.

Trump will Wirtschaft bald wieder anlaufen lassen

Nach Beendigung der in der Vorwoche verhängten 15-tägigen Sperre sollen Teile der Wirtschaft in weniger stark betroffenen Staaten wieder anlaufen. „Amerika wird wieder und bald offen für Geschäfte sein“ und das „nicht erst in Monaten“, so Trump am Montag.

Die Regierung werde nicht zulassen, dass es zu einem langfristigen wirtschaftlichen Schaden komme. Welche Teile der Wirtschaft wann wieder anlaufen sollen, ließ Trump offen. Weitere Reisebeschränkungen, auch im Inland, seien derzeit nicht vorgesehen.

Auch Trump wurde getestet

Andererseits bediente sich Trump am Montag der Kriegsmetapher. „Ich möchte der US-Bevölkerung versichern, dass wir jeden Tag alles uns Mögliche tun, um diesem furchtbaren, unsichtbaren Feind entgegenzutreten und ihn zu besiegen. Wir sind im Krieg, im wahrsten Sinne des Wortes im Krieg.“

Trump selbst hatte sich Mitte März auf das Coronavirus testen lassen, nachdem er mit mehreren Vertretern der brasilianischen Präsidentendelegation in Kontakt gewesen war, bei denen sich später herausstellte, dass sie infiziert waren. Trumps Arzt zufolge fiel der Test negativ aus.

Johnson zog die Reißleine

Eine Kehrtwende vollzog indes der britische Premier Johnson. Auch er hatte die Coronavirus-Krise mit Bedacht auf die Wirtschaft und den EU-Austritt zuerst heruntergespielt. Erst vorige Woche war man vom Ziel der „Herdenimmunität“ abgegangen. Schätzungen von britischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen hatten in einer Studie festgestellt, dass die Regierung ohne schärfere Maßnahmen 35.000 bis 70.000 vermeidbare Todesfälle in Kauf nehme. Sie zeichneten auch ein Szenario schlimmer als in Italien. Auch dem bereits schwächelndem britischen Gesundheitssystem drohe der Kollaps, hieß es vonseiten von Fachleuten.

Johnson hatte am Montagabend schließlich die Reißleine gezogen und die Bevölkerung in einer Rede an die Nation angewiesen, die eigenen vier Wände nur noch so wenig wie möglich zu verlassen. Versammlungen von mehr als zwei Personen seien verboten. Das Haus dürfe nur für den Einkauf wesentlicher Dinge wie Lebensmittel und Medikamente, für den Weg zur Arbeit und einmal am Tag für Sport verlassen werden. Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung dienen, mussten sofort schließen.

Zuvor hatten zahlreiche Menschen die Empfehlungen der Regierung ignoriert. So waren Menschenmengen am Wochenende bei schönstem Wetter durch die Parks in London geschlendert und U-Bahnen überfüllt.