Leere Autobahn
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Luftqualität

Das Coronavirus und der Klimawandel

Durch die Coronavirus-Krise sind in zahlreichen Ländern Industrie und Verkehr teils stark eingeschränkt, der CO2-Ausstoß hat sich dadurch etwa in China und Italien verringert. Internationale Experten und Expertinnen warnen jedoch. Auch in Österreich ist man skeptisch, ob die Coronavirus-Krise nicht nur kurzfristig die Luftqualität verbessert.

Die Krise hat auch in Österreich Auswirkungen auf die Luftqualität, nämlich eben auf den Ausstoß von Schadstoffen, zum Beispiel durch den geringeren Verkehr. Durch diesen Rückgang hat sich die Luftqualität beispielsweise in Tirol in der letzten Woche stark verbessert. So liegen die Stickstoffdioxidwerte um 50 bis 60 Prozent unter den Werten des Vorjahres, wie es vom Land heißt – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Auch erste Auswertungen des Umweltbundesamts (UBA) zeigen einen Rückgang der Schadstoffbelastung an verkehrsnahen und städtischen Messstationen, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung des UBA. Wie sich die Veränderungen eben im Verkehr sowie in der Industrie und Wirtschaft auf die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auswirken, kann man heute jedoch noch nicht sagen. Das wird sich erst in einigen Monaten zeigen. Veränderungen in der gesamten Atmosphäre werden unter anderem am Sonnblick-Observatorium in über 3.100 Metern Seehöhe gemessen – mehr dazu in science.ORF.at.

Stau auf mehrspuriger Straße in Peking
APA/AFP/Greg Baker
In China ist die Wirtschaft teils wieder voll angelaufen. Hier ein Stau in Peking.

Kurzfristiger Rückgang in China und Italien

In China haben die durch die Coronavirus-Krise bedingten Einschränkungen in Produktion und Mobilität laut Analysen des finnischen Center for Research on Energy and Clean Air (CAR) zu einer deutlichen Verringerung von schädlichen Emissionen in der Luft geführt: Die Treibhausgasemissionen gingen im Februar 2020, allerdings nur kurzfristig, um mehr als 25 Prozent zurück. Auch in Italien verbesserte sich die Luftqualität.

Klimaforscher: Aus Krise lernen

Gottfried Kirchengast, Klimaforscher am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Universität Graz, sieht eine Chance, aus der Krise zu lernen und so indirekt langfristig positive Effekte für Umwelt und Klima zu erzielen. Kirchengast nannte als Beispiel etwa die derzeit geänderte Kommunikation. So könne man daraus lernen, beruflich nicht überall physisch hinfahren zu müssen, sondern mit Fernmeetings zu arbeiten.

Ein zweiter Punkt ist laut Kirchengast, auch klimagerecht zu investieren. „Dann kann auch ein längerfristiger Effekt bestehen“, so der Klimaforscher, denn sonst wäre es leider nur ein kurzfristiger Einmaleffekt – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Klimaökonom: Von der Notlösung zum Standard

Die aktuellen Notlösungen könnten laut dem Grazer Klimaökonomen Karl Steininger, ebenfalls vom Wegener Center, dennoch eine nachhaltige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben. Gestrichene Geschäftsreisen, seltenere Einkaufsfahrten, dafür Videokonferenz, Homeoffice und regionale Lieferdienste – was seit den Zeiten der Ausgangsbeschränkungen noch als Notlösung angesehen wird, könnte laut dem Ökonomen in Zukunft durchaus Standard werden.

„Die Corona-Krise zwingt uns, neue Wege auszuprobieren. Wenn wir damit gute Erfahrungen machen, könnten wir sie auch weiterhin verstärkt nutzen und damit einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft leisten“, so der Volkswirt. Dass angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch das Coronavirus plötzlich Maßnahmen und Verhaltensänderungen akzeptiert würden, die der Klimawandel mit seiner laut Steininger langfristigen, größeren Gefährdung zumindest bisher nicht rechtfertigen konnte, stimme ihn allerdings auch nachdenklich.

Weltmeteorologiebehörde: Entwicklung durchbrechen

Wetterexperten und Wetterexpertinnen der Vereinten Nationen warnen ebenfalls davor, kurzfristig saubere Luft durch die Coronavirus-Krise mit langfristigen Klimaschutzfortschritten zu verwechseln. „Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen vermuten, dass auf einen Emissionsrückgang in Wirtschaftskrisen ein rascher Anstieg folgt. Diese Entwicklung müssen wir durchbrechen“, forderte der Generaldirektor der Weltmeteorologiebehörde (WMO), Petteri Taalas, in einer am Wochenende in Genf verbreiteten Erklärung.

Richtig sei, dass das Herunterfahren der Wirtschaft mit dem Ziel des Eindämmens des Coronavirus zu lokalen Verbesserungen der Luftqualität geführt habe. Das sei in China und später auch in Norditalien messbar gewesen, etwa am geringeren Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und Stickstoffdioxid (NO2). Aber es sei zu früh, um die langfristigen Auswirkungen auf die Gaskonzentrationen und damit den Treibhauseffekt der Erde abzuschätzen, hieß es.

Weiteren Unterschied hervorgehoben

Wichtige internationale Messstationen auf Hawaii und bei Cape Grim in Tasmanien (Australien) hätten bei dem Level des klimaschädlichen Kohlendioxids sogar für die ersten Monate 2020 höhere Werte verzeichnet als 2019. Die UNO-Meteorologiebehörde wies darauf hin, dass man zusätzlich zum Unterschied zwischen lokalen und weltweiten Änderungen auch zwischen dem Ausstoß der Treibhausgase und der Konzentration in der Atmosphäre unterscheiden müsse.

Für die wichtigen Konzentrationswerte müssten zusätzliche Aspekte im Zusammenspiel mit der Umwelt beachtet werden, darunter die Aufnahme durch die Ozeane. Maßnahmen gegen die Klimakrise müssten mit Nachdruck verfolgt werden, so Taalas.

Thinktank: Auf klimafreundliches Investment kommt es an

Auch ob ein Umdenken stattfinden wird, gilt als fraglich. So mahnte etwa der Direktor der deutschen Denkfabrik Agora Energiewende, Patrick Graichen, letzte Woche vor Euphorie, obwohl er davon ausgeht, dass als Folge der Coronavirus-Krise Deutschland sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 ereichen wird. Es könnten je nach Ausmaß der Krise nicht nur wie angestrebt 40 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 ausgestoßen werden, sondern sogar bis zu 45 Prozent weniger, so Graichen letzte Woche in Berlin.

Graichen wies ausdrücklich darauf hin, dass Investitionen in klimafreundliche Technologien ausfallen könnten und das Coronavirus dann dem Klima längerfristig schade. Die Politik müsse gegensteuern und Wachstumspakete „grün“ ausgestalten.