Medizinisches Peronal in den Straßen von Barcelona
Reuters/Nacho Doce
Coronavirus

Entwicklung in Spanien dramatisch

Mit einer stark steigenden Anzahl sowohl bei Infektionen als auch bei Todesfällen durch das Coronavirus und Schlagzeilen zur aktuellen Lage ist am Dienstag erneut Spanien in den Fokus gerückt. In der Hauptstadt Madrid wurde die Eishalle zu einer Leichenhalle umfunktioniert. Zuvor hatten Soldaten in Altersheimen sich selbst überlassene Erkrankte und Tote vorgefunden.

Der Entschluss, den „Eispalast“ („Palacio de Hielo“) in Madrid vorübergehend als Leichenhalle zu verwenden, fiel nach einem rapiden Anstieg der Zahl der Todesopfer in der spanischen Hauptstadt, wie Madrids Bürgermeister Jose Luis Martinez-Almeida sagte.

„Es war eine schmerzhafte Entscheidung, die aber nötig war, weil die Bestattungsunternehmen überlastet sind“, so Martinez-Almeida am Dienstag gegenüber dem TV-Sender RTVE. Wie lange Leichen auf der 1.800 Quadratmeter großen Eisfläche gelagert werden müssen, lasse sich noch nicht sagen.

Madrid als Epizentrum der Krise

Die Region Madrid ist die mit den meisten nachgewiesenen Infektionen mit SARS-CoV-2. Die Zahl lag dort mit Stand Dienstag bei über 12.300 – knapp einem Drittel aller Fälle im Land. Mehr als die Hälfte aller Menschen, die im ganzen Land an der Infektionen starben, starben in der Hauptstadt – 1.500 von 2.700.

Polizeifahrzeuge vor der Eishalle in Madrid
APA/AFP/Pierre-Philippe Marcou
Polizei vor dem inzwischen gesperrten „Eispalast“ in Madrid

Der stellvertretende Präsident der spanischen Vereinigung der Bestattungsunternehmen (PANASEF), Juan Jose Lopez Vivas, sagte am Dienstag dem TV-Sender Telemadrid, das Arbeitsvolumen der Branche habe sich in der Hauptstadt aufgrund der Coronavirus-Krise im Vergleich zu normalen Zeiten versechsfacht.

500 registrierte Todesfälle an einem Tag

Mit Stand Dienstag war die Zahl der Infizierten binnen 24 Stunden um rund 6.500 auf insgesamt etwa 40.000 gestiegen, teilte das Gesundheitsministerium in Madrid mit. Mit rund 5.400 Infizierten hat das medizinische Personal einen Anteil von rund 13 Prozent an der Gesamtzahl. Die Zahl erfasster Todesfälle lag bei knapp 2.700 – am Montag waren es etwa 2.200, am Sonntag rund 1.700 gewesen. Dahinter folgt die Region Katalonien mit knapp 8.000 erfassten Fällen und rund 300 Toten.

Desinfektion in den Straßen von Madrid
Reuters/Susana Vera
Ein Mitarbeiter der Stadt versprüht in Madrid Desinfektionsmittel

Der Leiter der Behörde für Gesundheitliche Notfälle (CCAES), Fernando Simon, betonte, man dürfe keine voreiligen Schlüsse ziehen. Nach einer Ansteckung mit dem Erreger vergehen nach seiner Aussage im Schnitt „sieben bis zehn Tage“, bis die Infektion nachgewiesen wird. Die aktuellen Daten vermittelten deshalb ein altes Lagebild. Man sei nun „in der harten Woche“. Und: „Ob die sehr strikten Maßnahmen wirksam sind und wir den Höhepunkt erreichen, werden wir in den nächsten Tagen wissen, vielleicht schon morgen, vielleicht Donnerstag oder Freitag“, betonte Simon.

ORF-Korrespondent Manola über die dramatische Lage in Spanien

Spanien habe viel zu spät auf die Coronavirus-Krise reagiert, die Lage im Land sei dramatisch, sagt ORF-Korrespondent Josef Manola.

Die Regierung hofft, dass der Höhepunkt der Krise für die knapp 47 Millionen Spanier schon diese Woche erreicht wird. Ministerpräsident Pedro Sanchez hatte allerdings angekündigt, den geltenden nationalen Notstand noch einmal verlängern zu wollen – um weitere zwei Wochen bis 11. April.

Tote in Pflegebetten gefunden

Einen Eindruck davon, wie dramatisch die Lage in Spanien mittlerweile ist, hatten Medienberichte vom Montag geliefert. Laut denen hatten Soldaten, die wegen der Ausbreitung der Epidemie zu Hilfseinsätzen verpflichtet wurden, in Altersheimen völlig sich selbst überlassene Menschen und in einzelnen Fällen sogar Leichname in Betten gefunden.

Medizinisches Peronal und Polizei in den Straßen von Madrid
Reuters/Juan Medina
Ein Soldat in Schutzkleidung spricht vor dem „Eispalast“ mit Polizisten

Spaniens Verteidigungsministerin Margarita Robles bestätigte die Berichte am Montag gegenüber dem Fernsehsender Telecinco. Die spanische Generalstaatsanwaltschaft leitete nach eigenen Angaben eine Untersuchung zu den Zuständen in den Heimen ein.

Nach Italien das am stärksten betroffene EU-Land

Die Regierung werde „strikt und unnachgiebig“ sein, wenn es um die Vernachlässigung von Bewohnerinnen und Bewohnern von Seniorenheimen gehe, sagte Robles. Die spanische Armee ist damit beauftragt, die Gebäude zu desinfizieren. In Altersheimen in Spanien sind bereits Dutzende Menschen an der von dem neuartigen Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben.

Militärtransport in Barcelona
Reuters/Nacho Doce
Soldaten der spanischen Armee bauen Notunterkünfte für Obdachlose auf

Gesundheitsminister Salvador Illa betonte, dass die Regierung im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus eine „absolute Priorität“ auf die Heime lege. Die Lage dort solle intensiv überwacht werden. Spanien ist aktuell nach Italien das am stärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffene Land in Europa. Es gelten weitreichende Ausgangsbeschränkungen.

Wegen der Krise im Land habe das Militär die NATO um Unterstützung gebeten, hieß es am Dienstagabend. Die spanischen Streitkräfte hätten „internationale Hilfe“ angefordert, um Unterstützung bei der medizinischen Versorgung zu erhalten, bestätigte das Militärbündnis. Madrid habe um 500.000 Tests, 500 Beatmungsgeräte sowie 1,5 Millionen OP- und 450.000 andere Schutzmasken ersucht.