Ein Arbeiter hält auf einer Baustelle eine Kette
ORF.at/Christian Öser
Coronavirus

Szenarien für heimische Wirtschaft

Das Coronavirus trifft die Wirtschaft hart. Die Arbeitslosenzahlen steigen, ein Budgetminus ist fix. Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS) lieferten am Donnerstag eine erste Einschätzung – oder eher Szenarien dazu, wie es weitergeht. Kernpunkte: Österreich rutscht in eine Rezession, die Arbeitslosigkeit steigt, die Staatsverschuldung auch. In einem Punkt sind sich beide Institute einig: Horrorprognosen sind aktuell ein schlechter Ratgeber.

Durch die Epidemie sinkt die Wirtschaftsleistung, Gegenmaßnahmen sind teuer. Was alles unter dem Strich kostet, ist die eine Frage. Die andere: Wie könnte es nach Ostern weitergehen? WIFO und IHS betonten ähnlich die Schwierigkeiten, in der aktuellen Situation überhaupt Prognosen zu liefern.

Man habe sich deshalb entschlossen, Szenarien zu zeichnen, sagten mit ähnlichen Worten WIFO-Chef Christoph Badelt und der Leiter des IHS, Martin Kocher. Eine Einschätzung mit „hinreichender Sicherheit“ sei faktisch unmöglich, so Badelt. Die Rahmenbedingungen hätten sich praktisch täglich verändert, damit auch die Zahlen, so Kocher. Warum dann überhaupt eine Prognose? Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger brauchten Grundlagen, sagte der IHS-Chef.

Optimistisches Grundszenario

Beide Institute gehen in ihren Szenarien jedenfalls davon aus, dass nach Ostern die aktuell geltenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens – allerdings nur Schritt für Schritt – wieder gelockert werden können und sich die wirtschaftliche Situation langsam zu normalisieren beginnt.

WIF-Chef Christoph Badelt und IHS-Direktor Martin Kocher
APA/Robert Jaeger
WIFO-Chef Badelt und IHS-Leiter Kocher warnen vor Dynamik von Horrorprognosen

Das sei, sagte Badelt, „wenn Sie so wollen, ein optimistisches Szenario“, das voraussetzt, dass nicht weitere wirtschaftliche Probleme auftreten. Es sei allerdings unverantwortlich, „Horrorszenarien“ zu zeichnen. Die würden niemandem helfen und erzeugten bestenfalls Panik.

„Klare Rezession“ und noch mehr Arbeitslosigkeit

Die grundsätzlichen Zahlen: Die Wirtschaftsleistung wird laut IHS um 2,0 und laut WIFO im laufenden Jahr um 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) schrumpfen, eine „klare Rezession“, wie Kocher ergänzte. In ihren letzten Prognosen waren beide Institute noch von einem Plus von 1,3 bzw. 1,2 Prozent ausgegangen.

Grafik zur Wirtschaft
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO/IHS

Die Arbeitslosenzahl, die zuletzt außergewöhnlich stark gestiegen war, dürfte auf Jahressicht 8,4 Prozent betragen. Die Inflationsrate wird nach Einschätzung von WIFO und IHS niedriger als zuletzt angenommen ausfallen und bei 1,3 Prozent liegen. Das hat aber nicht direkt mit der Coronavirus-Krise zu tun.

Deutliches Minus im Budget

Der Staat wird 2020 deutlich negativ bilanzieren, anstatt eines ursprünglich angenommenen kleinen Überschusses wird das Haushaltsdefizit laut IHS und WIFO 5,0 bzw. 5,5 Prozent ausmachen, in absoluten Zahlen laut Badelt 21,5 Mrd. Euro. Die Staatsverschuldung werde von 70 auf 76 Prozent klettern, sagte der WIFO-Chef bei der „digitalen Pressekonferenz“ unter dem Titel „Konjunkturprognose 2020 und 2021“.

Wohl am stärksten getroffen habe die Krise den Tourismus, wo bis Juni Buchungen ausbleiben könnten. Aber: Die Tourismuswirtschaft sei eine Branche, die sich rasch wieder erholen könne, wenn sich alles wieder beruhigt hat. Gleichfalls stark betroffen sei die Gastronomie mit einem Minus von zehn Prozent in ihrer Wertschöpfung, hieß es vom WIFO, ähnlich wie der gesamte Freizeitsektor. Die Industrie verliere an die vier Prozent, der Handel 1,8 Prozent.

Vielschichtige Krise

Kocher sagte, gegenwärtig habe man es mit einer Angebotskrise zu tun. Die Menschen wollten konsumieren, aber es sind Geschäfte und Lokale geschlossen, Lieferketten unterbrochen. Unternehmen wollten produzieren, könnten es aber nicht. Es gebe auch eine Nachfragekrise, bedingt durch die aktuelle generelle Unsicherheit. Investitionen seien verschoben worden, die Exportnachfrage sei eingebrochen. Der Konsum werde auch nicht wieder von heute auf morgen anspringen, als wäre nichts gewesen, sagte Badelt. Nach der Krise brauche es ein „konventionelles Konjunkturprogramm“. Es sei auch genau zu überlegen, wie lange man den gegenwärtigen „Shut-down“ aufrechterhalten könne, ohne die Wirtschaft abzuwürgen.

Steil hinunter und (hoffentlich) wieder steil hinauf

IHS-Chef Kocher äußerte die Hoffnung, dass die gegenwärtige Krise in einer V-Form verlaufe – steil nach unten, danach aber wieder steil nach oben. Ein schnelles „Comeback“ der Wirtschaft müsse gelingen, damit „Flurschäden“, Langzeitfolgen, verhindert werden. Die Prognose des WIFO steht unter dem Titel „Scharfer, aber im besten Fall kurzer Einbruch der Konjunktur infolge der Coronavirus-Pandemie“.

Die Situation werde jedenfalls schwieriger, je länger das wirtschaftliche Leben stillsteht. Mit jeder Woche seien mehr Personen, mehr Unternehmen betroffen, sagte Badelt. Auch die Kosten summierten sich nicht linear, so Kocher, und je länger es dauere, desto schwierige werde es, wieder aufzuholen.

Warnung vor „Teufelskreis nach unten“

Sowohl Badelt als auch Kocher warnten vor übertriebenem Pessimismus, der in Wirklichkeit nur schade, der IHS-Leiter sprach von einer aktuellen Dynamik, „die einen gewissen Teufelskreis nach unten darstellt“, man dürfe sich nicht durch sich selbst erfüllende Prophezeiungen beeinflussen lassen. Der WIFO-Chef nannte Prognosen, die mit Zahlen jenseits der zehn, 15 Prozent minus spielten und seit Tagen kursierten, sinngemäß verantwortungslos. Beide Institute betonten aber auch: Stellten sich weitere wirtschaftliche Probleme nach der Coronavirus-Krise ein, könne es deutlich tiefer nach unten gehen, als sie es aus aktueller Sicht prognostizierten.

Badelt nannte die Maßnahmen, die die Regierung ergriffen hat, richtig, auch wenn sie teuer sind. Gesundheit müsse vorgehen, um die Wirtschaft zu stützen, brauche es „massive“ Unterstützung. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte zuletzt von einem „Budget der Krise“ gesprochen, aber wie schon zuvor Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Losung „Koste es, was es wolle“ ausgegeben. Kocher schloss nicht aus, dass die Wachstumsaussichten für das kommende Jahr gut stehen könnten – aber nur, wenn es keine Folgekrise gebe.

WIFO-Chef Badelt mahnte schließlich auch, dass in der aktuellen Situation andere große Themen, etwa die Klimapolitik, nicht vergessen werden dürften. Nur weil die Klimaproblematik derzeit nicht so akut wie sonst wahrgenommen werde, sei sie nicht kleiner geworden. Er wolle „ganz bewusst heute“ auch „an übermorgen denken“.